Von Remote Onboarding bis Remote Work

So navigiert HR die Unternehmen erfolgreich durch die Krise
Die Corona-Krise stellt die meisten Branchen in vielerlei Hinsicht vor eine nie dagewesene Herausforderung. Gerade Personaler sind nun besonders gefragt: Denn sie müssen für ihre Mitarbeiter die Voraussetzungen schaffen, damit trotz wirtschaftlicher Turbulenzen und Remote Work weiterhin der Teamzusammenhalt, die Arbeitsmoral und somit auch die Loyalität dem Unternehmen gegenüber aufrechterhalten bleiben.
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 Bild: liubomir118809/stock.adobe.com
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1 Verunsicherungen auflösen und unterstützen

Damit alle Mitarbeiter – vom Neueinsteiger bis zum Dienstältesten – während der Krise weiterhin motiviert und sowohl körperlich als auch mental gesund bleiben, müssen Personaler vor allem zwei Herausforderungen angehen. Die erste ist dabei die allgemeine Verunsicherung: Mitarbeiter fürchten die wirtschaftlichen Folgen der Krise und wissen nicht, was auf sie persönlich zukommen wird. Hier hilft die klare Devise: „You cannot overcommunicate in a crisis“. Offene Kommunikation und maximale Transparenz sind extrem wichtig, um den Beschäftigten ihre unausgesprochenen Sorgen zu nehmen, Vertrauen zu schaffen und das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Egal, ob es dabei um wirtschaftliche Zahlen und Prognosen, die Möglichkeit von Kurzarbeit oder Details bei bereits geplanten individuellen Vertragsänderungen geht. Wichtig ist hierbei vor allem Proaktivität: Im Idealfall sollten sämtliche Ängste der Arbeitnehmer antizipiert und beantwortet werden, bevor sie nachfragen. Dies gilt auch für neue Kollegen, die noch gar nicht gestartet sind. Sie treten ihren Job in unsicherer Atmosphäre an und fragen sich, wie es für sie weitergeht.

Die zweite Herausforderung betrifft die neue Arbeitssituation im Homeoffice und all ihre praktischen, organisatorischen sowie sozialen und mentalen Konsequenzen. HR steht hier in der Verantwortung, diverse Prozesse und Abläufe von Grund auf neu zu gestalten und Betroffene bei der Umstellung ihrer Arbeitssituation zu unterstützen. Das Aufgabenspektrum reicht dabei von den technischen Voraussetzungen – sowohl Hardware wie Laptops als auch Zugänge für Zoom und andere Tools zur Online-Kollaboration – über die Einführung neuer Verhaltensroutinen bis hin zu speziellen Workshops: sowohl für Mitarbeiter, um sich neue Tools und Richtlinien anzueignen, als auch für Führungskräfte, die lernen müssen, ihr Team auch remote optimal zu führen (Anm. d. Red.: vgl. hierzu Müller, AuA 6/20, S. 350 ff.).

2 Investition in die Zukunft

Die flächendeckende Umstellung auf Homeoffice bildet für HRler sowie für Arbeitgeber dabei nicht nur eine Herausforderung, sondern ebenso eine Chance für die Zukunft. Denn die Corona-Krise wirkt als Katalysator einer schon länger währenden Entwicklung: Homeoffice war in den letzten Jahren bereits stark im Kommen und wird auch nach der Krise weiterhin ein großes Thema bleiben. Unternehmen und Belegschaft lernen zurzeit, wie Zusammenarbeit auch remote funktioniert. Dazu werden die zahlreichen Vorteile, die das Homeoffice mit sich bringt, immer deutlicher. So fällt z. B. für viele das aufwendige Pendeln weg, es bleibt mehr Zeit für die Familie und manche Mitarbeiter können sich zu Hause sogar besser konzentrieren als im Büro. Es dürfte also niemanden wundern, wenn Arbeitnehmer in Zukunft deutlich mehr Flexibilität in Bezug auf Homeoffice von ihren Chefs erwarten.

Personaler, die nun Zeit und Kraft investieren, um neue Arbeitsabläufe und Regeln für Remote Work zu erarbeiten, reagieren damit also nicht nur auf die aktuelle Situation – sie schaffen so auch die Grundlage für ein zukünftiges flexibleres Arbeiten. Diese Veränderungen betreffen dabei eine große Vielfalt an Arbeitsbereichen. Nicht zuletzt auch das Onboarding: Die erste Station, die jeder neue Kollege im Unternehmen durchläuft und die darüber hinaus vom Homeoffice aus mit besonderen Herausforderungen verbunden ist.

3 Remote Onboarding – so kann es funktionieren

Nun könnte man meinen, in Zeiten von COVID-19 haben Unternehmen andere Sorgen als das Einstellen und Einarbeiten neuer Mitarbeiter. Doch wie eine kürzlich veröffentlichte Studie des Institute for Competitive Recruiting (ICR) zeigt, will bspw. mehr als ein Drittel der IT-Unternehmen ihr Recruiting trotz der Krise weiter ausbauen und verstärkt neue Mitarbeiter einstellen. Die Suche und Auswahl von Jobanwärtern aus dem Homeoffice heraus stellt noch keine große Herausforderung für die meisten Recruiter dar. Selbst Vorstellungsgespräche per Videocalls sind oftmals nichts Neues – auch wenn manche Chefs vielleicht immer noch ungern Personen einstellen, die sie noch nie vorher persönlich gesehen haben. Viel größere Unsicherheiten birgt für Arbeitgeber und Personaler derzeit aber das Thema Onboarding. Wie kann ich einen neuen Mitarbeiter in meinem Unternehmen willkommen heißen, in alle Tools und Arbeitsprozesse einweisen und mit allen Kollegen bekannt machen, wenn er sich die ganze Zeit über zu Hause befindet und nur digital mit mir in Kontakt steht?

Für fast jeden Personaler stellt Remote Onboarding ein ganz neues Terrain dar. In diesem müssen sie sich nun aber schnell zurechtfinden, denn die ersten Wochen sind essenziell für eine langfristig erfolgreiche Beziehung und Zusammenarbeit. Damit das trotz Quarantäne gelingt, gilt es einiges zu beachten:

1. Equipment rechtzeitig zur Verfügung stellen

Für das Arbeiten von zu Hause aus braucht man ganz banal zunächst die nötige technische Ausstattung. Damit der neue Kollege pünktlich am ersten Tag starten und eventuelle technische Schwierigkeiten im Vorfeld ausräumen kann, sollte ihm sämtliche Hardware bereits frühzeitig zur Verfügung stehen. Laptop, Maus, Tastatur und Kopfhörer (wichtig für die Onlinemeetings) können einfach per Post oder Kurier verschickt werden. Personaler sollten ebenfalls darauf achten, dass Software und Tools (inkl. – falls nötig – ein VPN-Zugang) bereits im Vorfeld auf dem Computer des Neustarters installiert sind. Denn anders als im Büro lässt sich IT-Support nicht so einfach von zu Hause aus organisieren.

2. Trotz sozialer Distanz ein Wir-Gefühl schaffen

Wer dem neuen Mitarbeiter von Anfang an das Gefühl geben will, mit offenen Armen empfangen zu werden und Teil des „virtuellen“ Teams zu sein, kann neben dem nötigen Equipment zusätzlich Willkommensgeschenke im Paket mitsenden. „Nervennahrung“ wie Nüsse oder Süßigkeiten, Büroartikel oder eine Kaffeetasse mit Firmenlogo sind hier gut geeignet und sorgen im Verbund mit einer persönlichen Notiz für eine kleine Aufmunterung und Wertschätzung. Eine etwas ausführlichere Willkommensnachricht per E-Mail vom Teamlead darf natürlich auch nicht fehlen. Neben ein paar netten Worten sind vor allem generelle wie auch ganz praktische Informationen hilfreich. Hier ein paar Anregungen:

  • Informationen über das Unternehmen mit Fakten und Zahlen zur Geschichte
  • Liste der Teamkollegen mit geschäftlichen Kontaktdaten
  • Übersicht aller wichtigen Termine
  • Informationen zu Büro- und Pausenzeiten
  • Liste der wichtigsten Softwaretools

3. Den Neustarter virtuell an die Hand nehmen

Nun beginnt die nächste Phase der praktischen Einführungsgespräche, die in Zeiten von Homeoffice natürlich nur virtuell stattfinden können. Mit den passenden Tools stellt dies aber keine große Hürde dar. Gut geeignet sind etwa Google Hangouts, Zoom, Slack oder Microsoft Teams. Für spätere Workshops oder Brainstormings bieten sich auch Tools wie Miro an, mit denen Remote Teams gemeinsam an Online-Whiteboards arbeiten können. Bevor Neustarter diese fortgeschrittenen Tools allerdings problemlos bedienen können, bedarf es hier wiederum entsprechender Trainingssessions – am besten per Videocall mit geteiltem Screen. Ergänzend sollte immer auch ein Leitfaden zur Verfügung stehen, der durch die wichtigsten Funktionen der Tools führt.

Für eine effiziente Einarbeitungszeit sollte ein gut durchdachter Onboarding-Plan erstellt werden. Mit diesem behalten neue Mitarbeiter alle inhaltlichen Punkte sowie den Zeitpunkt des jeweils nächsten Einführungsgesprächs stets im Blick. Darüber hinaus freuen sich Neustarter besonders über die Zuteilung eines „Onboarding-Buddys“. Ziel ist es, dass ein erfahrenerer Mitarbeiter den neuen Kollegen an die Hand nimmt und ihm mit Rat und Tat zur Seite steht. Dieses Programm gibt Neuankömmlingen nicht nur ein besseres und persönlicheres Gefühl für die Anfangszeit – es bietet auch eine Anlaufstelle für all die – nicht immer inhaltlichen – Fragen, die sich in der Anfangszeit stellen.

4. Kommunizieren, kommunizieren, kommunizieren

Wenn das Homeoffice einen Aspekt der Arbeit am meisten erschwert, dann ist es die Kommunikation. Gerade im Onboarding-Prozess ist der enge Kontakt zum Neustarter aber besonders wichtig. Zum einen, damit er schnell ein Gefühl für seine Kollegen und das Teamgefüge bekommt, und zum anderen, damit der Arbeitgeber zeitnahes Feedback erhält und sich einen guten Eindruck vom neuen Teammitglied machen kann. Um die Distanz zwischen den Kollegen, die jeweils alleine zu Hause vor ihrem Rechner sitzen, überbrücken zu können, ist vor allem eines gefordert: kommunizieren, kommunizieren, kommunizieren. Sowohl schriftlich als auch durch Telefonate oder Videocalls. Oft unterschätzt, aber sehr wichtig bei letzterem Punkt, ist es, neben dem Einschalten von Audio ebenfalls die Videofunktion zu nutzen. Ob ich meinen Gegenüber beim Gespräch auch sehen kann, macht einen großen Unterschied und schafft automatisch mehr Nähe und Gemeinschaftsgefühl. Zumal Neuankömmlinge natürlich auch gern die Gesichter zu den Namen ihrer Kollegen kennenlernen wollen.

Für regelmäßige Videogespräche mit Neustartern stehen zwei Optionen zur Verfügung: entweder als fest eingeplante Termine oder als optionale Zeitfenster, in denen Mitarbeiter ansprechbar sind und für Fragen bereitstehen. Dies betrifft übrigens nicht nur den Buddy oder Personaler, sondern ebenfalls die Geschäftsführung, die neue Mitarbeiter natürlich ebenfalls persönlich willkommen heißen und kennenlernen sollte.

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Kommunikation muss aber nicht nur in Eins-zu-eins-Gesprächen stattfinden – auch informelle Gruppenmeetings, wie virtuelle Coffee-Dates, tragen erheblich zum Teamgefühl bei und erleichtern es Neulingen, ihre Kollegen kennenzulernen und sich ins Team einzufügen. Personaler können die Termine zum virtuellen Pausengespräch einfach festlegen und Mitarbeiter aus verschiedenen Teams dafür zusammenwürfeln. Dabei unterstützen können auch Lösungen wie Wellbeing Warrior. Die Möglichkeiten für soziale Interaktion hören dort aber noch lange nicht auf: Auch remote lassen sich verschiedene Teamevents organisieren, z. B. virtuelle Koch- oder Spieleabende oder ein Pub-Quiz.

4 Es warten viele Aufgaben auf HR

Am besonderen Beispiel des Onboardings werden die großen Herausforderungen und Chancen für HR in der derzeitigen Corona-Krise deutlich. Neben Neu-Angestellten braucht auch das bestehende Team Zuwendung und Unterstützung beim Arbeiten aus der Ferne. Obwohl sich alteingesessene Mitarbeiter nicht mehr ins Team und in bestehende Arbeitsprozesse einfinden müssen, stellen sich auch für sie neue Herausforderungen beim Arbeiten aus dem Homeoffice. Laut einer internationalen Studie von Buffer und AngelList betrifft dies vor allem: Kommunikation, Kollaboration und Einsamkeit. Auch hier muss HR also wichtige Regeln und Rahmenbedingungen schaffen, um diesen drei möglichen Problemfeldern entgegenzuwirken.

Ähnlich wie beim Onboarding steht dabei wieder der Aspekt der Kommunikation im Mittelpunkt. Denn sowohl die erschwerte Zusammenarbeit als auch das Problem der Isolation sind direkt dadurch bedingt. Wenn sich Kollegen nicht mehr regelmäßig und laufend untereinander austauschen, können wichtige Informationen über Entscheidungen, den Projektstatus oder kurzfristige Updates schneller bei manchen Teammitgliedern verloren gehen. Genauso kann die erschwerte Kommunikation mit den Kollegen dafür sorgen, dass sich Mitarbeiter isoliert fühlen und dementsprechend Probleme mit ihrer mentalen Gesundheit bekommen. Personaler tun daher gut daran, regelmäßige Check-ins für alle Beschäftigten zu organisieren – sowohl innerhalb von Teams, um die Zusammenarbeit zu verbessern, als auch in größeren Gruppen, um zu sozialen Interaktionen zu motivieren. Letztere sollten natürlich auf freiwilliger Basis stattfinden, sodass die Mitarbeiter immer noch ihren persönlichen Freiraum behalten und sich nicht kontrolliert fühlen.

5 HR muss nah am Menschen sein

„Communication is Key“ – diese Wahrheit prägt die Aufgaben von HR nun mehr denn je. Bei sämtlichen Herausforderungen der aktuellen Krise – ob es das Onboarding von Neustartern oder die Unterstützung der bestehenden Teams betrifft – geht es vor allem darum, dass Personaler wieder persönlicher und näher bei den Kollegen sind. Um dies schaffen zu können, brauchen sie entsprechende Zeit und Freiräume. Viel zu häufig sind Personaler aber nach wie vor zu großen Teilen mit repetitiven Verwaltungsaufgaben beschäftigt, die sie von ihren eigentlichen und während der Krise umso wichtigeren Verantwortungen gegenüber dem Team und der Geschäftsführung abbringen. Mehr denn je sollten Arbeitgeber also jetzt die Weichen für eine effektive und erfolgreiche HR stellen, indem sie die Digitalisierung der Personalabteilung vorantreiben und grundlegende administrative Prozesse durch HR-Software automatisieren.

6 Fazit

Die Corona-Krise hat die Arbeitswelt auf den Kopf gestellt, und wie es in den nächsten Wochen und Monaten weitergeht, bleibt ungewiss. Eines ist aber bereits jetzt klar geworden: Ohne Personaler, die alle Beteiligten für die neue Arbeitsrealität bereit machen, werden Unternehmen und ihre Mitarbeiter nicht gesund aus der Krise hervorgehen können. Die jetzige Ausnahmesituation bietet für Entscheidungsträger eine einmalige Gelegenheit, um zu lernen und positive Veränderungen für die Zukunft in die Wege zu leiten: sowohl in Bezug auf die Grundlagen von Homeoffice bzw. mobiler Arbeit und flexibler Arbeitsgestaltung als auch auf die Rolle und Bedeutung von HR innerhalb der Organisation.

Martina Ruiß

Martina Ruiß
Head of HR, Personio, München
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· Artikel im Heft ·

Von Remote Onboarding bis Remote Work
Seite 416 bis 418
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