Vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeiten wirksam?

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 Bild: master1305/stock.adobe.com
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Der Kläger ist gem. TV-L beschäftigt und erhält Entgelt aus der Entgeltgruppe 6. Er wird vorrübergehend mit Aufgaben eines erkrankten Kollegen (bewertet mit der Entgeltgruppe 9a) betraut und erhält eine Zulage in Höhe der Differenz zur Entgeltgruppe 9a.

Nachdem der erkrankte Kollege aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden war, stellte sich die Frage der Neubesetzung der Stelle; der Kläger bewarb sich neben weiteren Bewerbern, der Personalrat stimmte einer Einstellung nicht zu und der Arbeitgeber entschied sich daraufhin, von einer Stellenbesetzung zunächst Abstand zu nehmen. Nachdem der Personalrat den Arbeitgeber aufforderte, den Personalrat zur weiteren vorübergehenden Beschäftigung des Klägers auf der höherwertigen Stelle zu beteiligen, entzog der Arbeitgeber dem Kläger die höherwertige Stelle und stellte die Zahlung der Zulage ein.

Der Kläger begehrte die gerichtliche Feststellung, dass ihm die höherwertige Tätigkeit nach dem Ausscheiden des erkrankten Kollegen dauerhaft übertragen worden sei. Eine weitergehende Befristung der Übertragung der höherwertigen Tätigkeit habe der Arbeitgeber nicht geäußert. Auch sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Der Arbeitgeber erwiderte, dass eine fehlende Beteiligung des Personalrats keine dauerhafte Übertragung der Tätigkeit zur Folge habe. Die höherwertige Aufgabe sei zu keiner Zeit dauerhaft übertragen worden.

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern (Urt. v. 27.8.2024 – 2 SLa 50/24; rk.) entschied zugunsten des Arbeitgebers. Eine höherwertige Tätigkeit ist ihm nicht auf Dauer übertragen worden. Soweit der Kläger darauf anspiele, dass für die vorübergehende Übertragung ein Sachgrund genannt worden sei und dieser Sachgrund mit dem Ausscheiden des erkrankten Kollegen entfallen sei, verkenne der Kläger, dass insoweit keine Regelungen bestehen, welche denen des TzBfG entsprächen. Auch sei die Genesung des Kollegen nicht eingetreten, das Ausscheiden des Kollegen aus dem Arbeitsverhältnis ändere daran nichts. Wie der öffentliche Dienstherr zu welchem Zeitpunkt eine Stelle besetzt, stehe jedoch in seinem Organisationsermessen und geschehe nicht dadurch, dass mit dem Ausscheiden des bisherigen Stelleninhabers der mit dessen Tätigkeit betraute Beschäftigte ohne sein Zutun und ohne das Zutun seines Arbeitgebers die Stelle erhalte.

Hinzu kommt die Ermessensentscheidung des Arbeitgebers:

  • Eine vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit ist sachlich begründet und entspricht billigem Ermessen, wenn der Arbeitgeber geltend machen kann, aufgrund seiner im Zeitpunkt der Übertragung getroffenen und durch hinreichende Tatsachen gestützte Prognose werde eine dauerhafte Beschäftigung des Arbeitnehmers mit der übertragenen höherwertigen Tätigkeit nicht möglich sein (so schon BAG, Urt. v. 17.4.2002 – 4 AZR 174/01).
  • Verzögerungen bei der Stellenbesetzung und auch die organisatorische Entscheidung, bestimmte Stellen nur mit Beamten zu besetzen und sie daher bis zum Zugang von Beamtenanwärtern freizuhalten, sind grds. hinzunehmen.
  • Wenn sich der Kläger auf eine fehlerhafte Beteiligung der Personalvertretung stützt, führt dies nicht zu einer dauerhaften Übertragung einer bestimmten Tätigkeit. Eine derartige Schlussfolgerung findet im Gesetz keine Stütze.

Und hier stehen das Ausscheiden des erkrankten Kollegen und das nachfolgende Interessenbekundungsverfahren mit anschließender Ausschreibung der Stelle in einem zeitlichen Zusammenhang.

Die Entscheidung ist zu begrüßen, denn die Organisationshoheit liegt beim Arbeitgeber und allein das kurzfristige Weiterbeschäftigen auf einer höher bewerteten Stelle nach dem Ausscheiden des eigentlichen Stelleninhabers führt nicht zu einer entsprechenden Vereinbarung zwischen den Parteien. Der Arbeitgeber muss weiterhin entscheiden können, ob er die Stelle neu besetzen möchte.

Sebastian Günther

Sebastian Günther
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner, GÜNTHER · ZIMMERMANN Rechtsanwälte, Berlin
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