Weiterleitung betrieblicher E-Mails
Die Rechtsprechung weist mittlerweile eine Vielzahl von Entscheidungen auf, die sich mit der Weiterleitung betrieblicher E-Mails an private E-Mail-Accounts beschäftigt haben (ArbG Herne, Urt. v. 14.11.2019 – 4 Ca 1297/19; ArbG Mannheim, Urt. v. 1.8.2023 – 5 Ca 101/23; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 16.5.2017 – 7 Sa 38/17; ArbG Frankfurt am Main, Urt. v. 30.1.2025 – 5522/24 [nicht rechtskräftig]; OLG München, Urt. v. 31.7.2024 – 7U351/23; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 10.12.2019 – 6 Sa 186/19). Hierbei besteht die vorherrschende Meinung, dass eine Weiterleitung betrieblicher E-Mails ohne dienstliche Notwendigkeit als schwerwiegender Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten angesehen werden kann. Insbesondere wenn die Weiterleitung ohne Wissen und Einverständnis des Arbeitgebers erfolgt. Treten weitere Umstände hinzu, kann ein solches Verhalten des Arbeitnehmers sogar eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.
Arbeitsvertraglicher Pflichtverstoß
Mal eben eine betriebliche E-Mail von der Unternehmens-E-Mail-Adresse an den privaten E-Mail-Account versenden, da ist doch nichts dabei. Oder doch? Die Gründe für ein solches Vorgehen eines Arbeitnehmers sind vielfältig. Oftmals zeigen sich Sachverhalte, in denen Arbeitnehmer auf diese Weise Informationen sichern wollen, etwa um diese in einem neuen Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber oder zu eigenen Zwecken zu verwenden oder, sofern das Arbeitsverhältnis vor der Beendigung steht, Informationen zur Durchsetzung von etwaigen eigenen Ansprüchen – z. B. zur Begründung eines Provisionsanspruchs – zu sichern oder die eigene Position in einem bereits anhängigen Rechtsstreit zu verbessern. Die Weiterleitung betrieblicher E-Mails mit betrieblichen Inhalten kann wie eingangs anhand der Rechtsprechung aufgezeigt, einen arbeitsvertraglichen Pflichtverstoß darstellen. Doch worin ist dieser Pflichtverstoß genau zu sehen?
Stellt man auf die schlichte Handlung ab, also das Versenden einer betrieblichen E-Mail, die sich letztendlich als arbeitsvertraglicher Pflichtverstoß darstellt, so ist diese sicherlich in dem Auslösen des Versendevorgangs selbst zu sehen. Allerdings begründet das Versenden einer E-Mail nicht per se die Schwere des arbeitsvertraglichen Pflichtverstoßes, sondern ist vielmehr darin zu sehen, dass Arbeitnehmer sich mit der Weiterleitung betrieblicher E-Mails auf einen privaten E-Mail-Account Informationen und Daten aneignen und der Zugriffsmöglichkeit durch den Arbeitgeber dadurch entziehen, dass diese auf Servern – im In- oder Ausland – oder sonstigen Speichermedien Dritter gespeichert sind. Es kommt dabei nicht erst auf die Offenbarung von Daten und Informationen gegenüber Dritten als schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung an, sondern bereits die Aneignung von personen- und unternehmensbezogenen Daten selbst kann den Pflichtverstoß begründen.
Der eigene private E-Mail-Account des Arbeitnehmers ist dabei in den wenigsten Fällen gegenüber dem Zugriff Dritter besonders geschützt. Meist reicht ein einfaches – mehr oder weniger sicheres – Passwort, um Zugriff auf einen E-Mail-Account bei einem privaten E-Mail-Dienstleister zu erlangen. Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass die in den E-Mails vorhandenen Daten dem Zugriff Dritter potenziell ausgesetzt sind. Nachdem eine betriebliche E-Mail den E-Mail-Account des Unternehmens, der besonders geschützt sein sollte, verlassen hat, haben Arbeitgeber keine Kontrollmöglichkeit, wer Zugriff auf die Daten hat und auch nicht darauf, ob der Arbeitnehmer die betriebliche E-Mail von dem privaten E-Mail-Account nochmals weiterleitet und die Pflichtverletzung damit weiter perpetuiert. Bspw. Geschäfts- und/oder Betriebsgeheimnisse, personenbezogene Daten von Kunden, Mandanten oder auch von anderen Beschäftigten sind damit dem Zugriffsbereich des Arbeitgebers gänzlich entzogen. Hierin ist die Schwere des arbeitsvertraglichen Pflichtverstoßes zu sehen. Arbeitnehmer haben dieses Verhalten stets zu unterlassen, sofern kein entsprechendes Einverständnis zu einer solchen Praxis arbeitgeberseitig gegeben wurde.
Rechtsgrundlage
Ist in einem Arbeitsvertrag eine entsprechende Regelung nicht enthalten, auf die der Pflichtverstoß in direkter Verweisung gestützt werden kann, also ein ausdrückliches Verbot der hier gegenständlichen Praxis, so ergibt sich dies zumindest aus der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht gem. § 241 Abs. 2 BGB. Hiernach ist jede Arbeitsvertragspartei zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann. Insbesondere ist jegliches Verhalten zu unterlassen, das dazu geeignet ist, den Arbeitgeber zu schädigen.
Zudem kann an eine Nebenpflicht zum Schutz personen- oder unternehmensbezogener Daten von Kollegen und Dritten gedacht werden. Nach Art. 4Nr. 7 DSGVO sind allein Arbeitgeber datenschutzrechtlich „Verantwortliche“ für die Datenverarbeitung i. S. d. DSGVO, denn allein der Arbeitgeber hat die nötige Entscheidungsmacht über die Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses. Dem Arbeitgeber obliegt die Verpflichtung, die geeigneten und notwendigen technische und organisatorische Maßnahmen vorzunehmen, welche die ordnungsgemäße Datenverarbeitung sicherstellen (vgl. Art. 24 Abs. 1, 29, 32 Abs. 1 und 4 DSGVO, § 26 Abs. 5 BDSG). Mangels eigener datenschutzrechtlicher Verantwortlichkeit des Arbeitnehmers ist dessen Verhalten grundsätzlich dem Arbeitgeber zuzurechnen. Gleichwohl verbleibt Raum für eine aus § 241 Abs. 2 BGB abzuleitende, eigenständige Rücksichtnahmepflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer wird insoweit als Erfüllungsgehilfe i. S. d.§ 278 BGB tätig, wenn der Arbeitgeber zur Erfüllung seiner vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen zum Schutz personenbezogener oder vertraulicher Daten von Beschäftigten, Kunden oder Geschäftspartnern verpflichtet ist. Dies gilt gleichermaßen für arbeitsvertragliche Regelungen, die den Schutz und den Umgang mit betrieblichen Daten betreffen und in der Praxis regelmäßig vereinbart werden. Auch wenn die Vorschriften der DSGVO auch das Außenverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und Dritten regeln, ergibt sich hieraus eine korrespondierende Nebenpflicht im Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Je nach Inhalt der weitergeleiteten E-Mails und sofern konkrete Anhaltspunkt bestehen, können auch Verstöße gegen das arbeitsvertragliche Wettbewerbsverbot sowie strafrechtlich relevante Gesichtspunkte in Betracht kommen. Arbeitgebern ist zu raten, bereits im Rahmen einer Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG neben der Sachverhaltsdarstellung an sich, auch möglichst ausführlich die anzunehmenden arbeitsvertraglichen Pflichtverstöße zu benennen, um sich in einem etwaig anschließenden Kündigungsschutzverfahren nicht dem Vorwurf ausgesetzt zu sehen, nicht umfassend das Gremium informiert und Gesichtspunkte, die letztendlich zum Kündigungsentschluss geführt haben, nicht in der Wertung berücksichtigt zu haben. Der anzunehmende arbeitsvertragliche Pflichtverstoß geht dabei Hand in Hand mit weiteren Wertungen.
Weitere zu wertende Umstände
Auch wenn die Rechtsprechung in der Weiterleitung betrieblicher E-Mails an einen privaten E-Mail-Account einen schwerwiegenden arbeitsvertraglichen Pflichtverstoß sieht, folgt aus diesem nicht zwingend auch, dass eine (außerordentliche) Kündigung damit zu rechtfertigen ist (so etwa LAG Hamm, Urt. v. 16.1.2012 – 7 Sa 1201/11). Weitere Umstände des Einzelfalls sind stets zu berücksichtigen. In die Sachverhaltswürdigung ist sicherlich vorrangig einzubeziehen, ob es eine arbeitsvertragliche oder betriebliche Regelung gibt, nach welcher eine Weiterleitung ausdrücklich verboten ist und ob sich aus diesen eine besondere Verschwiegenheitsverpflichtung ergibt. Ebenso ist zu beachten, in welchem Umfang betriebliche E-Mails weitergeleitet wurden. Ein wiederkehrendes Verhalten der Weiterleitung kann ein systematisches Verhalten darstellen und damit eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung indizieren. Daneben ist auch der Inhalt der E-Mails zu werten. Handelt es sich hier etwa um sensible Kundendaten, Vertriebsdaten oder unternehmensinterne Produktdetails, wiegt der arbeitsvertragliche Pflichtverstoß umso schwerer. Weniger schwer wiegt sicher bspw. die bloße Weiterleitung von Literaturfundstellen, die keine personen- und/oder unternehmensbezogenen Daten beinhalten. Es ist zu fragen, wie schwerwiegend eine Datenweitergabe an Dritte für den Arbeitgeber wiegt und ob vielleicht nachteilige Auswirkungen für den Geschäftsbetrieb zu erwarten sind.Ebenso ist zu berücksichtigen, welchen Anlass der Arbeitnehmer mit der Weiterleitung verfolgt, wobei sicherlich der objektive Pflichtverstoß ausreichend ist.
In dem vom LAG Berlin-Brandenburg (s. o.) entschiedenen Fall kam die Kammer zu der Überzeugung, dass die Weiterleitung von E-Mails mit betrieblichen Informationen auf einen privaten E-Mail-Account zur Vorbereitung einer Tätigkeit bei einem neuen Arbeitgeber erfolgte und führte dies der Wertung zu. In dem vom ArbG Frankfurt am Main entschiedenen Fall (Urt. v. 30.1.2025 – 5522/24 [nicht rechtskräftig]) würdigte die Kammer im Rahmen der Frage, ob eine Abmahnung als milderes Mittel in Betracht gekommen wäre, etwa auch, dass der Kläger bei einem Unternehmen für Dienstleistungen im Bereich der Datenarchivierung und Datensicherheit beschäftigt war und somit der vertrauliche Umgang mit Daten für den Arbeitgeber von herausragender Bedeutung gewesen ist. Da es sich der Kenntnis der Arbeitgeber oftmals entzieht, ob die Daten bereits von Dritten eingesehen wurden, kann dies bei der Bewertung der Frage nach der Schwere des arbeitsvertraglichen Pflichtverstoßes keine Rolle spielen. Bereits die abstrakte Möglichkeit, dass Dritte auf die Daten zugreifen können, muss hier genügen. Zudem sind sicherlich Einlassungen der Arbeitnehmer zu erwarten, dass eine Weiterleitung über das Versenden an den eigenen privaten E-Mail-Account hinaus nicht vorgenommen wurde, nur der Arbeitnehmer die Zugriffsdaten auf den privaten E-Mail-Account kennt (Passwort) oder aber, dass die betrieblichen E-Mails unverzüglich wieder gelöscht worden seien. Auch dieser Vortrag dürfte grundsätzlich unbeachtlich sein.
Im Rahmen einer Kündigung ist sodann stets zu prüfen, ob trotz des arbeitsvertraglichen Pflichtverstoßes eine Weiterbeschäftigung in Betracht kommt, was aber aufgrund der heutigen Arbeitsweisen wohl nur dann gegeben sein dürfte, wenn ein Arbeitnehmer etwa an einem Arbeitsplatz beschäftigt werden könnte, an dem er weder in Kontakt mit etwaigen Daten oder einer betrieblichen E-Mail-Adresse kommt. Dies dürfte nur in besonderen Ausnahmefällen möglich sein.
Verhalten und Reaktion des Arbeitgebers
Das Weiterleiten von betrieblichen E-Mails kann sicherlich aufgrund der technischen Möglichkeiten von Arbeitgebern durch ein aktives Suchen in den E-Mail-Programmen entdeckt werden. Oftmals können E-Mail-Versendungen an unternehmensexterne Accounts gefiltert werden und zudem handelt es sich gerade bei privaten E-Mail-Accounts oftmals um E-Mail-Adressen der bekannten und üblichen Dienstleister, die sich deutlich von Firmen-E-Mail-Adressen unterscheiden. Ohne konkrete Anhaltspunkte, dass eine Weiterleitung vorgenommen wurde, wird es wohl selten zu einem aktiven, ggf. zeitaufwendigen Nachforschen durch den Arbeitgeber kommen. Anders und häufiger treten allerdings Sachverhalte auf, in denen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer im (Rechts-)Streit befinden und im Rahmen eines solchen Verfahrens Informationen oder Dokumente von den Arbeitnehmern angeführt werden, die in unzulässiger Weise die betrieblichen IT-Einrichtungen verlassen haben müssen.
In einem Verfahren vor dem ArbG Frankfurt (26 Ca 6278/24; Beendigung durch Vergleich), hat der Arbeitgeber sich entschlossen, eine personenbedingte Low-Performer-Kündigung wegen anhaltend schlechter Leistungen auszusprechen. Die klagende Arbeitnehmerin hatte in dem Verfahren E-Mail-Auszüge von Kunden des Arbeitgebers zum Beweis ihrer guten Leistungen vorgelegt, in denen die Kunden sich bei ihr für die stets gute Arbeit bedankt haben. Der Arbeitgeber wurde hierbei stutzig, da die Kunden sich per E-Mail direkt an private E-Mail-Adresse der Arbeitnehmerin gewendet hatten. Die vom Betriebsrat und dem Datenschutzbeauftragten abgesegnete Recherche des Arbeitgebers im Postausgang des betrieblichen E-Mail-Accounts nach der privaten E-Mail-Adresse hat ergeben, dass die Arbeitnehmerin in nicht geringem Umfang betriebliche E-Mails an ihre private E-Mail-Adresse weiterleitet hatte und Kundenanfragen über diese abwickelte. In solchen Sachverhalten ist Arbeitgebern durchaus anzuraten, eine aktive Suche zu beginnen und zu recherchieren, ob und in welchem Umfang betriebliche Informationen an einen privaten E-Mail-Account versendet worden sind. Möglicherweise eröffnet sich dann ein ungeahntes Ausmaß an Weiterleitungen und Vorgängen, die arbeitsvertragliche Pflichtverstöße begründen können. Diese für Arbeitgeber neuen Erkenntnisse können wiederum in einem etwaigen Rechtsstreit „genutzt“ werden oder dazu führen, das Arbeitsverhältnis durch eine weitere Kündigung zu beenden. Auch kann etwa in einem Kündigungsrechtsstreit an das Stellen eines Aufl.sungsantrags gem. § 9Satz 2 KSchG zu denken sein. Nach dieser Regelung stellt das Arbeitsgericht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, welches nicht durch die Kündigung beendet wird, gegen Festsetzung einer angemessenen Abfindung durch Beschluss fest, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Zwar ist dieser Auflösungsantrag auf Kündigungsrechtsstreite beschränkt, dennoch zeigt sich gerade in dem zuvor beschriebenen Fall vor dem ArbG Frankfurt, dass sich das Blatt in einer schwer zu begründenden personenbedingten Low-Performer-Kündigung aufgrund eines hinzutretenden arbeitsvertraglichen Pflichtverstoßes zugunsten des Arbeitgebers wenden kann.
Arbeitsvertragliche und betriebliche Regelungen
Aufgrund der obigen Ausführungen und um sicherzustellen, dass es auch für die Beschäftigten eindeutig ist, dass eine Weiterleitung von betrieblichen E-Mails an private E-Mail-Accounts einen erheblichen Pflichtverstoß darstellt, ist Arbeitgebern zu raten, entsprechende Regelungen im Arbeitsvertrag festzuhalten oder solche mit dem Betriebsrat zu vereinbaren. In vielen Unternehmen finden sich betriebliche Regelungen zur IT-Nutzung und dem Umgang mit Unternehmensdaten, in denen entsprechende Regelungen thematisch aufgenommen werden können. Eine durchaus einfache – aber in den Augen des Frankfurter Arbeitsgerichts wirksame – Klausel in einem Arbeitsvertrag könnte etwa lauten: „Die Nutzung externer Internetdienste zum Zwecke der Speicherung und Auslagerung von Daten ist unzulässig“.
Beweisverwertungsverbote
Die Thematik rund um Beweisverwertungsverbote ist vordergründig dem Strafrecht und somit dem Strafverfahren zuzuordnen. Dennoch ist grundsätzlich in jeder Form der Gerichtsbarkeit – so auch in der Arbeitsgerichtsbarkeit – an diese zu denken. Die Annahme eines Beweisverwertungsverbots wird im Kündigungsschutzverfahren regelmäßig durch den Arbeitnehmerbevollmächtigten als Strategie zur Entkräftung der vorgeworfenen Pflichtverstöße vorgetragen, um die Erkenntnisse und die erhobenen Vorwürfe der gerichtlichen Wertung zu entziehen. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren kann sich ein Beweisverwertungsverbot dabei aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts ergeben, §§ 138 Abs. 3, 286, 331 Abs. 1Satz 1 ZPO i. V. m.§ 46 ArbGG. Vorliegend ist daran zu denken, dass etwa von dem Arbeitgeber gefundene E-Mails mit betrieblichen Inhalten, die an einen privaten E-Mail-Account versendet worden sind, einer Beweisverwertung entzogen sind. Ein Beweisverwertungsverbot kann bestehen, wenn die Verwertung personenbezogener Daten in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreift oder Vorschriften der DSGVO nicht beachtet worden sind. Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot kommt – gerade auch im Geltungsbereich der DSGVO und im Lichte von Art. 47 Abs. 2 GRCh – dabei nur in Betracht, wenn die Nichtberücksichtigung von Vorbringen oder eines Beweismittels wegen einer durch Unionsrecht oder Art. 2Abs. 1i. V. m.Art. 1Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition des Arbeitnehmers zwingend geboten ist (BAG, Urt. v. 29.6.2023 – 2 AZR 296/22). Weiter wird im Grundsatz verlangt, dass über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten und diese besonderen Umstände gerade die infrage stehende Informationsbeschaffung als gerechtfertigt ausweisen müssen (BAG, Urt. v. 27.7.2017 – 2 AZR 681/16). Letztlich ist eine Güterabwägung zwischen dem Recht auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Arbeitnehmers vorzunehmen (Hessisches LAG, Urt. v. 21.9.2018 – 10 Sa 601/18).
Es dürfte fraglich sein, ob betriebliche E-Mails – auch wenn sie personenbezogene Daten des Arbeitnehmers enthalten – von Arbeitgebern in einem Prozess nicht vorgebracht werden dürften. Hierbei wäre zu beleuchten, inwieweit tatsächlich in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingegriffen würde. Unter Beachtung der zitierten Rechtsprechung müssen weitere Umstände hinzutreten, um ein Beweisverwertungsverbot annehmen zu können. Dies ist bei der schlichten Weiterleitung betrieblicher E-Mails an einen privaten E-Mail-Account regelmäßig nicht der Fall. Gerade in einem Rechtsstreit dürften Arbeitgeber daher gelassen mit dem Versuch umgehen, wenn Arbeitnehmer sich auf ein Verbot der Beweisverwertung stützen.
Fazit und Empfehlung
Die Übersendung betrieblicher E-Mails an einen privaten E-Mail-Account stellt einen erheblichen Vertragsverstoß des Arbeitnehmers dar, der als wichtiger Grund an sich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann. Bei der Beurteilung der Schwere des Pflichtverstoßes im Rahmen der Interessenabwägung sindu. a. der Umfang, die Häufigkeit und die Qualität der weitergeleiteten Daten einer Wertung zuzuführen.
Wenn der Arbeitgeber die private Nutzung des betrieblichen E-Mail-Accounts gestattet hat, unterliegt der gesamte E-Mail-Verkehr dem Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Eine Einsichtnahme in private E-Mails durch den Arbeitgeber kann dann das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers verletzen und zu einem Beweisverwertungsverbot im Kündigungsschutzprozess führen.
Arbeitgebern ist daher dringend zu empfehlen, die private Nutzung des betrieblichen E-Mail-Accounts nicht zu erlauben. Stattdessen sollten klare Regelungen zur Nutzung des betrieblichen E-Mail-Accounts sowie zur Internetnutzung aufgestellt werden, um Missverständnissen und rechtlichen Konflikten vorzubeugen. Auch wenn die Weiterleitung von betrieblichen E-Mails an den privaten E-Mail-Account des Arbeitnehmers nicht expressis verbis untersagt werden muss, weil sich der Pflichtverstoß bereits aus der gesetzlichen Nebenpflicht aus § 241 Abs. 1 BGB ergibt, ist jedem Arbeitgeber hierzu zu raten.
Markus Petry

Christian Schönbach

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