Vor dem LAG Köln stritten die Parteien über die Wirksamkeit einer Versetzung und einer hilfsweise erklärten ordentlichen Änderungskündigung. Die Beklagte betreut als Zulieferer Kunden aus dem Bereich Automotive bei der industriellen Planung, Entwicklung und Realisierung von Industrielösungen. Sie unterhielt Betriebe in Köln und München. Der Kläger war seit 1.4.2019 bei der Beklagten als Planer und Fachbereichsleiter beschäftigt. Der Arbeitsvertrag sah vor, dass der Einsatzort des Angestellten sich auf die gesamte Unternehmensgruppe bezieht und sich nach den laufenden Projekten richtet.
Im März 2023 teilte das Unternehmen mit, dass der operative Betrieb in Köln zum 30.4.2023 vollständig eingestellt werde und versetzte den Kläger mit Wirkung ab 1.5.2023 an den Münchener Standort. Vorsorglich sprach das Unternehmen eine ordentliche Änderungskündigung aus und bot an, den Mitarbeiter ab 1.5.2023 am Standort in München weiterzubeschäftigen. Dieses Angebot lehnte der Kläger vorbehaltlos ab.
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Mit der Klage gegen die Versetzung und hilfsweise erklärte Änderungskündigung hatte er Erfolg (LAG Köln, Urt. v. 11.7.2024 – 6 SLa 79/24, rk.). Der Kläger machte geltend, dass er bisher nahezu sämtliche Tätigkeiten aus dem Homeoffice erbracht habe und ansonsten bei Kunden gewesen sei, die nicht in Köln ansässig sind, sondern international verteilt. Die kurzfristige Versetzung nach München sei nicht erforderlich und unverhältnismäßig. Es sei ihm ohne Weiteres möglich, trotz der Schließung des Standorts Köln seine Arbeit für den Standort München weiterhin i. R. d. Homeoffice-Arbeitsplatzes auszuüben. Das Unternehmen machte geltend, es habe die unternehmerische Entscheidung getroffen, den Standort Köln vollumfänglich zu schließen und auch keine Homeoffice-Arbeitsplätze mehr anzubieten. Lediglich während der COVID-19-Pandemie sei es zulässig gewesen, einzelne Aufgaben aus dem Homeoffice zu bearbeiten. Man habe keine vertragliche Vereinbarung getroffen, dass der Kläger dauerhaft aus dem Homeoffice arbeiten könne. Es habe auch keine Verpflichtung, neue Homeoffice-Arbeitsplätze für den Standort München zu schaffen. Es sei Teil des unternehmensweiten Arbeitskonzepts und der Arbeitskultur, dass grundsätzlich in Präsenz mit den Kollegen vor Ort zusammengearbeitet werde.
Die Klage hatte sowohl in erster als auch in zweiter Instanz Erfolg. Der Widerruf der Erlaubnis, aus dem Homeoffice zu arbeiten erwies sich als ermessensfehlerhaft. Zwar hinderte der Wortlaut des Vertrages das Unternehmen nicht, sein Weisungsrecht dahin auszuüben, dass der Kläger nach München versetzt wird. Auch sei ein Homeoffice-Arbeitsplatz nicht explizit vertraglich vereinbart gewesen. Auch wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht zwingen kann, im Homeoffice zu arbeiten, erbringt er die geschuldete Arbeitsleistung, wenn er – ohne dazu gezwungen werden zu können – die Arbeit aus dem Homeoffice heraus erbringt. Der Kläger hat daran auch ein erhebliches Bestands- und Ortsinteresse. Er ist in Köln familiär, logistisch, im Freundeskreis und in der Kultur verortet. Um eine Versetzung von dort in ein Büro 500 km entfernt als „billig“ im Sinne der Ausübung des Weisungsrechts erscheinen zu lassen, bedarf es sachlicher Interessen der Beklagten, die die Interessen des Klägers überwiegen. Ein allgemeiner Verweis auf das unternehmensweite Arbeitskonzept und die Arbeitskultur, wonach in Präsenz gearbeitet werde, genügt dafür nicht. Zusammengefasst stellte das Gericht fest, dass nach der Betriebsschließung in Köln die Neuzuordnung der Arbeitsleistung innerhalb des Unternehmens zum Betrieb in München nicht nur sachgerecht ist, sondern sogar einem dringenden betrieblichen Erfordernis folgt. Dies gilt aber nicht für den mit der Neuzuordnung verbundenen Widerruf der Erlaubnis, die Arbeitsleistung vom Homeoffice aus zu erbringen. Unstreitig bestand die Arbeit zum überwiegenden Anteil im projektbezogenen Einsatz bei Kunden jeweils vor Ort, die keinem der Standorte Köln oder München explizit zugeordnet sind. Demgegenüber hatte die Beklagte nicht vortragen, in welchem Umfang der Kläger tatsächlich im Betrieb in Köln präsent war und ob er dort überhaupt noch ein Büro hatte.
Dr. Claudia Rid

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