Wie ist die Partnerzeit bei SAP rechtlich einzuordnen?

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 Bild: splitov27/stock.adobe.com
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Der Softwarekonzern SAP plant die bezahlte Freistellung von Partnern nach einer Geburt. Benjamin Onnis, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht im Berliner Büro der Kanzlei FPS, hat mit uns über die Ausgestaltung, Chancen und gesetzliche Regelungen zu Elternzeit und Elterngeld gesprochen.

Worum handelt es sich bei dem Vorstoß von SAP genau?

Laut den öffentlichen Aussagen von SAP gibt es ab 2024 eine neue Regelung, wonach Partner (aber auch Familienmitglieder) von werdenden Müttern direkt nach der Geburt eine bezahlte Freistellung von sechs Wochen beantragen können. Das Gehalt soll dann in voller Höhe weitergezahlt werden.

Bei den sechs Wochen scheint SAP allerdings tatsächlich nur vier Wochen als freiwillige Leistung anzubieten. Die ersten zwei Wochen sollen nur den für 2024 geplanten gesetzlichen Anspruch auf Vaterschaftsurlaub abbilden.

Inwiefern unterscheidet sich das Programm von der bereits zur Verfügung stehenden Elternzeit?

Die Elternzeit ist eine unbezahlte Freistellung von bis zu drei Jahren. Flankiert wird die Elternzeit von einem besonderen Teilzeitanspruch und Sonderkündigungsschutz.

Das staatliche Elterngeld beträgt grundsätzlich 65% des Nettoeinkommens, aber höchstens 1.800 Euro und wird grundsätzlich für zwölf sog. Lebensmonate gewährt. Es gibt verschiedene Varianten (Basiselterngeld, ElterngeldPlus und Partnerschaftsbonus) mit weiteren Besonderheiten.

Die Elternzeit ist somit deutlich länger, allerdings schlechter bezahlt und daher meistens nicht für Gutverdiener attraktiv.

Sollten alle Arbeitgeber ähnliche freiwillige Programme auflegen?

Ich halte dieses Programm für eine gute Idee. Es ist aber natürlich auch teuer und es kann daher nicht erwartet werden, dass alle Arbeitgeber sich dies leisten können.

Gibt es eine andere Form des Ausgleichs, wenn diese bezahlte Freistellung nicht angenommen wird oder aufgrund betrieblicher Besonderheiten nicht umgesetzt werden kann?

Als kleinere Lösungen kommen noch Teilzeit und/oder Homeoffice in Betracht.

Wie ist das Ganze mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu vereinbaren?

Man könnte hier natürlich an eine Ungleichbehandlung der Mutter denken, da sie ja von dem SAP-Programm ausgenommen ist und somit als einziges Familienmitglied nicht von der sechswöchigen Entgeltfortzahlung profitiert. Sie erhält allerdings schon Mutterschaftsgeld und den Arbeitgeberzuschuss, sodass sie bereits aufgrund des Gesetzes eine Lohnfortzahlung von acht Wochen erhält.

Muss hier der Betriebsrat eingebunden werden?

Ja, der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der betrieblichen Lohngestaltung, welches hier betroffen wäre.

Der Arbeitgeber müsste also mit dem Betriebsrat ein Programm aufstellen. Die Mitbestimmung regelt grundsätzlich nur die „Verteilung des Kuchens“, nicht aber die „Größe des Kuchens“. Der Arbeitgeber bestimmt weiterhin das Budget.

Wie wird eine solche Regelung ganz konkret vereinbart und ausgestaltet?

Wenn ein Betriebsrat besteht, könnte eine Betriebsvereinbarung getroffen werden. Ansonsten wären Einzelvereinbarungen oder eine Gesamtzusage möglich.

Bei SAP soll es wohl sehr einfach, fast formlos und auf Vertrauensbasis gehen. Hiernach wäre ein einfacher Antrag ohne jegliche Nachweise möglich. Dies ist natürlich sehr arbeitnehmerfreundlich und schön unbürokratisch.

Um Missbrauchspotenziale zu verhindern, würde ich allerdings schon Nachweispflichten vereinbaren. Das führt aber natürlich zu einem gewissen Verwaltungsaufwand beim Arbeitgeber.

Schwangere genießen bereits einen starken gesetzlichen Kündigungsschutz. Ist nach solchen Initiativen wie hier damit zu rechnen, dass der Kündigungsschutz auf das andere Elternteil ausgeweitet wird?

Der Kündigungsschutz für Schwangere wird grundsätzlich mit dem Gesundheitsschutz für die werdende Mutter und das Kind begründet. Eine Ausweitung für den anderen Elternteil wäre daher nicht vom Schutzzweck betroffen.

Während der Elternzeit besteht auch jetzt bereits Kündigungsschutz für den Vater, soweit Elternzeit vom Vater beansprucht wird.

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Skizzieren Sie doch einmal kurz die gesetzliche Ausgestaltung des Kündigungsschutzes.

Während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung ist eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber verboten. Die nach Landesrecht für den Arbeitsschutz zuständige oberste Behörde kann die Kündigung auf Antrag des Arbeitgebers ausnahmsweise zulassen.

Während der Elternzeit darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis auch nicht kündigen. Dies gilt ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt worden ist, allerdings frühestens acht Wochen vor Beginn einer Elternzeit bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes bzw. frühestens 14 Wochen vor Beginn einer Elternzeit zwischen dem dritten Geburtstag und dem vollendeten achten Lebensjahr des Kindes.

Auch hier ist bei behördlicher Zustimmung eine Kündigung zulässig. Die Zulässigkeitserklärung erfolgt grundsätzlich durch die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde.

Grund für eine behördliche Zustimmung wäre bspw. eine Betriebsschließung.

Welche Unterlagen oder Nachweise werden für das Verfahren benötigt?

Während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses sollen werdende Mütter dem Arbeitgeber ihre Schwangerschaft mitteilen, sobald ihnen ihr Zustand bekannt ist. Auf Verlangen des Arbeitgebers soll die Frau als Nachweis ihrer Schwangerschaft ein ärztliches Zeugnis oder das einer Hebamme vorlegen (§15 Abs. 2 MuSchG).

Sobald der Arbeitgeber Kenntnis von der Schwangerschaft hat, hat er die Vorschriften des MuSchG einzuhalten.

Stehen Änderungen in Sachen Elternzeit (sowie Elterngeld) in Zukunft auf nationaler (oder europäischer) Ebene an?

Es soll ab 2024 ein sog. „Vaterschaftsurlaub“ gesetzlich geregelt werden. Das SAP-Programm fußt ja auch auf diesem geplanten Gesetz.

Hiernach sollen Väter bzw. Partnerinnen die Möglichkeit bekommen, nach der Geburt des Kindes für zehn Tage bezahlten Urlaub zu nehmen. Das neue Gesetz zum Vaterschaftsurlaub gilt aber wohl auch bei Alleinerziehenden. Diese können eine andere Person auswählen, die den Vaterschaftsurlaub zugesprochen bekommen soll.

Das Gesetz ist eine Umsetzung einer EU-Richtlinie. Die EU-Kommission hatte bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen der langsamen Umsetzung eingeleitet.

Benjamin Onnis

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, FPS, Berlin
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