Wie lassen sich Motivation und Arbeitsmoral steigern?

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 Bild: alphaspirit/stock.adobe.com
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Wie hängen Führung und Arbeitsmoral im Unternehmen zusammen?

Wenn die These ist, dass sich die Arbeitsmoral in Deutschland verschlechtert hat, müssen wir einmal kurz über das einzelne Unternehmen hinausblicken. Hier gibt es strukturelle und kulturelle Gründe, die zusammenhängen. Strukturell haben wir einen Arbeitsmarkt, der den Mitarbeitenden mehr Verhandlungsmacht als je zuvor bietet, um ihre Bedingungen in Richtung weniger Anstrengung zu optimieren. Zudem erhalten insbesondere Mütter und ältere Menschen wenig Anreize, mehr zu arbeiten. Stichworte: Ehegattensplitting, Kinderbetreuung, Rentenpolitik. Kulturell hat sich der Blick auf die Arbeit verändert. Arbeitsmoral hatte im Kern nie mit Freude und Motivation zu tun. Ich arbeite nicht hart, weil es mir in jedem Moment Spaß macht, sondern weil es zum Selbstverständnis meiner kulturellen Gemeinschaft gehört. Diese Gemeinschaft kann ein Team sein, ein Unternehmen oder eben ein ganzes Land. Die Kriegsgeneration in Deutschland hat ihre Identifikation daraus gezogen, Einsatz zu zeigen – zu malochen, wie man im Ruhrpott sagt. Das ist nicht mehr so selbstverständlich, denn es gibt bei uns aktuell keine breit akzeptierte gesellschaftliche Identität mehr, die mit Arbeit und Einsatz zu tun hätte. Länder, die ökonomisch gerade aufholen, haben es da leichter.

Ich werte das nicht, doch ergeben sich hieraus Erkenntnisse für die Führung im Unternehmen: Unternehmen müssen ein attraktives Identifikationsangebot schaffen, um Mitarbeitende zu binden. Ein Selbstverständnis, bei dem Menschen sagen: Hier will ich dazugehören. Dieses Selbstverständnis entsteht über Geschichten und Taten, die sagen „so sind wir hier – so machen wir das“. Es bietet neben anderen Aspekten auch eine Antwort auf die Frage der Arbeitsmoral. Die Kultur und damit auch die „Moral“ im Unternehmen ist die Summe vieler kleiner Führungsaktionen. Nicht nur Führungskräfte, auch Mitarbeitende zeigen einander jeden Tag, mit welcher „Moral“ die Arbeit erledigt wird. Insbesondere Führungskräften im Unternehmen kommt die Verantwortung zu, das angestrebte Selbstverständnis vorzuleben und Mitarbeitenden Rahmenbedingungen zu bieten, das ebenso zu tun.

Was können Vorgesetzte tun, um die Motivation dauerhaft hochzuhalten?

Führung kann Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Motivation entsteht – und vor allem auch dafür, dass Demotivation verhindert wird. Zur Verhinderung von Demotivation ist auch ein angemessenes, fair festgelegtes Gehalt relevant. Darüber hinaus eine transparente, verbindliche und damit berechenbare Art der Zusammenarbeit.

Verantwortung zu übertragen und Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um dieser auch gerecht werden zu können, bieten dann einen Ansatzpunkt zur Steigerung der Motivation. Ressourcen in diesem Zusammenhang sind neben Handlungsspielraum insbesondere Zeit, Unterstützung und natürlich auch die notwendigen Mittel.

Und ganz wichtig: Führungskräfte sollten Mitarbeitende dafür wertschätzen, dass sie Verantwortung übernehmen. Dabei geht es nicht nur um Geld. Freiraum ist Wertschätzung, aber eben auch eine ernst gemeinte, fordernde Auseinandersetzung mit den Ergebnissen. Langfristige Motivation entsteht nicht aus Schonung und Nachsicht, sondern daraus, dass ich sage: Was du machst, ist mir wichtig – und darum begleite ich dich dabei, es so gut wie möglich zu machen. Auch, wenn das manchmal anstrengend ist.

Welche Art der Führung sorgt für (mehr) Arbeitsfreude?

Die Antwort mag überraschen – aber Freude ist nicht das, worauf Führungskräfte abzielen sollten. Sie sollten vielmehr dafür sorgen, dass die Arbeit Sinn ergibt und das Team ein gemeinsames Selbstverständnis entwickelt, das für Mitarbeitende anschlussfähig ist. Wenn ich für eine Sache arbeite, an die ich glaube, und das im Verbund mit einem starken, verlässlichen Team – dann will ich dazu beitragen, dass es gelingt, und zwar dauerhaft. Es mag dann hoffentlich auch viele Tage geben, an denen es Freude macht zu arbeiten – doch das ist nur der Zuckerguss auf der Torte.

Wir alle haben Tage, an denen wir voller Motivation und Freude zu Werke gehen. Und dann gibt es den grauen Alltag, an dem nichts geschieht, was besonders aufregend oder großartig wäre. An diesen Tagen entscheidet sich langfristiger Erfolg. Genau an diesen Tagen brauche ich den übergeordneten Sinn und das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe, um dennoch engagiert weiterzumachen.

Erfolgreiche Führung kann individuell ganz unterschiedlich aussehen. Führungskräfte sollten ihren eigenen Weg finden. Allgemein gesagt wissen wir allerdings, dass klare Spielregeln einerseits und eine entwicklungsorientierte, individuell ausgerichtete, zukunftsorientierte Führung andererseits dazu beitragen, die Zufriedenheit von Mitarbeitenden zu erhöhen.

Welche Rahmenbedingungen braucht es in Unternehmen, damit der Chefsessel (wieder) attraktiver wird?

Die Lust auf Führung nimmt in Deutschland ab, wie wir mit dem „Talent Klima Index“ zeigen konnten. Umso wichtiger also, gezielt Anreize für die Übernahme einer Führungsrolle zu schaffen. Um die Rolle attraktiv zu machen, braucht es gar nicht mehr unbedingt den teuren Chefsessel. Der kann sogar auf teamorientierte Menschen abschreckend wirken.

Was es aber braucht, sind zwei Dinge: eine positive Konnotation der Führungsrolle und – auch hier – Ressourcen. Wir müssen Führung attraktiv machen, indem wir auch Führungskräften eine für sie passende Form der Anerkennung geben. Dazu sind heute Gestaltungsspielräume, Möglichkeiten der Weiterentwicklung und Einbezug in wichtige Entscheidungen viel wirksamere Mittel als klassische Statussymbole. Unternehmen müssen in ihre Führungskräfte investieren und sie müssen die Führungsrolle flexibilisieren. Dazu gehören Teilzeitlösungen und geteilte Verantwortlichkeiten im Rahmen von Shared-Leadership-Modellen.

Ganz wichtig: Führungskräfte müssen ihre sonstigen Aufgaben so priorisieren oder delegieren können, dass sie wirklich Zeit für Führung haben. Es entsteht sonst fast zwangsläufig eine Situation der Überlastung. Meine Kollegin Anja Beenen hat es im „Developing Leadership“-Podcast treffend ausgedrückt: Niemand sieht blasse, überarbeitete Führungskräfte und sagt: „Das will ich auch.“

Wie geraten Führungskräfte selbst nicht ins Motivationsloch – und mit welchen Tricks können sie sich dort wieder herausholen?

Ich sollte mir klarmachen, warum ich führe. Was mein Sinn dahinter ist. Und ob er wirklich zu mir passt. Wenn ich führe, um irgendwann mal die Anerkennung dafür zu erhalten, dann wird das Loch kommen. Dafür ist der Job zu aufreibend.

Zudem muss ich für mich selbst sorgen. Indem ich aktiv auf meine Gesundheit achte, aber auch, indem ich die Ressourcen und Freiheitsgrade einfordere, die ich benötige. Insbesondere die Zeit für Führung kann etwas sein, wofür man kämpfen muss.

Nicht zuletzt sollte ich in Mitarbeitende investieren – denn kompetente und motivierte Mitarbeitende machen mir das Leben als Führungskraft leichter. Sie arbeiten auch für mich und wollen mich unterstützen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Zu erleben, wie Mitarbeitende sich für die Sache, aber auch für mich als Führungskraft einsetzen und zugleich nachhaltig zur Entwicklung der Menschen in meinem Team beitragen zu können, gehört zu den schönsten Erfahrungen, die ich in meinem Berufsleben machen durfte. Diese hilft mir bislang noch aus jedem Loch wieder heraus.

Patrick Wiederhake

Managing Director, Profil M
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Wie lassen sich Motivation und Arbeitsmoral steigern?
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