Zielbonus: „Freies Ermessen“ in einer Betriebsvereinbarung

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 Bild: VectorMine/stock.adobe.com
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Im Sachverhalt eines Urteils des BAG vom 15.11.2023 (10AZR288/22) heißt es: „Sie erhalten eine variable Vergütung in Form eines entsprechenden leistungsabhängigen Zielbonus von 15% des Bruttobasisgehaltes, der im freien Ermessen des Arbeitgebers steht und jederzeit geändert oder ergänzt werden kann. Der Bonus basiert auf einer leistungsabhängigen Philosophie, mit einem allgemeinen Anteil, der von den finanziellen Ergebnissen abhängig ist (üblicherweise kooperativ, regional- und landesabhängig) sowie einer individuellen Einstufung, die von den persönlichen Leistungen abhängig ist. Die genauen Bestimmungen dieser PSP-Bonusregelung sind als Betriebsvereinbarungen abgeschlossen. Diese Sonderzahlung sowie die Gewährung sonstiger Leistungen durch den Arbeitgeber, insbesondere in Form sonstiger Gratifikationen, Prämien oder Sondervergütungen, erfolgt stets freiwillig. Auch durch mehrmalige Zahlungen in gleicher Höhe wird ein Rechtsanspruch für die Zukunft weder dem Grunde noch der Höhe nach begründet.“

Entscheidung

Die unter der Überschrift „Vergütung“ im Arbeitsvertrag enthaltene Vereinbarung erschöpft sich nicht in einer bloßen Bezugnahme auf eine den Bonus regelnde Betriebsvereinbarung in ihrer jeweiligen Fassung. Der Arbeitgeber ist nach dem Arbeitsvertrag gegenüber dem Arbeitnehmer verpflichtet, eine variable Vergütung i.H.v. 15% des Bruttobasisjahresgehalts zu zahlen.

Der Umstand, dass der Bonus im „freien Ermessen“ der Arbeitgeberin stehen soll und „jederzeit geändert oder ergänzt werden kann“, ändert an diesem Verständnis nichts.

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Auch wäre die Inanspruchnahme eines freien Ermessens bei der Bonusgewährung eine Abweichung vom gesetzlichen Leitbild des § 315 Abs. 1 BGB, die wegen des fehlenden Korrektivs der vollen gerichtlichen Kontrolle der Leistungsbestimmung eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers i.S. v. § 307 Abs. 1 Satz 1 i. V. m.Abs. 2 Nr. 1 BGB darstellen würde und deshalb unwirksam wäre.

Intransparenz

Zudem erweist sich die Klausel als intransparent i.S. v. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Vorbehalt im Arbeitsvertrag bezeichnet die Zahlung des Bonus und die Gewährung sonstiger Leistungen nicht nur als freiwillig, sondern will ausschließen, dass durch die Zahlung ein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet wird. Damit steht die Bestimmung im Widerspruch zu der Abrede, die einen Anspruch auf einen Bonus vermittelt. Sie ist damit nicht klar und verständlich i.S. v. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Gemäß § 306 Abs. 1 BGB fällt die unwirksame Regelung ersatzlos weg, der Vertrag im Übrigen bleibt bestehen.

Dr. jur. Günter Schmitt-Rolfes

Dr. jur. Günter Schmitt-Rolfes
München
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· Artikel im Heft ·

Zielbonus: „Freies Ermessen“ in einer Betriebsvereinbarung
Seite 13
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