Zwangsvollstreckung eines Weiterbeschäftigungstitels

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 Bild: cherdchai/stock.adobe.com
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Ein Mitarbeiter hatte im Rahmen eines Kündigungsrechtsstreits ein Urteil erstritten, wonach sein Arbeitgeber ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens als kaufmännischen Leiter weiterbeschäftigen muss. Da das Unternehmen dem nicht nachkam, beantragte der Mitarbeiter im Wege der Zwangsvollstreckung die Festsetzung eines Zwangsgeldes. Das Unternehmen wandte ein, aufgrund einer Reorganisationsmaßnahme sei die Stelle eines kaufmännischen Leiters entfallen, die Weiterbeschäftigung sei unmöglich. Das Gericht setzte dennoch ein Zwangsgeld fest. Trotzdem wurde der Mitarbeiter nicht weiterbeschäftigt. Er beantragte daraufhin erneut die Festsetzung eines Zwangsgeldes. Schließlich wies der Arbeitgeber dem Mitarbeiter in einem eigens dafür angemieteten Büro einen Arbeitsplatz zu, stellte ihm einen Laptop zu Verfügung und übergab eine Liste mit Aufgaben, die er abzuarbeiten habe, u. a. das Sichten von Bewerbungen und die Erstellung eines Konzepts für die zukünftige Digitalisierung und den Aufbau eines CRM-Managements und eines Social-Media-Auftritts. Die gegen die Festsetzung des erneuten Zwangsgeldes erhobene Beschwerde hatte vor dem Hessischen LAG Erfolg.

Zwar kann die Schuldnerin dem Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes nicht mit dem Einwand der Unmöglichkeit begegnen, denn im Rahmen der Zwangsvollstreckung wird nicht überprüft, ob eine Position im Nachgang weggefallen ist, was hier streitig war. Sehr wohl könne sich der Arbeitgeber jedoch auf die Erfüllung des Zwangsvollstreckungstitels berufen. Dem Arbeitgeber steht ein weitgehendes Weisungsrecht zu. Im Rahmen des durch den Titel festgelegten „Berufsbilds“ ist es damit regelmäßig möglich, Konkretisierungen durch Ausübung des Weisungsrechts vorzunehmen. Der Titel verhindert auch keine spätere ersetzende Weisung durch Zuweisung eines anderen Arbeitsinhalts, soweit dieser vertragsgerecht ist. Er müsse nur dem im Urteilstenor festgelegten „Berufsbild“ entsprechen. Einzelheiten, welche Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten übertragen werden müssen, können abschließend im Vollstreckungsverfahren nicht überprüft werden. Ist der Titel relativ unbestimmt und kann deshalb nicht ins Einzelne gehend geprüft werden, ob die Beschäftigung dem ausgeurteilten Berufsbild entspricht, geht dieser Umstand zu Lasten des Arbeitnehmers. Das Gericht war der Auffassung, dass das Sichten von Bestellungen und Lieferscheinen und das Überführen in ein elektronisches Warenwirtschaftssystem Teil eines Digitalisierungsprozesses sei und daher vom Berufsbild eines kaufmännischen Leiters gedeckt ist. Es sei zwar etwas ungewöhnlich, dass dem Kläger ein Arbeitsplatz in einem eigens angemieteten Bürogebäude zugwiesen wurde. Gleichwohl gestattet das Direktionsrecht auch eine Veränderung des konkreten Arbeitsplatzes in örtlicher Hinsicht. Eine Schikane konnte das Gericht nicht erkennen, nachdem die Parteien im Rahmen des Kündigungsrechtsstreits u. a. darüber stritten, ob die Vertrauensbasis für das Arbeitsverhältnis noch gegeben ist. Vor diesem Hintergrund sei es nicht verwunderlich, dass dem Kläger keine besonders verantwortungsvolle und weitreichende Aufgabe zugewiesen wurde. (Hessisches LAG, Beschl. v. 26.5.2023, Az. 10 TA 55/23, rk.).

Dr. Claudia Rid

Dr. Claudia Rid
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, CMS Hasche Sigle, München
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Zwangsvollstreckung eines Weiterbeschäftigungstitels
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