Es ist August und in Schweden sind die Büros leer, die Häfen voll. Arbeiten die auch mal? Eher weniger.
Seit Jahren gibt es in Deutschland eine intensive Diskussion über die Zukunft der Arbeit. Publikationen oder Kongresse zu diesem Thema wirkenoft theoretisch bis akademisch. Dabei brauchen wir die Arbeitswelt der Zukunft nicht neu zu erfinden. In Skandinavien ist sie längst Realität – und zwar sehr erfolgreich. Skandinavier sind European Innovation Leader, führen das World Competitiveness Ranking an und sind in puncto Digitalisierung, neue Bildungsansätze und Gleichberechtigung ganz vorn dabei. Nicht zu vergessen: Sie sind weltführend im Kaffeetrinken. Und das ist nicht banal. Zweimal täglich finden sich Mitarbeiter in Schweden zur sog. „Fika-Pause“ ein, um Persönliches und Berufliches auszutauschen und einander über Hierarchieebenen hinweg besser kennenzulernen und zu verstehen. Jeder weiß so, dass Lasse heute erst 9 Uhr kommt, weil er Papawoche hat (was kein Problem ist, da in skandinavischen Unternehmen sowieso keine Meetings vor 9 und nach 15 Uhr geplant werden) und der CEO Johan Homeoffice macht,weil seine Katze krank ist. Wer nicht lebt, kann schließlich auch nicht arbeiten. Außer Kaffee bedarf es dazu noch einer weiteren Zutat: Tillit. Es ist das nordische Wort für Vertrauen und wird auch das skandinavische Gold genannt. Es lässt Menschen überragende Ergebnisse liefern, ohne so zu tun, als ob.
Auch für uns in Deutschland gilt es, den Menschen in seiner Gesamtheit zu verstehen. Wir glauben zu häufig, Arbeits- und Privatleben seien zwei verschiedeneWelten. Das ist eine lebensfremde Vorstellung. Wir werden nur dann nachhaltig glückliche Menschen in unseren Unternehmen haben, wenn wir ihre privaten und die betrieblichen Bedürfnisse als gleichwertig anerkennen. Leider haben wir „Tillit“ erfolgreich aus unserem Arbeitsalltag verbannt. Hierarchiepfade, KPI oder Micro- und Risikomanagement stehen höher im Kurs. Menschen zu vertrauen, sei nur bedingt möglich, so hören wir oft. Doch Til-lit ist von vorne wie von hinten dasselbe. Ob Sie jemandem vertrauen können, hängt zu allererst von Ihnen ab. Menschen haben die Neigung, sich vertrauenswürdig zu verhalten, sobald ihnen Vertrauen entgegengebracht wird. Um dieses nordische Gold auch hier zu heben, benötigen wir keine neuen Erkenntnisse aus New Work und Co., sondern Mut und Anteilnahme. Vertrauen und daraus resultierende Freiräume sind Grundvoraussetzungen, um im Job glücklich zu sein. Und glückliche Menschen sind nicht nur kreativer und produktiver, sondern auch bessere Teamplayer – und bleiben gerne dort, wo sie sich wohlfühlen.
Freiheit ist jedoch kein Selbstzweck. „Frihet under ansvar“ ist das Mindset, dass in Skandinavien schon die Kinder lernen: Freiheit unter Verantwortung. Du wirst niemals frei sein, wenn du nicht bereit bist, Verantwortung zu übernehmen. Für dich UND andere.
Der Wille, uns in unserer Einzigartigkeit so zu verbinden, dass wir einander ergänzen. Das ist aus Glücksperspektive sehr viel nachhaltiger. Denn es zeigt uns, wie wichtig wir sind für das Gelingen des Teams und Unternehmens. Wir müssen eigene Interessen nicht mehr schützen. „Wenn ich in etwas gut bin, versuche ich, dir zu helfen, so gut zu werden wie ich“, sagt Jens, Leiter Endmontage Motoren bei Scania.
Je freier die Menschen, desto stärker die Bereitschaft, etwas beizutragen und desto vielfältiger die Ideen, die Ihre Unternehmen bereichern.Die Zeit drängt in Deutschland! Statt auf wissenschaftliche Befunde zu warten oder komplizierte Change-Pläne auszuarbeiten,sollten wir aus gelebter Praxis lernen und frech kopieren, was im Norden bereits funktioniert. Das gilt vor allem für deutsche Führungskräfte.Es ist nicht einfach, da sie im bestehenden System Karriere gemacht haben. Die Versuchung ist groß, der Veränderung auszuweichen, zumal sie schmerzhaft sein kann.
Fangen Sie also jetzt an – am besten bei sich. Große Veränderungen entstehen aus vielen kleinen.
Uwe Schirmer

Maike van den Boom

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