Die Viertagewoche ist aus der aktuellen arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitischen Diskussion nicht wegzudenken. Der Gedanke liegt nahe, schließlich wollen die jüngeren Generationen weniger arbeiten und mehr Freizeit, mehr Leben. Tatsächlich? Das gängige Bild ist nicht ganz richtig: Repräsentative Auswertungen zeigen, dass die Menschen im Mittel heute nicht weniger arbeiten möchten als vor 20 oder 30 Jahren.
Zum Bild gehört aber auch: Viele würden ihre Arbeitszeit gern reduzieren – und zwar heute wie früher. Wiederum andere würden ihre Arbeitszeit gern aufstocken. All das hängt mit zahlreichen Faktoren zusammen, die sich über den Lebensverlauf ändern können, wie Familienarbeit und berufliche Autonomie. Die Wünsche unterscheiden sich in jungen Jahren und der Familienphase – und auch Ältere möchten oft verkürzen. Entsprechend sind Betriebe bei dem Versuch, rentenberechtigte Beschäftigte zu halten, vor allem mit Angeboten kürzerer flexiblerer Arbeitszeiten erfolgreich.Beschäftigte sind mit ihrer Arbeitssituation vor allem dann zufrieden, wenn sie ihre Arbeitszeit selbstbestimmt beeinflussen können. Das ist der Trend bei der Arbeitszeit: nicht generell kürzer, aber selbstbestimmt und passend zum eigenen Leben. Das liegt auch an den großen Trends auf dem Arbeitsmarkt, etwa, dass heute normalerweise beide Partner erwerbstätig sind und das Erwerbsleben deutlich länger wird.
Aus Arbeitgebersicht werden Arbeitskräfte seit 15 Jahren deutlich knapper. Der demografischeWandel führt mit der Verrentung der Babyboomer zu einer Schrumpfung. Entsprechend liegt es fern, die Arbeitszeit generell zu verkürzen. Flexible Verkürzungs- und Verlängerungsmöglichkeiten zu bieten, kann aber ebenso für Arbeitgeber attraktiv sein. Teil- und Vollzeit sind immer noch recht stark getrennt. Wer in Teilzeit geht, kehrt selten in Vollzeit zurück. Die besseren Karriere-, Verdienst- und Weiterbildungsmöglichkeiten gibt es in Vollzeit. Eine höhere Durchlässigkeit könnte die Teilzeitfalle vermeiden und Potenziale von Frauen in der beruflichen Entwicklung besser nutzen, auch deshalb, weil sie stärker von den Vätern unterstützt werden könnten, die ohne Angst vor dem Karriereknick vorübergehend kürzer arbeiten könnten. Organisatorisch kann diese Flexibilität eine Herausforderung sein – aber eine, die es sich lohnt anzugehen.
Das alles sollte schlau kombiniert werden mit Möglichkeiten des mobilen Arbeitens. Dafür braucht es ein Konzept, das Transparenz schafft, Motivation weckt, gegenseitige Erwartungen klärt, Flexibilität bietet, aber Arbeit und Privatleben hinreichend trennt.
Das Recht auf Teilzeit gibt es schon lange, aber ohne Lohnausgleich. Vier Tage arbeiten mit dem Gehalt wie für fünf würde allerdings einen Stundenlohnaufschlag von 25% bedeuten. Das wäre zwar wünschenswert, aber es ist nicht realistisch, dass das in der Breite der Betriebe erwirtschaftet werden kann. Möglich wäre das, wenn die Stundenproduktivität entsprechend stiege. Man kann bei kürzeren Arbeitszeiten durchaus eine höhere Produktivität erreichen. Gerade bei überlangen Arbeitszeiten leiden nämlich Produktivität und Gesundheit. Allerdings ist eine überlange Arbeitszeit bei einer normalen Vollzeit für die meisten Menschen noch nicht gegeben. Höhere Produktivität kann zudem Arbeitsverdichtung über das gesunde Maß hinaus bedeuten – die Arbeit von fünf Tagen in vier.
Eine generelle Viertagewoche kann auch dazu dienen, Arbeit aufzuteilen, um Jobs zu sichern. In bestimmten Umbruchsituationen kann das funktionieren. In Zeiten wachsender Fachkräfteengpässe jedoch sollte es auf dem Arbeitsmarkt normalerweise möglich sein, hinreichende Beschäftigungsmöglichkeiten zu finden.
Also, wie ist es mit der Viertagewoche? Ja, unbedingt! – Für diejenigen, die sie wollen. Und wer fünf Tage möchte, soll fünf bekommen, und wer drei will, drei. Berufliche Entwicklung sollte in jeder Konstellation gleich gut funktionieren. Wenn wir die Debatte um die Viertagewoche dafür nutzen können, lohnt es sich.
Prof. Dr. Enzo Weber
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