Sachgrundlose Befristung nach Neugründung
Problempunkt
Die beklagte Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der S-Gruppe. Sie nahm ihre Geschäftstätigkeit am 1.9.2011 auf, um in B einen neuen Möbelverkaufsstandort der Unternehmensgruppe zu erschließen. Zuvor waren Unternehmen der S-Gruppe bereits länger als vier Jahre im Bereich des Handels mit Möbeln und Ähnlichem tätig, nicht jedoch im Gebiet B. Die Arbeitgeberin ist ein 100%iges Tochterunternehmen der P-GmbH & Co. KG mit Sitz in W. Sie erstellte in der Vergangenheit keine eigene Bilanz, vielmehr ist sie ebenso wie andere konzernangehörige Unternehmen in den Konzernabschluss der Muttergesellschaft eingebunden.
Die Klägerin war zunächst in der Zeit vom 26.3.2013 bis zum 31.3.2014 aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Der Arbeitsvertrag wurde zweimal verlängert, zuletzt aufgrund der Vereinbarung vom 19./24.3.2015 bis zum 31.7.2015. Mit ihrer Klage machte die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristung zum 31.7.2015 geltend und verlangte ihre vorläufige Weiterbeschäftigung.
Nachdem das ArbG Bremen-Bremerhaven der Klage stattgegeben hatte, wies das LAG Bremen die Klage auf die Berufung hin ab. Die dagegen von der Klägerin erhobene Revision hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Die Erfurter Richter entschieden, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der gem. § 14 Abs. 2a TzBfG wirksam vereinbarten Befristung am 31.7.2015 endete.
Nach § 14 Abs. 2a Satz 1 Halbsatz 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags in den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens ohne Sachgrund bis zur Dauer von vier Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer ist auch die mehrfache Verlängerung zulässig. Maßgebend für den Zeitpunkt der Gründung des Unternehmens ist die Aufnahme der Erwerbstätigkeit.
Nach dem BAG steht der Wirksamkeit der vorliegenden Befristung § 14 Abs. 2a Satz 2 TzBfG nicht entgegen. Danach gilt die Befristungsmöglichkeit nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen. Durch § 14 Abs. 2a Satz 1 TzBfG soll neu gegründeten Unternehmen der Abschluss befristeter Arbeitsverträge besonders erleichtert werden, da für Existenzgründer der wirtschaftliche Erfolg besonders ungewiss ist und sie in der Aufbauphase kaum abschätzen können, wie sich das Unternehmen entwickeln und wie hoch der Personalbedarf sein wird. Die Vorschrift des § 14 Abs. 2a Satz 2 TzBfG ist § 112a Abs. 2 Satz 2 BetrVG nachgebildet, sodass die für diese Vorschriften geltenden gesetzgeberischen Wertungen heranzuziehen sind. Eine nach § 14 Abs. 2a Satz 2 TzBfG privilegierte Neugründung liegt unter Berücksichtigung dessen auch dann vor, wenn die Gründung einer Tochtergesellschaft innerhalb eines Konzerns ohne Änderung der rechtlichen Struktur schon bestehender Unternehmen erfolgt, um bislang im Konzern nicht wahrgenommene neue wirtschaftliche Aktivitäten zu verfolgen.
Dies ist vorliegend der Fall, da bis zur Gründung der Arbeitgeberin kein Unternehmen der Gruppe in der Region B einen Möbeleinzelhandel betrieben oder sonstige unternehmerische Aktivität entfaltet hatte. Dagegen kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber mit der Ausnahmeregelung in § 14 Abs. 2a Satz 2 TzBfG die erweiterte Befristungsmöglichkeit nach § 14 Abs. 2a Satz 1 TzBfG auf Existenzgründungen „aus dem Nichts heraus“ – ohne Einbindung in bestehende Konzernstrukturen – beschränken wollte. Die geforderte teleologische Reduktion für den Fall, dass die Arbeitgeberin deshalb kein wirtschaftliches Risiko trägt, da sie gemeinsam mit der Muttergesellschaft bilanziert, kommt daher nicht in Betracht. Die Ungewissheit einer Existenzgründung unabhängig von einem Konzernbezug existiert auch dann, wenn sich bestehende Unternehmen im Wege von Unternehmensneugründungen neu engagieren und so unternehmerisch „Neuland betreten“.
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Konsequenzen
Das BAG hat aus Arbeitgebersicht erfreulicherweise entschieden, dass eine Neugründung i. S. d. § 14 Abs. 2a TzBfG und damit die Privilegierung auch für schon im Konzern bestehende junge Unternehmen gilt. Voraussetzung ist, dass das Unternehmen ohne Änderung der rechtlichen Struktur eine neue wirtschaftliche Aktivität aufnimmt und verfolgt, die bislang im Konzern nicht wahrgenommen wurde. Das Privileg gilt allerdings nicht, wenn die Neugründung im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen erfolgt. Die Gefahr eines Missbrauchs, ständig neue Unternehmen zu gründen und damit dauerhaft sachgrundlos Arbeitsverhältnisse zu befristen, wäre zu groß.
Praxistipp
In der Praxis steht die sachgrundlose Befristung mit einer maximal zweijährigen Befristungsdauer – trotz Fachkräftemangel – weiterhin im Vordergrund. Für neu gegründete Unternehmen kann diese sogar auf bis zu vier Jahre ausgedehnt werden. § 14 Abs. 2a TzBfG dient der rechtlichen Privilegierung „junger“ Unternehmen, die nicht auf bestehenden Strukturen aufbauen können. Die vorliegende Entscheidung schafft für unternehmerische Neugründungen innerhalb von Konzernen Klarheit. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob durch das laut Koalitionsvertrag geplante Vorhaben der Neufassung des Befristungsrechts auch die Vorschrift des § 14 Abs. 2a TzBfG angepasst wird.
Marco Stahn

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