Problempunkt
Der Kläger war bei einem EDV-Beratungsunternehmen zunächst als Netzwerkadministrator und später als Organisationsprogrammierer beschäftigt. Der Arbeitgeber setzte seine Mitarbeiter auf der Basis von Werk- und Arbeitnehmerüberlassungsverträgen bei seinen Auftraggebern ein. Seit 1999 war der Arbeitnehmer ununterbrochen bei einem Kunden eingesetzt und mit der so genannten "Clipper-Programmierung" betraut. Das Auftragsverhältnis wurde nicht verlängert und endete zum 31.1.2004. Der Arbeitgeber kündigte deshalb dem Programmierer mit Schreiben vom 20.1.2004 zum 31.3.2004 wegen Auftragsmangels. Der Mitarbeiter erhob Kündigungsschutzklage.
Entscheidung
Das BAG hielt die Kündigung wie die Vorinstanzen für unwirksam. Das Gericht war der Ansicht, dass ein dringendes betriebliches Erfordernis nicht ausreichend begründet wurde. Zwar kann sich dieses auch aus außerbetrieblichen Gründen (z.B. Auftragsrückgang) ergeben. Dann muss aber dargelegt werden, dass der Arbeitsanfall so zurückgegangen ist, dass für einen oder mehrere Arbeitnehmer das Bedürfnis für eine Weiterbeschäftigung entfällt. Der zurückgegangene Beschäftigungsbedarf kann durch Umschreibung der Geschäftsentwicklung und einen Vergleich des Auftrags- und Beschäftigungsvolumens in bestimmten Referenzperioden dargestellt werden. Das war jedoch vorliegend nicht geschehen. Der bloße Hinweis auf das Auslaufen eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages genügte nicht. Es gehört zum Wesen der Zeitarbeitsbranche, dass Mitarbeiter - oft kurzfristig - bei verschiedenen Auftraggebern eingesetzt werden. Kurzzeitige Auftragslücken sind deshalb nicht geeignet, eine betriebsbedingte Kündigung zu rechtfertigen, da sie zum typischen Wirtschaftsrisiko eines Verleihers gehören. Zudem hatte das Unternehmen nicht detailliert vorgetragen, warum keine Einsatzmöglichkeit bei einem anderen Auftraggeber bestand. Denn der Angestellte hatte behauptet, dass er mehrere Programmiersprachen beherrsche und deshalb auch anderweitig hätte eingesetzt werden können.
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Konsequenzen
Nach der bisherige Rechtsprechung des BAG kann das Auslaufen eines Auftrags eine Kündigung allein nicht rechtfertigen. Wegen der bloßen Befürchtung, dass ggf. keine Anschlussaufträge erteilt werden, darf nicht vorsorglich eine Kündigung ausgesprochen werden (unzulässige Vorratskündigung). Vielmehr muss feststehen, dass der Beschäftigungsbedarf dauerhaft wegfällt. Vorliegend hat das Gericht darauf abgestellt, dass es für Zeitarbeitsunternehmen gerade typisch ist, dass Aufträge sehr kurzfristig erteilt werden. An die Darstellung des Wegfalls des Beschäftigungsbedürfnisses infolge Auftragmangels stellt es deshalb hohe Anforderungen. Die Entwicklung des Auftragsvolumens und des damit verbundenen Beschäftigungsbedarfs muss für repräsentative Referenzzeiträume dargestellt werden. Positiv an der Entscheidung ist, dass das BAG ausdrücklich erklärt hat, dass - entgegen einiger Stimmen in der Fachliteratur - Zeitarbeitsunternehmen nicht verpflichtet sind, auch bei dauerhaftem Auftragsrückgang Leiharbeitnehmer für mindestens drei Monate weiterzubeschäftigen. Ein solches Erfordernis wurde aus einer früheren Vorschrift hergeleitet (§ 9 Nr. 3 AÜG a.F.). Mit deren Streichung ist jegliche Grundlage für die Annahme einer Mindestfrist für die Weiterbeschäftigung entfallen. Lassen sich auf dieser Grundlage der Rückgang des Beschäftigungsbedarfs und damit der Wegfall von Arbeitsplätzen darstellen, ist eine betriebsbedingte Kündigung nur dann gerechtfertigt, wenn der Leiharbeitnehmer nicht - auch nicht nach einer zumutbaren Umschulung - auf einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann (z.B. bei einem anderen Entleiher). Auch eine Beschäftigung auf einer geringwertigeren Stelle muss - notfalls im Wege einer Änderungskündigung - angeboten werden.
Praxistipp
Das BAG hat mit dieser Entscheidung sehr hohe Anforderungen für Zeitarbeitsunternehmen aufgestellt, wenn sie betriebsbedingte Kündigungen auf einen Auftragsmangel als außerbetrieblichen Grund stützen wollen. Sie können aber - wie andere Arbeitgeber auch - organisatorische Entscheidungen treffen, die zu einer Reduzierung des Beschäftigungsbedürfnisses führen. Diese können als innerbetrieblicher Grund eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen. So kann beispielsweise die unternehmerische Entscheidung getroffen werden, zukünftig keine Leiharbeitnehmer für bestimmte Tätigkeiten (z.B. Sekretariatsarbeiten) oder bestimmte Branchen (z.B. Bankgewerbe) zu verleihen. Die Änderung des Geschäftsfelds führt dann dazu, dass für diese Tätigkeiten bzw. diese Branchen keine Arbeitskräfte mehr benötigt werden. Vor der betriebsbedingten Kündigung muss jedoch versucht werden, für die betroffenen Mitarbeiter in anderen Bereichen des Unternehmens eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu finden (vgl. Mohnke, AuA 5/06, S. 274 ff.). Gelingt dies nicht, muss unter den vergleichbaren Mitarbeitern eine Sozialauswahl durchgeführt werden (vgl. Löw, AuA 5/06, S. 266 ff.). Vergleichbar sind aber nur Mitarbeiter, die im Wege einer Weisung - also ohne Änderung des Arbeitsvertrags - auf die Stelle des Kollegen versetzt werden können. Zur Beschränkung der Sozialauswahl könnte überlegt werden, den Einsatz des Mitarbeiters im Arbeitsvertrag stark einzuschränken (z.B. Einstellung nur für Einsatz bei bestimmten Auftraggebern und spätere Änderungsverträge für Tätigkeit bei anderen Auftraggebern), um den Kreis der einzubeziehenden Mitarbeiter zu begrenzen. Zu beachten ist jedoch, dass dadurch auf der anderen Seite die Flexibilität für den Einsatz der Leiharbeitnehmer beschränkt wird.
RA Dr. Lars Mohnke, Lovells, München
Redaktion (allg.)
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