Problempunkt
Die Parteien streiten darüber, ob die Arbeitsverhältnisse der drei Klägerinnen auf die beklagte Service-GmbH übergegangen und die Auflösungsverträge wirksam sind.
Die Klägerinnen sind seit Langem als Reinigungskräfte in einem Krankenhaus beschäftigt, das von einem Kommunalunternehmen betrieben wird. Ihre Arbeitsverhältnisse unterliegen den jeweils geltenden Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) bzw. den einschlägigen Manteltarifverträgen für Arbeiter. Im September 2003 gründete das Kommunalunternehmen als alleinige Gesellschafterin die beklagte Service-GmbH, deren ausschließlicher Geschäftsgegenstand es ist, dem Kommunalunternehmen oder dessen Tochterunternehmen Personal zu stellen. Das Kommunalunternehmen beabsichtigte mit der Neugründung, die bislang bei ihm angestellten Reinigungskräfte künftig bei der Beklagten zu anderen (kostengünstigeren) Arbeitsbedingungen zu beschäftigen.
Auf Anraten des Kommunalunternehmens schlossen sämtliche Reinigungskräfte Aufhebungsverträge mit diesem und gleichzeitig Arbeitsverträge zu geänderten Bedingungen mit der Beklagten. Im Rahmen eines Personalgestellungsvertrags überlässt die Beklagte sämtliche Reinigungskräfte dem Kommunalunternehmen. Sie verrichten dort die gleichen Tätigkeiten wie bisher. Das Kommunalunternehmen organisiert die Reinigungsarbeiten, erteilt die Arbeitsanweisungen und stellt die Reinigungsmittel sowie die Arbeitsgeräte zur Verfügung.
Die Klägerinnen sind der Ansicht, es liege ein Betriebsteilübergang auf die Beklagte vor. Aufhebungsverträge und neue Arbeitsverträge seien unwirksam. Die Service-GmbH müsse sie zu den bisherigen Bedingungen weiterbeschäftigen. Das Arbeitsgericht Passau gab den Klagen statt. Das Landesarbeitsgericht (LAG) München wies sie ab.
Entscheidung
Die Revision der Klägerinnen hatte Erfolg. Ihre Arbeitsverhältnisse sind auf die Service-GmbH übergegangen. Der Achte Senat des BAG sah die gewählte Vertragsgestaltung und deren tatsächliche Umsetzung als einen Betriebsteilübergang i. S. v. § 613a Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) an.
Nach Ansicht der Richter erfüllen die Reinigungsarbeiten im Krankenhaus des Kommunalunternehmens einen organisatorisch abgrenzbaren arbeitstechnischen Teilzweck. Sie stellen einen betriebsmittelarmen Teilbetrieb des Krankenhauses dar. Dieser ist auf die Service-GmbH übergegangen, indem sie die Arbeitnehmer übernahm, die bislang die Reinigungsarbeiten erledigten.
Die Tatsache, dass sie die Klägerinnen auf den bisherigen Arbeitsplätzen weiterbeschäftigte, unterstreicht außerdem, dass diese in der Lage sind, die Reinigungsarbeiten wie bisher auszuführen. Damit übernahm die Service-GmbH auch die Identität der bisher bei dem Kommunalunternehmen bestehenden wirtschaftlichen Einheit. Dies gilt jedenfalls, wenn es ausschließlicher Unternehmensgegenstand der Service-GmbH ist, Personal an das Kommunalunternehmen und dessen Tochterunternehmen zu stellen.
Dem Übergang der Arbeitsverhältnisse stand auch nicht entgegen, dass das Kommunalunternehmen und die Reinigungskräfte Aufhebungsverträge abgeschlossen hatten. Sie umgehen § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB und sind daher gemäß § 134 BGB unwirksam. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich die Mitarbeiter bei einem Betriebsübergang mit dem bisherigen Arbeitgeber auf einen Aufhebungsvertrag einigen und gleichzeitig mit dem Betriebserwerber ein neues Arbeitsverhältnis vereinbaren. Die Vorschrift schützt davor, dass sich der Inhalt des Arbeitsvertrags ohne sachlichen Grund ändert. Damit bestätigte das BAG seine bisherige Rechtsprechung zu Aufhebungsverträgen bei einem Betriebsübergang (vgl. Urt. v. 23.11.2006 8 AZR 349/06, AuA 7/07, S. 438 f.).
Profitieren Sie vom Expertenwissen renommierter Fachanwält:innen, die Sie über aktuelle Entscheidungen des Arbeitsrechts informieren. Es werden Konsequenzen für die Praxis benannt und Handlungsempfehlungen ausgesprochen.
Konsequenzen
Im Hinblick darauf, dass die Service-GmbH lediglich die Arbeitsverträge der Reinigungskräfte übernommen, aber zu keinem Zeitpunkt selbst Reinigungsdienstleistungen angeboten hat der Teilbetrieb Reinigungsservice verblieb durchgehend beim Kommunalunternehmen, das ihn von dort wie bisher steuerte und organisierte ist die Annahme eines Betriebsteilübergangs bemerkenswert. Keineswegs neu bei Entscheidungen des BAG zu § 613a BGB ist hingegen, dass die Praxis (zunächst) damit leben und sich darauf einstellen muss. Gerade bei öffentlichen Arbeitgebern finden sich häufig Konstellationen, die mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar sind, wenn es darum geht, der Tarifbindung des BAT (bzw. TVöD) zu entgehen und dadurch Kosten einzusparen.
Praxistipp
Das Urteil liefert einen wichtigen Hinweis, mit dem Unternehmen die Rechtsfolgen des § 613a BGB vermeiden können:
Das BAG wäre wohl nicht davon ausgegangen, dass die Service-GmbH die wirtschaftliche Einheit unverändert fortgeführt hat und damit ein Betriebsteilübergang vorliegt, wenn sie die übernommenen Reinigungskräfte – wie bei Leiharbeitsunternehmen üblich – auch dritten Entleihern überlassen und damit ihre Arbeitnehmer am „freien Markt“ verliehen hätte. Bereits bei Gründung einer Service-GmbH ist also darauf zu achten, dass der Gesellschaftsvertrag einen solchen Verleih am Markt als Unternehmensgegenstand ausweist und das Unternehmen dies anschließend auch in die Praxis umsetzt.
RA Christoph Keckeisen, Kümmerlein Simon & Partner, Essen
Redaktion (allg.)
· Artikel im Heft ·
Problempunkt
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines tariflichen Erschwerniszuschlags. Der Kläger
Die Vorteile liegen auf der Hand
Angesichts der strengen Anforderungen, die die Rechtsprechung an die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen
Problempunkt
Der Kläger ist bei der Beklagten als Reinigungskraft angestellt. Aufgrund Allgemeinverbindlicherklärung gelten die
Problempunkt
Der Kläger war beim Arbeitgeber als im Außendienst tätiger Servicetechniker beschäftigt. Nachdem der Arbeitgeber allen
Herr Dr. Bissels, was genau sah der angesprochene Gesetzentwurf vor?
Die Klägerin war bei der beklagten Klinik als hauswirtschaftliche Helferin tätig. Sie begehrte eine Erschwerniszulage gem. § 19 TVöD, weil