Überstundenpauschale und Verfallsfrist

1. Ob Überstunden bis zur Grenze der gesetzlich zulässigen Arbeitszeit durch die Zahlung eines Monatsgehalts wirksam pauschal abgegolten werden können, kann dahinstehen; jedenfalls hindern eine arbeitsvertragliche Abgeltungsklausel und § 3 ArbZG den Arbeitnehmer nicht daran, für Überstunden, die über die gesetzliche Arbeitszeit hinausgehen, eine anteilige Vergütung verlangen.


2. Die in einem Formulararbeitsvertrag vorgesehene Ausschlussfrist von zwei Monaten für alle nicht deliktischen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis ist gemäß § 307 BGB unwirksam. Ihr kann auch nicht im Wege der geltungserhaltenden Reduktion in der Weise Wirksamkeit beigemessen werden, dass sie auf das gemäß § 307 BGB zulässige Maß reduziert wird.
(Leitsätze des Bearbeiters)

BAG, Urteil vom 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 § 3 ArbZG; §§ 611, 612, 305, 306, 307 BGB

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Bild: AlcelVision/stock.adobe.com
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Problempunkt

In dem vom BAG entschiedenen Fall haben sich die Parteien über die Vergütung für Arbeitsstunden gestritten, die der Kläger über die gesetzliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden wöchentlich hinaus erbracht hat. Der Arbeitnehmer war bei der beklagten Arbeitgeberin als Fleischermeister beschäftigt. In dem arbeitgeberseits vorgegebenen Formular-Arbeitsvertrag hatten die Parteien ein Bruttogehalt in Höhe von 2.100 ? bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden vereinbart. Ferner war dort geregelt, dass Über- und Mehrstunden durch das gezahlte Bruttogehalt abgegolten sind und alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht auf einer strafbaren oder unerlaubten Handlung beruhen, mit Ablauf von zwei Monaten ab Fälligkeit verfallen, sofern sie nicht innerhalb dieser Frist schriftlich geltend gemacht werden.

Nachdem der Mitarbeiter mit Fax vom 3.11.2003 gegenüber der Arbeitgeberin eine Überstundenvergütung für die Monate Juli und August in bezifferter Höhe geltend gemacht hatte und keine Zahlung erfolgte, erhob er Klage vor dem Arbeitsgericht.

Entscheidung

Das LAG hatte die Arbeitgeberin zur Zahlung von 754,31 € brutto verurteilt. Das BAG hat diese Entscheidung bestätigt. Nach Auffassung des Gerichts betrifft die pauschale Abgeltungsklausel nach ihrem Sinn und Zweck nur die gesetzlich zulässigen Überstunden. Darüber hinausgehende Arbeit haben die Parteien in dem Arbeitsvertrag überhaupt nicht berücksichtigt. Für diese Arbeitszeit kann der Arbeitnehmer trotz des gesetzlichen Verbots eine anteilige Vergütung verlangen. Da der Beschäftigte keine weitergehenden Ansprüche geltend gemacht hat, hat das BAG nicht darüber befunden, ob Überstunden bis zur Grenze der gesetzlich zulässigen Arbeitszeit durch die Zahlung eines Monatsgehalts wirksam abgegolten werden können. Das Gericht hat darauf hingewiesen, dass die Ansprüche auch nicht verfallen sind. Die einzelvertragliche Ausschlussfrist von zwei Monaten benachteiligte den Arbeitnehmer unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben (§ 307 BGB). Eine solche Frist ist mit wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Verjährungsrechts nicht vereinbar und schränkt wesentliche Rechte, die sich aus der Natur des Arbeitsverhältnisses ergeben, so ein, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wird. Dabei ist nach Auffassung des BAG eine Frist von weniger als drei Monaten für die erstmalige Geltendmachung auch unter Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten unangemessen kurz. Sie ist unwirksam mit der Folge ihres ersatzlosen Wegfalls bei Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrags im Übrigen.

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Konsequenzen

Zur Frage der pauschalen Abgeltung von Mehrarbeit hat sich das BAG nicht abschließend geäußert, da der Arbeitnehmer im entschiedenen Fall nur die Arbeitsstunden geltend gemacht hat, die über der gesetzlich zulässigen Arbeitszeit nach § 3 ArbZG lagen. Zumindest das LAG hatte hierzu noch in dem Berufungsurteil erwähnt, dass eine Pauschalabgeltung von Überstunden mit dem Gehalt nach § 307 BGB unwirksam sei. Hierdurch werde der Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt, da der Arbeitgeber bei gleichbleibender Vergütung die Möglichkeit habe, über die vereinbarte Regelarbeitszeit hinaus in erheblichem Umfang Mehrarbeit zu verlangen. Eine unangemessene Benachteiligung sei nur dann zu verneinen, soweit eine zumindest durchschnittlich nur geringfügige Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit mit dem vereinbarten Gehalt abgegolten sei.

Zum anderen hat sich das BAG (wie auch schon im Urt. v. 31.8.2005 - 5 AZR 545/04) mit der Frage befasst, ob eine zweimonatige Verfallklausel im Rahmen eines Formularvertrages vereinbart werden kann. Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Formularbestimmungen im Zweifel unwirksam, wenn sie

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren sind oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränken, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

Beide dieser Voraussetzungen hat das BAG bei einer nur zweimonatigen Verfallsfrist als erfüllt angesehen. Zwar kennt das Gesetz keine Verfalls-, sondern nur Verjährungsfristen, bei der Prüfung kann hierauf jedoch trotz der Wesensverschiedenheit abgestellt werden. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt grundsätzlich drei Jahre. Hiervon weicht eine Frist von weniger als 10% zu massiv ab. Vor diesem Hintergrund ist die Anmerkung des BAG, eine Frist von weniger als drei Monaten für die erstmalige Geltendmachung sei auch unter Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten unangemessen kurz, offensichtlich so zu verstehen, dass eine Verfallfrist von drei Monaten und länger grundsätzlich zulässig ist.

Praxistipp

Vereinbarungen in Formulararbeitsverträgen, wonach Überstunden durch die Grundvergütung mit ausgeglichen werden sollen, sind nicht unüblich. Teilweise wird eine Höchstgrenze, entweder durch bezifferte Angabe der Stunden oder durch Hinweis auf "die im gesetzlichen Rahmen anfallenden" Über- und Mehrarbeitsstunden, angegeben. Bisweilen findet sich aber auch keine Höchstbeschränkung. Dabei ist selbstverständlich, dass Überschreitungen des gesetzlichen Höchstmaßes nach § 3 ArbZG von derartigen Regelungen nie erfasst sein können. Ob Vereinbarungen über eine Pauschalabgeltung zulässig sind, ist einzelfallabhängig zu beurteilen. Dies wird jedenfalls dann gegeben sein, wenn zum einen genau erkennbar ist, in welchem Umfang mehr oder weniger regelmäßig Überstunden anfallen. Oder es ist zur Abgeltung ein pauschaler Gehaltsaufschlag vereinbart, bzw. die Überstunden haben bei der Gehaltsbemessung Berücksichtigung gefunden. Zudem kristallisiert sich nunmehr nach der Rechtsprechung des BAG heraus, dass die Vereinbarung einer Verfallfrist von zumindest drei Monaten zulässig sein dürfte. Bei allen Regelungen, die in Formulararbeitsverträgen enthalten sind, ist jedoch zusätzlich zu beachten, dass nicht gegen § 305c Abs. 1 BGB verstoßen wird. Dies bedeutet, dass dann, wenn Pauschalabgeltungen oder Verfallfristen vereinbart werden, diese klar formuliert sein müssen und nicht versteckt im Text untergebracht werden dürfen.

RA und Notar Dr. Ralf Laws, FA für Arbeitsrecht und für Steuerrecht, Brilon

Redaktion (allg.)

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