Problempunkt
Seit einer Gesetzesänderung im Jahre 2002 sind der bisherige Arbeitgeber und der neue Betriebsinhaber im Falle eines Betriebsübergangs gesetzlich verpflichtet, die übergehenden Arbeitnehmer über den Betriebsübergang und seine Folgen schriftlich zu unterrichten. Das Gesetz regelt in § 613a Abs. 5 BGB, welche Angaben in einer schriftlichen Unterrichtung enthalten sein müssen. Nach einer solchen Unterrichtung hat der Mitarbeiter gemäß § 613a Abs. 6 BGB einen Monat Zeit, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen. Er bleibt im Falle eines Widerspruchs Arbeitnehmer des bisherigen Arbeitgebers; ohne Widerspruch geht das Anstellungsverhältnis automatisch auf den neuen Betriebsinhaber über.
In dem hier kommentierten Urteil des BAG wurde der Arbeitnehmer von seinem bisherigen Arbeitgeber nur unzureichend über den anstehenden Betriebsübergang unterrichtet. Der Beschäftigte widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses. Daraufhin wurde ihm von seinem bisherigen Arbeitgeber betriebsbedingt gekündigt, da die bislang von ihm verrichteten Tätigkeiten auf den neuen Inhaber übergegangen seien und daher sein Arbeitsplatz beim bisherigen Arbeitgeber weggefallen sei. Der Mitarbeiter erhob hiergegen Kündigungsschutzklage und argumentierte, dass sein bisheriger Arbeitgeber sich wegen der fehlerhaften Unterrichtung nicht auf die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit berufen könne. Er würde damit gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB verstoßen. Dieser Argumentation war das LAG Berlin gefolgt und hatte der Klage stattgegeben.
Entscheidung
Das BAG hat die Entscheidung des LAG Berlin aufgehoben und nunmehr klargestellt, welche Konsequenzen eine fehlende oder unzureichende Unterrichtung über einen Betriebsübergangs haben kann:
Bei einer fehlenden oder unzureichenden Unterrichtung beginnt die einmonatige Widerspruchsfrist des Arbeitnehmers nicht zu laufen. Der Arbeitnehmer kann also auch noch später dem Betriebsübergang widersprechen. Zudem führt die Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Unterrichtung dazu, dass der Arbeitnehmer gegebenenfalls Schadenersatzansprüche gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber und dem neuen Inhaber hat.
Dagegen führt eine Verletzung der Unterrichtungspflicht nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Hierfür besteht nach Ansicht des BAG auch kein Bedürfnis, da der Arbeitnehmer aufgrund der beiden obigen Konsequenzen schon ausreichend geschützt ist.
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Konsequenzen
Für die Praxis ist dieses Urteil des BAG ein Schritt in die richtige Richtung. Bislang war höchstrichterlich noch nicht entschieden, welche Konsequenzen eine unzureichende oder sogar fehlende Unterrichtung haben kann. Nunmehr besteht zumindest Sicherheit dahingehend, dass dies keinen Kündigungsausschluss nach sich zieht. Andernfalls wäre der bisherige Arbeitgeber gegebenenfalls auf unabsehbare Dauer zur Vergütungszahlung verpflichtet geblieben, obwohl er über keine Beschäftigungsmöglichkeit für den widersprechenden Arbeitnehmer mehr verfügt.
Daneben ist nun auch klar, dass Fehler bei der Unterrichtung nicht folgenlos bleiben: Zum einen beginnt die Widerspruchsfrist des Arbeitnehmers nicht zu laufen. Zum anderen drohen dem bisherigen Arbeitgeber und dem neuen Inhaber Schadenersatzansprüche der unzureichend informierten Mitarbeiter.
Dennoch bleibt vieles weiterhin offen. Es ist auch künftig unklar, ob die Widerspruchsfrist im Falle einer unzureichenden oder fehlenden Unterrichtung "endlos" läuft. In diesem Fall könnten Arbeitnehmer einem Betriebsübergang gegebenenfalls noch nach Monaten bzw. sogar Jahren widersprechen. Der bisherige Arbeitgeber und der neue Inhaber würden daher über lange Zeit keine Rechtssicherheit über die Anzahl der tatsächlich übergehenden Arbeitnehmer erlangen. Des Weiteren bleibt es höchstrichterlich ungeklärt, was genau alles in dem Unterrichtungsschreiben enthalten sein muss, damit es als vollständig gelten kann.
Praxistipp
Es ist im Fall des Betriebsübergangs unbedingt auf eine fehlerfreie Unterrichtung zu achten. Hierbei gilt die Faustregel: "Lieber einen Satz zuviel, als einen zu wenig aufnehmen". Die Unterrichtung muss zudem schriftlich erfolgen. Der notwendige Inhalt einer Unterrichtung ist bereits im Gesetz (§ 613a Abs. 5 BGB) aufgeführt. Danach muss die Unterrichtung Folgendes beinhalten: 1. den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Betriebsübergangs; 2. den Grund für den Betriebsübergang: Hierbei ist es ausreichend, die rechtsgeschäftliche Grundlage zu nennen. Es besteht keine Verpflichtung, die wirtschaftlichen Hintergründe mitzuteilen. 3. die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Betriebsübergangs für den Arbeitnehmer: Hierzu gehören unter anderem die Mitteilung, dass sämtliche Rechte und Pflichten gemäß § 613a BGB auf den neuen Inhaber übergehen, Angaben über Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge, sowie ob und welcher Betriebsrat zukünftig für den betroffenen Arbeitnehmer zuständig sein wird. 4. die hinsichtlich des zu unterrichtenden Arbeitnehmers in Aussicht genommenen Maßnahmen: Dies können zum Beispiel Weiterbildungsmaßnahmen oder zukünftige organisatorische Veränderungen sein. Wichtig ist es, dass die Unterrichtung alle gesetzlich geforderten Aspekte beinhaltet. Dabei ist auf den jeweils individuellen Fall einzugehen. Eine Wiederholung des Gesetzestextes des § 613a BGB reicht nicht.
RAin/FAin ArbR Petra Ostmann und RAin Verena Kappel, RAe mbH, Frankfurt am Main
Redaktion (allg.)
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