Die Viertagewoche im Fokus der Arbeitszeitmodelle – eine Chance für Arbeitgeber oder nur ein Arbeitnehmertraum?
Seit einiger Zeit schon wird die Idee der Viertagewoche weltweit diskutiert und in einigen Ländern bereits getestet. Die zentrale Idee dahinter ist es, eine bessere Work-Life-Balance zu schaffen. Wie funktioniert die Viertagewoche und welche Modelle existieren? Welche Vor- und Nachteile bringt sie mit sich?
Verschiedene Modelle und Vorteile
Es gibt verschiedene Möglichkeiten für Arbeitgeber, die Viertagewoche umzusetzen. Eine Variante beinhaltet eine reduzierte wöchentliche Arbeitszeit bei entsprechend verringertem Gehalt. Laut der HDI Berufe-Studie 2022 wäre sogar jeder vierte Befragte bereit, diese Lohneinbußen in Kauf zu nehmen. Es gibt jedoch auch ein Modell, bei dem die Arbeitszeit von fünf Tagen auf vier Tage verteilt wird, ohne dass das Gehalt reduziert wird.
In der Praxis gibt es dabei jedoch einige Herausforderungen. Denn prinzipiell ist es zwar unter bestimmten Umständen erlaubt, bis zu zehn Stunden am Tag zu arbeiten, aber sobald Überstunden anfallen, begeben sich Unternehmen in eine Grauzone. Zudem ist es bei Auszubildenden grundsätzlich nicht möglich, die Arbeitszeit auf zehn Stunden pro Tag zu erhöhen.
Ein Beispiel dafür, dass es funktionieren kann, ist die Alfred Keller GmbH am Bodensee, bei der trotz der Viertagewoche am Ende der Woche 38,5 Stunden auf dem Zeitkonto stehen. Keller äußert sich gegenüber der Tagesschau positiv zur Viertagewoche: „Durch die Viertagewoche sind unsere Arbeitsabläufe produktiver.“
Ein weiteres besonders attraktives Modell, welches gerade in Großbritannien getestet wird, reduziert die Arbeit auf vier Tage bei gleichem Gehalt. Das Motto lautet „80 % der Zeit bei 100 % Leistung“. Die Ergebnisse der Studie können sich sehen lassen: Die Unternehmen berichten von erhöhtem Mitarbeiterengagement, teilweise doppelt so vielen Bewerbungen und deutlich geringeren Fehlzeiten. Auch die Befürchtung vieler Unternehmen, der Gewinn könnte dadurch zurückgehen, widerlegt die Studie erfolgreich. Der Gewinn hat sich im Vergleich zum Jahr davor sogar um 35 % gesteigert.
Welche Risiken gibt es?
Laut der HDI Berufe-Studie 2022 wünschen sich drei Viertel aller Beschäftigten in Deutschland eine Vietagewoche. Die Expertin für Kulturwandel in Unternehmen Inga Höltmann vertritt in einem Interview mit tagesschau.de die Meinung, dass die Flexibilisierung der Arbeitszeit ein wesentliches Element ist, das New Work auszeichnet.
Allerdings gibt es Bedenken hinsichtlich einer großflächigen Umsetzung der Viertagewoche. Matthias Bianchi vom Deutschen Mittelstandsbund warnt gegenüber der Tagesschau: „Die Vier- oder Dreitagewoche eignet sich heute nicht für eine flächendeckende Anwendung in kleinen oder mittleren Unternehmen.“ Diese Modelle würden überall dort, wo seriell gearbeitet oder produziert wird, schnell an ihre Grenzen stoßen. Jedoch zeigen Studien aus Großbritannien, dass die Viertagewoche in verschiedenen Unternehmen funktionieren kann, unabhängig von der Branche. Jedes Unternehmen kann das für sich beste Modell finden, da die Viertagewoche nicht eins zu eins kopiert werden muss. Es gibt jedoch bestimmte Branchen, in denen die Viertagewoche möglicherweise nicht umsetzbar ist, wie z. B. im sozialen Bereich oder im Gesundheitswesen. Hier ist eine kontinuierliche Betreuung notwendig, wofür zusätzliches Personal erforderlich wäre, was in Zeiten des Fachkräftemangels eine Herausforderung darstellt. Dazu hat sich auch der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, gegenüber der Rheinischen Post geäußert. Er ist sich sicher: „Wir müssen wieder mehr arbeiten – so wie es die Schweiz vormacht“. Denn eine vollzeitbeschäftigte Person arbeite dort durchschnittlich deutlich mehr Stunden im Jahr, als es hierzulande der Fall sei. Er ist dafür, die individuelle Arbeitszeit im Jahr auszuweiten. Doch ist das in Zeiten der Digitalisierung und Modernisierung wirklich ein angebrachter Ansatz?
Es gibt durchaus Probleme, die bei einer Viertagewoche auftreten können, bspw. durch die Arbeitszeit pro Tag, die sich erhöht. Denn dann führt die Idee nicht zu einer Steigerung der Produktivität, sondern könnte den Arbeitsdruck erhöhen und eine Überarbeitung fördern. Auch die Konzentrationsfähigkeit kann nach einer längeren Arbeitszeit abnehmen.
Fazit
Insgesamt kann man sagen, dass die Viertagewoche in Unternehmen, die sie umsetzen können, positive Effekte haben kann. Die Wahl des richtigen Modells ist dabei entscheidend, ebenso wie eine individuelle Abstimmung mit den Mitarbeitern. Die Viertagewoche ist kein universell einsetzbares Konzept, es gibt aber durchaus positive Erfahrungen und Anreize, die für eine Nutzung in bestimmten Unternehmen sprechen. Arbeitgeber sollten das Potenzial der Viertagewoche ernstnehmen und diese sorgfältig prüfen, um die Zufriedenheit und Produktivität ihrer Mitarbeiter zu steigern.
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