Kein gesetzlicher Mindestlohn für Pflichtpraktikum vor Studium

Bild: pixabay.com
Bild: pixabay.com

Praktikanten, die ein Pflichtpraktikum absolvieren, das nach einer hochschulrechtlichen Bestimmung Zulassungsvoraussetzung für die Aufnahme eines Studiums ist, haben keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn (BAG, Urt. v. 19.1.2022 – 5 AZR 217/21).

Die Klägerin beabsichtigte, sich an einer privaten, staatlich anerkannten Universität um einen Studienplatz im Fach Humanmedizin zu bewerben. Nach der Studienordnung ist u. a. die Ableistung eines sechsmonatigen Krankenpflegedienstes Zugangsvoraussetzung für den Studiengang. Vor diesem Hintergrund absolvierte die Klägerin bei der Beklagten, die ein Krankenhaus betreibt, in der Zeit vom 20. Mai bis zum 29. November 2019 ein Praktikum auf einer Krankenpflegestation. Die Zahlung einer Vergütung wurde nicht vereinbart. Mit ihrer Klage hat die Klägerin unter Berufung auf das Mindestlohngesetz (MiLoG) Vergütung i. H. v. insgesamt 10.269,85 Euro brutto verlangt. Sie hat geltend gemacht, sie habe im Rahmen einer Fünftagewoche täglich 7,45 Stunden Arbeit geleistet. Ein Vorpraktikum vor Aufnahme eines Studiums sei kein Pflichtpraktikum im Sinne des MiLoG, daher greife die gesetzliche Ausnahme von der Vergütungspflicht nicht ein.

Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die Beklagte nicht zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns nach § 1 i. V. m. § 22 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 MiLoG verpflichtet ist. Die Klägerin unterfällt nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes. Der Ausschluss von Ansprüchen auf den gesetzlichen Mindestlohn nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG erfasst nach dem in der Gesetzesbegründung deutlich zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers nicht nur obligatorische Praktika während des Studiums, sondern auch solche, die in Studienordnungen als Voraussetzung zur Aufnahme eines bestimmten Studiums verpflichtend vorgeschrieben sind. Dem steht nicht entgegen, dass die Studienordnung von einer privaten Universität erlassen wurde, denn diese Universität ist staatlich anerkannt. Hierdurch ist die von der Hochschule erlassene Zugangsvoraussetzung im Ergebnis einer öffentlich-rechtlichen Regelung gleichgestellt und damit gewährleistet, dass durch das Praktikumserfordernis in der Studienordnung nicht der grundsätzlich bestehende Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für Praktikanten sachwidrig umgangen wird.

Pressemitteilung Nr. 1/22 des BAG vom 19.1.2022

Profitieren Sie vom Expertenwissen renommierter Fachanwält:innen, die Sie über aktuelle Entscheidungen des Arbeitsrechts informieren. Es werden Konsequenzen für die Praxis benannt und Handlungsempfehlungen ausgesprochen.

Printer Friendly, PDF & Email

Eine Arbeitsplatzbewerberin steht bei der Besichtigung des Unternehmens im Rahmen eines eintägigen unentgeltlichen „Kennenlern-Praktikums“ unter dem

Nach Deutschland in einen Privathaushalt entsandte ausländische Betreuungskräfte haben Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für geleistete

Das Arbeitsgericht Berlin hat entschieden, dass ein Arzt während des behördlich angeordneten Ruhens seiner Approbation keinen Anspruch auf Vergütung

Einer schwerbehinderten Bewerberin, der die fachliche Eignung für eine von einem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber ausgeschriebene Stelle nicht

Das LAG Berlin-Brandenburg hat der Klage einer im Rahmen einer „24-Stunden-Pflege zu Hause“ eingesetzten Arbeitnehmerin auf Zahlung zusätzlicher

Die Bundesregierung hat sich auf neue Regelungen zur Fachkräfteeinwanderung verständigt und einen entsprechenden Entwurf des BMAS und des BMI