Geleitwort: Resonanz zwischen Menschen im Unternehmen

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 Univ.-Prof. Dr. Volker Stein - Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb. Personalmanagement und Organisation, Universität Siegen; FOTO: J. Ginsberg
Univ.-Prof. Dr. Volker Stein - Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb. Personalmanagement und Organisation, Universität Siegen; FOTO: J. Ginsberg

Mit Resonanz möchte ich ein Phänomen aus der Physik aufgreifen: Angeregt durch Impulse beginnt ein anderes schwingungsfähiges System mitzuschwingen. Es schaukelt sich idealerweise nicht ungedämpft zur Resonanzkatastrophe auf, sondern reagiert mit einer harmonisch eingeschwungenen Bewegung.
Resonanz weist als Metapher für zwischenmenschliche Interaktion eine starke Verbindung zum Thema Arbeit und Personalmanagement auf. Denn versuchen nicht überall in Unternehmen Menschen, anderen ihre Schwingung zu übertragen und sie dadurch anzuregen, ihr Verhalten daran anzupassen? Wenn sich Resonanz aus anregendem Impuls und resultieren- der Schwingung ergibt, so müssten wir auch im Unternehmen Schwingungsgeber und Schwingungsnehmer unterscheiden. Also: Wer regt an, wer nimmt auf?

Am naheliegendsten ist das Verhältnis von Führungskraft zu Mitarbeiter. Jegliche Botschaft, die begeistern soll, muss beim Adressaten ähnliche Schwingungen auslösen. Auf dieser Basis lässt sich Gemeinsames gestalten. Je mehr Überzeugungskraft und Faszination Führungskräfte durch ihre verbale und nonverbale Kommunikation bei den Arbeitnehmern erzeugen, desto eher erwecken sie ihre Ideen zum Leben und reduzieren Ablehnung. Zum Führungskonzept wird dies in der transformationalen Führung: Führungskräfte nutzen zur Anregung Impulse wie ihr Charisma, eine attraktive Unternehmensvision oder ein wertschätzendes und individuelles Eingehen auf Beschäftigte und hoffen auf Resonanz in Form eines überdurchschnittlichen Mitarbeiterengagements.

Doch braucht es immer die anregende Führungskraft? In ihrer täglichen Zusammenarbeit versetzen sich die Arbeitnehmer auch untereinander in Resonanz, vor allem in Teams. In ihnen parallelisieren sich die individuellen Verhaltenserwartungen und Handlungen zu einem übergeordneten Resonanzmuster aus Unternehmenssinn und -identität. Arbeitsgruppen sind die Keimzellen für die als Unternehmenskultur wahrgenommene Eigenfrequenz im Unternehmen. Eingeschwungene Werte und Normen, Traditionen und Rituale regen weitere Resonanz an:
Mitarbeiter, mögliche Bewerber und Kunden reagieren sehr sensibel auf diese Faktoren. Resonanz löst zudem die Unternehmensleitung aus. In Zeiten von Beschleunigung und Dynamisierung versetzt sie Führungskräfte und nachgeordnete Beschäftigte in immer mehr Schwingung. Permanentes Anregen von oben soll das Unternehmen schneller produktiv und innovativ machen. Interessanterweise hat eine steigende Anregungsfrequenz Grenzen: Wenn es nicht gelingt, den sich aufschaukelnden Strom von Anregungen zu dämpfen oder von Zeit zu Zeit mit den Anregungen nachzulassen, um vorangegangenen Schwingungen ihre Wirkung nicht zu nehmen, drohen unkontrollierbare Resonanzausschläge. Dagegen bringt eine ausgewogene, fokussierte Resonanzerzeugung das Resonanzsystem Unternehmen nicht aus der Balance. Schließlich die Selbstresonanz: Jeder Mensch im Unternehmen bringt sich selbst zum Schwingen. Er nutzt die in Form intrinsischer Motivation vorhandenen Resonanzräume. Auf sich selbst eingeschwungene Arbeitnehmer ziehen nicht nur eine tiefe Selbstbestätigung aus ihrer Tätigkeit, wie man es bei solchen beobachtet, deren Arbeit „im Fluss“ (Flow) ist, sie prägen auch ihr Umfeld. Nicht von ungefähr setzen viele Sozialkompetenz- Kurse an der Fähigkeit zur Selbstmotivation an.

Jetzt taucht die Verbindung zum Arbeitsrecht auf: Ausgerechnet negative Resonanz ist es, die als Geld- und Produktivitätsvernichter das Personalmanagement erschwert und zu allem Überfluss häufig noch vor dem Arbeitsgericht endet – seien es Stress im Führungskraft-Mitarbeiter- Verhältnis, Mobbing im Team, Fluktuation als Reaktion auf die Unternehmensleitung oder Burn-out im Selbstmanagement. Das Arbeitsrecht mit seinen Leitplanken für einvernehmliches Zusammenarbeiten dient als notwendiger Dämpfer resonanzschädlicher Impulse. Arbeit, Führung und ganz allgemein das Personalmanagement als Resonanzarbeit zu betrachten lohnt sich allemal: Immerhin entscheidet Resonanz mit darüber, wie Menschen sich im Kontakt mit ihrem Unternehmen fühlen. Resonanz kann Türen zuschlagen, aber auch weit aufreißen. Sie kann bremsen, aber auch beschleunigen. Positive Resonanz sorgt für Lebendigkeit im Unternehmen und dass die Menschen dort ihre Freude an der Arbeit mit anderen teilen. Und von der Leistung ausgewogen eingeschwungener Menschen hängt der Unternehmenserfolg ab.

P.S.: War Resonanz nicht auch das Erfolgsrezept für das Projekt „Fußballweltmeisterschaft 2014“?

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Redaktion (allg.)

· Artikel im Heft ·

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Seite 388
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