„Nein sagen ist eine Zukunftskompetenz“
Warum sind Sie Unternehmerin geworden?
Als ich in die Grundschule kam, brachte meine Mutter einen Computer nach Hause. Sie sagte, dass es zwei Typen von Menschen gibt: solche, die Dinge bauen („Builder“) und andere, die sie einfach nutzen („Consumer“). Da war es für mich klar – ich wollte auf keinen Fall einfach nur dabei sein, sondern gestalten, Probleme lösen, an der Zukunft arbeiten. Mit dieser Haltung ist man heute in vielen Unternehmen leider fehl am Platz, also habe ich mein eigenes gegründet.
Gibt es Lücken in Ihrem Lebenslauf?
Diese Frage kann ich so nicht beantworten. Zum einen finde ich den Begriff „Lebenslauflücke“ befremdlich. Ich denke nicht in solchen Kategorien. Menschen existieren auch über ihre Jobs weiter und sammeln Kompetenzen. Zum anderen musste ich seit meinem Studium selbst für meinen Lebensunterhalt sorgen und konnte mir keine Lücken leisten. Eine der vielversprechendsten Entwicklungen in der Arbeitswelt ist, dass Personalabteilungen solche Kompetenzen, z.B. durch die Kindererziehung, immer mehr wertschätzen.
Wozu haben Sie zuletzt Nein gesagt?
Zu zig Angeboten – Jobs, Collabs, Einladungen. Nein sagen ist eine Zukunftskompetenz. Nicht nur wegen der Fülle an Inhalten auf Social Media, automatisierter Software-Tools oder der KI, die noch so einen tollen Vorschlag hätte. Im Job trägt Grenzen setzen zur psychischen Gesundheit bei, aber auch zu einer wertschätzenden Teamkultur. Trotzdem bin ich nicht so gut darin. Als Frau möchte ich ja, dass es allen gut geht, alles erledigt ist und ich möglichst allen gefalle.
Welche (sozialen) Netzwerke nutzen Sie?
Ich nutze LinkedIn als mein Slack mit der Welt. Für mich ist es eine Kollaborations-Plattform. Darüber hinaus bin ich auf Tech-Plattformen aktiv, wie Reddit und Substack. Ich liebe es, von anderen zu lernen.
Arbeitnehmer sind dann gut, wenn …
… sie authentisch sind. Arbeitsbeziehungen sind Beziehungen und es fällt uns Führungskräften schwer, diese einseitig zu gestalten. Für eine gute Kommunikation ist beidseitig Ehrlichkeit nötig, der Mut, man selbst zu sein sowie eine professionelle Haltung.
Welche Themen stehen in den nächsten Monaten auf Ihrer Agenda?
Mein Buch ist im September erschienen, seitdem bin ich auf Buch-Tour. Ich hoffe, möglichst viele Menschen für die Kraft der Gemeinschaft zu begeistern.
Was bedeutet Arbeit für Sie?
Arbeit ist für mich Probleme lösen. Ich unterscheide Elternsein, Unternehmertum oder einen Angestelltenjob nicht. Es ist alles, wie wir die Welt gestalten.
Welche Eigenschaft schätzen Sie besonders an anderen Menschen?
Haltung! Menschen, die zu ihren Worten und Taten stehen, sind interessante Gesprächs- und Geschäftspartner, auch wenn sie mal anstrengend sind.
Wie haben sich Ihre Ziele im Laufe Ihres Lebens verändert?
Ich bin sehr intuitiv und glaube an die Kraft des Unbewussten. Meine Ziele ergeben sich organisch. Was sich aber verändert hat, ist, wie ich Erfolg messe. Produktiv bedeutet für mich heute nicht nur beschäftigt zu sein, sondern im Hier und Jetzt sein. Nach dem Feierabend ist es das Gassigehen mit dem Hund, im Urlaub ist es meine Erholung.
Womit würden Sie sich gern richtig gut auskennen?
Mit Programmierung. Als Unternehmerin bin ich schon sehr lange weg vom Tech und ärgere mich manchmal, dass ich für Kleinigkeiten auf andere angewiesen bin. Wenn ich etwas über Nacht lernen könnte, dann das.
Auf welche Rituale könnten Sie nicht verzichten?
Büroküchen-Gespräche! Für mich gehören diese fest zur Arbeit dazu und sorgen für eine gute Teamkultur. Ohne diesen Austausch wäre Arbeit nur ein Job.
Was steht schon lange auf Ihrer Bucketlist und warum haben Sie es noch nicht getan?
Seit meinem Burnout mache ich keine Bucketlists mehr, sondern genieße jeden Tag, wie er kommt.
Wovon sind viele begeistert oder überzeugt, Sie jedoch nicht?
Von flachen Hierarchien. Ich habe mit Unternehmen mit wenig Struktur nur schlechte Erfahrungen gemacht. Dagegen halte ich viel von zwischenmenschlichen Beziehungen, die sowohl in Hierarchien als auch im agilen Kontext florieren können. Für mich ist die Unternehmenskultur die neue Hierarchie.
Wen würden Sie gern einmal treffen?
Ich würde gern Jacinda Ardern treffen. Ihre Art, in turbulenten Zeiten mit Empathie und Entschlossenheit zu führen, ist sowohl inspirierend als auch wegweisend.
Welches Buch muss mit in Ihren Urlaub?
Gerade lese ich „How the world really works“ von Vaclav Smil, doch in den Urlaub nehme ich Jon Fosses „Der andere Name“ mit. Ich reise nämlich demnächst in die Heimat des Nobelpreisträgers – Norwegen.
Wer war für Sie die einflussreichste Person in Ihrem Leben?
Meine Mutter. Ich kam zur Welt, als sie mit dem Studium anfing. Von ihrer Lebenseinstellung schöpfe ich jeden Tag und versuche, selbst das Vorbild für meine Töchter zu sein. Das ist ein Grund, warum ich Unternehmerin geworden bin, aber mich auch für andere einsetze. Ich möchte, dass es für sie Normalität ist, in Gemeinschaften zu denken und für andere da zu sein.
Verraten Sie uns Ihr Lebensmotto?
Ich muss gar nichts! Darüber habe ich ja ein ganzes Buch geschrieben.
Dr. Tina Ruseva
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Studie zur fairen Arbeitswelt
In einer Zeit, in der sich viele Arbeitnehmer ihren Job aussuchen können, rückt das Thema Fairness in den Fokus. Ob ein
Wären Sie nicht Personalerin geworden, was dann?
Puh
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Ich wäre wahrscheinlich Vertrieblerin. Die Themen Personal/Rekrutierung, Beratung und
Warum haben Sie sich für Ihren Beruf entschieden?
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