Vor dem LAG Düsseldorf stritten die Parteien über die Vergütung von Notdienstzeiten ohne aktive Tätigkeit.
Der Kläger war als Kundendiensttechniker zu einem Stundenlohn von 20,75 Euro brutto beschäftigt. Nach seinem Ausscheiden forderte er die Vergütung von 126 Stunden je Notdienstwoche, insgesamt 25.979 Euro brutto. Er vertrat die Ansicht, dass es sich bei den von ihm geleisteten Notdiensten um Bereitschaftsdienste gehandelt habe. Er sei verpflichtet gewesen, sich arbeitsfähig, also nüchtern zu halten und innerhalb einer Stunde an jedem möglichen Einsatzort in Mönchengladbach seine Tätigkeit aufzunehmen. Nach dem Routenplaner dauerte die Fahrt zum Betrieb ca. 30 Minuten. Der Arbeitgeber hatte für die Notdienste lediglich eine Pauschale in Höhe von 50 Euro netto pro Notdienstwoche gezahlt.
Die Klage war in beiden Instanzen nicht erfolgreich. Entscheidend war die Einordnung der Notdienste als Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft. Bereitschaftsdienst ist nicht nur arbeitsschutzrechtlich Arbeitszeit, sondern auch vergütungspflichtige Arbeit i.S. d. § 611a Abs. 2 BGB. Dazu zählt nach ständiger Rechtsprechung des BAG eine vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz oder einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann, er weder eine Pause noch Freizeit hat. Hingegen ist Rufbereitschaft dadurch gekennzeichnet, dass der Arbeitnehmer nicht gezwungen ist, sich am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, sondern unter freier Wahl des Aufenthaltsortes lediglich jederzeit erreichbar sein muss, um auf Abruf die Arbeit alsbald aufnehmen zu können. Rufbereitschaft erlaubt dem Arbeitnehmer grundsätzlich die Gestaltung seiner an sich arbeitsfreien Zeit. Er kann sich während der Rufbereitschaft um persönliche und familiäre Angelegenheiten kümmern, an sportlichen und kulturellen Veranstaltungen teilnehmen und sich mit Freunden treffen. Er darf sich lediglich nicht in einer Entfernung vom Arbeitsort aufhalten, die dem Zweck der Rufbereitschaft zuwiderläuft. Liegt Rufbereitschaft vor, handelt es sich auch vergütungsrechtlich nicht um vergütungspflichtige Arbeitszeit. Rufbereitschaft kann gesondert aufgrund einer tarifvertraglichen, betrieblichen oder Individualvereinbarung der Parteien vergütet werden, muss sie aber nicht. Keine Rufbereitschaft, sondern Bereitschaftsdienst liegt vor, wenn die Zeit zwischen Abruf und Arbeitsaufnahme so kurz bemessen ist, dass der Arbeitnehmer faktisch den Aufenthaltsort nicht mehr frei bestimmen kann. Dies wurde vom BAG bei einer Zeitvorgabe von zehn bis 20 Minuten bejaht, bei einer Zeitvorgabe von 25 bis 30 Minuten jedoch verneint. Da die Fahrtstrecke nach dem Routenplaner lediglich ca. 30 Minuten bis zum Betrieb betrug, sah das Gericht keine Veranlassung, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abzuweichen. Hinzu kam, dass die Heranziehungsquote des Klägers für tatsächliche Notdienste lediglich 0,66 % betrug, sodass er während der Notdienstwochen seine Freizeit überwiegend nicht für Arbeitszwecke opfern musste (LAG Düsseldorf, Urt. v. 16.4.2024 – 3SLa10/24, rk.).
#ArbeitsRechtKurios: Amüsante Fälle aus der Rechtsprechung deutscher Gerichte - in Zusammenarbeit mit dem renommierten Karikaturisten Thomas Plaßmann (Frankfurter Rundschau, NRZ, Berliner Zeitung, Spiegel Online, AuA).
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