Nichtamtliche Orientierungssätze des BAG aus einem Urteil vom 25.4.2023 (9 AZR 187/22):
„Einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Fortbildung zu beteiligen hat, wenn er diese nicht beendet, sind grundsätzlich zulässig. Sie benachteiligt den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen.“
Allerdings:
„Es ist nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das wiederholte Nichtablegen der angestrebten Prüfung zu knüpfen, ohne die Gründe dafür zu betrachten. Jedenfalls praktisch relevante Fallkonstellationen, in denen die Gründe für die Nichtablegung der Prüfung nicht in der Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers liegen, müssen von der Rückzahlungspflicht ausgenommen werden.“
Im Streitfall hatten die Arbeitsvertragsparteien einen Fortbildungsvertrag abgeschlossen, dessen Ziel es war, dass der Arbeitnehmer das Steuerberatungsexamen erfolgreich ablegt. In § 5 der Vereinbarung ist u. a. geregelt, dass der Arbeitnehmer das in Anspruch genommene Förderbudget zurückzuzahlen hat, wenn er das Steuerberatungsexamen wiederholt nicht ablegt (§ 5 Ziff.3 der Vereinbarung).
Nach zutreffender Meinung des BAG führt diese Regelung des Fortbildungsvertrags zu einer unangemessenen Benachteiligung i.S. v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und ist daher unwirksam. Die Regelung knüpfe an das wiederholte Nichtablegen des Examens an, ohne in erforderlichem Maß danach zu differenzieren, aus welchen Gründen eine Teilnahme an der Prüfung nicht erfolgt ist.
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Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, soweit er die Fortbildung nicht beendet, sind grundsätzlich zulässig. Sie benachteiligen den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen.
Allerdings können Rückzahlungsverpflichtungen, die an ein wiederholtes Nichtablegen des angestrebten Examens anknüpfen, den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen. Da sie geeignet sind, auf den Arbeitnehmer einen Bleibedruck am bestehenden Arbeitsverhältnis auszuüben und damit das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG einzuschränken, muss einerseits die Rückzahlungsverpflichtung einem begründeten und billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen und andererseits den möglichen Nachteilen für den Arbeitnehmer ein angemessener Ausgleich gegenüberstehen. Insgesamt muss die Erstattungspflicht – auch dem Umfang nach – dem Arbeitnehmer nach den Geboten von Treu und Glauben zumutbar sein.
Danach ist es nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das wiederholte Nichtablegen der angestrebten Prüfung zu knüpfen, ohne die Gründe dafür zu betrachten. Entsprechend den Wertungen aus der Rechtsprechung des BAG zu Rückzahlungsklauseln aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers müssen jedenfalls praktisch relevante Fallkonstellationen, in denen die Gründe für die Nichtablegung der Prüfung nicht in der Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers liegen, von der Rückzahlungspflicht ausgenommen werden.
Ausgehend von diesen Grundsätzen erweist sich § 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrags als unangemessen benachteiligend i.S. v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und ist daher unwirksam.
Dr. jur. Günter Schmitt-Rolfes
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