Altersfreizeit
Der Kläger war bei der Beklagten mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie und der Industriegewerkschaft Bergbau Chemie Energie geschlossene Manteltarifvertrag (nachfolgend MTV) Anwendung. Dieser enthielt u. a. folgende Regelungen: „§ 2 Regelmäßige Arbeitszeit: Die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit an Werktagen beträgt ausschließlich der Pausen 37,5 Stunden. Für einzelne Arbeitnehmergruppen (…) kann eine bis zu 2,5 Stunden längere oder kürzere Arbeitszeit festgelegt werden. §2a Altersfreizeiten: Arbeitnehmer, die das 57. Lebensjahr vollendet haben, erhalten eine 2,5-stündige Altersfreizeit je Woche. Soweit für Arbeitnehmer (…) eine um bis zu 2,5 Stunden kürzere wöchentliche Arbeitszeit als regelmäßige tarifliche Arbeitszeit gilt, vermindert sich die Arbeitszeit entsprechend. Liegt die Arbeitszeit um 2,5 Stunden oder mehr unter der tariflichen Arbeitszeit, entfällt die Altersfreizeit.“ Die Parteien stritten um die Gewährung von Altersfreizeit. Das LAG Düsseldorf (Urt. v. 23.1.2019– 12 Sa 615/18) entschied, dass die Regelung in §2a MTV wegen einer unzulässigen Ungleichbehandlung von vollzeit- und teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unwirksam ist (§ 4 TzBfG i.V.m. § 134 BGB). Dazu führt es aus, dass Teilzeitbeschäftigte unterhalb der 35 Wochenstunden alleine und gerade wegen der Teilzeitbeschäftigung von der Altersteilzeit vollständig ausgeschlossen werden. Dies ist mit dem Diskriminierungsverbot des § 4 Abs. 1 TzBfG unvereinbar. Die Ungleichbehandlung ist nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt. Allein an die Dauer der Arbeitszeit kann insoweit nicht angeknüpft werden. Vielmehr hat sich die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung am Zweck der Gewährung von Altersfreizeit zu orientieren. Dieser liegt in der Entlastung älterer Arbeitnehmer durch eine Reduzierung der Arbeitszeit. Allerdings kann nicht davon ausgegangen werden, dass unterhalb einer gewissen Arbeitszeitschwelle eine Entlastung gänzlich entfallen kann, da sie nicht mehr erforderlich ist. Das würde voraussetzen, dass ab einer gewissen Schwelle eine qualitativ andere Belastung gegeben wäre, die bei Teilzeitbeschäftigten nicht einmal anteilig besteht. Dies würde erfordern, dass die Belastung der Arbeitnehmer mit steigender Wochenarbeitszeit nicht nur linear ansteigt. Ein solcher Erfahrungssatz besteht allerdings nicht. Darüber hinaus wirkt sich die Reduzierung der Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten durch die Altersfreizeit unmittelbar auf das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung aus. Wird die Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten nicht herabgesetzt und bleibt deren Arbeitsentgelt unverändert, so erhalten diese pro Arbeitsstunde ein geringeres Arbeitsentgelt als die Vollzeitbeschäftigten. Diese Ungleichbehandlung der Teilzeitbeschäftigten kann nur vermieden werden, wenn entweder deren Arbeitszeit entsprechend gekürzt wird oder ein entsprechend höheres Arbeitsentgelt gezahlt wird. Ein solches Wahlrecht hätte die vorhandene Ungleichbehandlung ausgleichen können.
Die zugelassene Revision ist beim BAG unter dem Az. 9 AZR 71/19 anhängig.
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