Das Phänomen der Arbeit im Homeoffice führt immer wieder zu rechtlichen und gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen Mitarbeitern und ihren Arbeitgebern.
Dies belegt auch wieder ein Fall, mit dem sich das ArbG Augsburg zu befassen hatte: Ein leitender Mitarbeiter leitete aus einem ärztlichen Attest vom 9.4.2020 einen Anspruch gegenüber seinem Arbeitgeber auf Erbringung seiner Tätigkeit an seinem Wohnsitz im Homeoffice her. Eine ausdrückliche ärztliche Anordnung, dass der Mitarbeiter aus gesundheitlichen Gründen nur im Homeoffice arbeiten dürfe, war jedoch ersichtlich aus dem Attest nicht herauszulesen.
§ 618 BGB
Das ArbG Augsburg entschied, es bestehe kein gesetzlicher Anspruch eines Arbeitnehmers auf Erbringung der Arbeitsleistung an einem Arbeitsplatz an seinem Wohnsitz in Form der Arbeit im Homeoffice. Es obliege allein dem Arbeitgeber, wie er seinen Verpflichtungen aus § 618 BGB gerecht werde und sie ermessensgerecht durch entsprechende Ausübung seines Leistungsbestimmungsrechts umsetzt, um das Ziel zu erreichen, den hausärztlichen Empfehlungen des Arbeitnehmers zu entsprechen (ArbG Augsburg, Urt. v. 7.5.2020 – 3 Ga 9/20).
Allerdings sei der Arbeitgeber aufgrund des ärztlichen Attests insoweit verpflichtet, die notwendigen und erforderlichen Schutzmaßnahmen zugunsten des Arbeitnehmers aufgrund § 618 BGB zu ergreifen, umso mehr eine entsprechende hausärztliche Empfehlung vorliegt. Dies könne nach der Entscheidung des ArbG Augsburg auch ein Büro mit mehreren Personen sein, wenn entsprechende Schutzvorkehrungen vorhanden sind.
Welches Krankheitsbild dem ärztlichen Attest zu entnehmen war, ist aus dem Sachverhalt leider nicht abzuleiten.
Arbeitsschutzverordnung
Anders ist die Rechtslage nunmehr aufgrund der aufgetretenen Corona-Pandemie zu beurteilen, da sich der Bundesminister für Arbeit und Soziales des Problems annahm: In der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom 21.1.2021 – in Kraft getreten am 27.1.2021 – ist in § 2 Abs. 4 geregelt:
„Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen.“
Somit besteht nunmehr ein gesetzlicher Anspruch der Arbeitnehmer, im Homeoffice zu arbeiten, wenn die entsprechenden rechtlich vorgegebenen Voraussetzungen vorliegen. Allerdings tritt die o. g. Verordnung gem. ihrer ausdrücklichen Regelung in § 4 am 15.3.2021 außer Kraft, sofern die Regelung nicht verlängert wird. Würde also zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Homeoffice-Arbeit unter Bezugnahme auf die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung zugelassen, und zwar unter der Voraussetzung, dass die in der Verordnung gesetzten Bedingungen vorliegen, dürfte der gesetzliche Anspruch auf Arbeit im Homeoffice auch mit dem 15.3.2021 enden.
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Befristung
Besteht ein solches gesetzliches Gebot aufgrund obigen Verordnungsrechts nicht, kann Telearbeit selbstverständlich vertraglich vereinbart werden. Hierbei kommt es jedoch darauf an, ob diese Veränderung, die ja eine Änderung des Arbeitsorts beinhaltet, nunmehr unbefristet gelten soll oder ob der Arbeitgeber die Beendigung der Telearbeit einseitig anordnen kann. Nach der vorliegenden Rechtsprechung ist dies allerdings problematisch: Eine Vereinbarung in allgemeinen Arbeitsbedingungen, welche die Beendigung einer vereinbarten alternierenden Telearbeit durch den Arbeitgeber voraussetzungslos ermöglicht und nicht erkennen lässt, dass dabei auch die Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind, ist wegen Abweichung von dem gesetzlichen Leitbild des § 106 Satz 1 GewO gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam (LAG Düsseldorf, Urt. v. 10.9.2014 – 12 Sa 505/14).
Soll die Telearbeit vom Arbeitgeber nicht unbefristet zugelassen werden, empfiehlt es sich deshalb, eine ausdrückliche vertragliche Befristungsabrede bzgl. der Telearbeit zwischen den Arbeitsvertragsparteien zu vereinbaren. Da der Arbeitsort nur eine der vertraglichen Arbeitsbedingungen ist, handelt es sich bei der Befristung von Telearbeit um die Befristung einer einzelnen Arbeitsbedingung (vgl. hierzu Schmitt-Rolfes: Befristung einzelner Arbeitsbedingungen, in: Maschmann/Sieg/Göpfert, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 3. Aufl., München: Verlag C. H. Beck, 2020, Kap. 220, S. 634.).
Nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung des BAG findet das TzBfG auf die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen keine Anwendung, da sich das TzBfG Kraft seiner ausdrücklichen Formulierung auf die Regelung der Befristung des ganzen Arbeitsverhältnisses beschränkt (zuletzt BAG, Urt. v. 25.4.2018 – 7 AZR 520/16). Es findet vielmehr eine Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB statt, sofern die Voraussetzungen vorliegen, d. h. also, wenn die Befristungsabrede zwischen den Parteien nicht frei ausgehandelt ist, sondern vom Arbeitgeber vorformuliert gestellt wurde (BAG, Urt. v. 25.4.2018 – 7 AZR 520/16).
Im Übrigen handelt es sich bei einem beabsichtigten Widerruf der alternierenden Telearbeit um eine Versetzung im Sinne von §§ 99 Abs. 1, 95 Abs. 3 BetrVG, die der Zustimmung des Betriebsrats bedarf (LAG Köln, Beschl. v. 14.8.2020 – 9 TaBV 11/20).
Dr. jur. Günter Schmitt-Rolfes
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