Bevor man sich mit einer Regelung über Arbeit auf Abruf befasst, lohnt ein Blick in die gesetzliche Regelung über die Grundsätze des Arbeitsvertrags. Dazu bestimmt § 611a BGB:
„Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen.“ (§ 611a Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB)
Die soeben genannten Parameter können natürlich nicht nur durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers, sondern auch durch eine konkrete verbindliche arbeitsvertragliche Regelung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer konkretisiert werden. Dies gilt insbesondere für den zeitlichen Umfang und die zeitliche Lage der Arbeitszeit des Arbeitnehmers.
Das Gesetz ermöglicht jedoch bzgl. des zeitlichen Umfangs und der zeitlichen Lage der Arbeitszeit eine gewisse Flexibilität durch das Institut der „Arbeit auf Abruf“ gem. § 12 Abs. 1 und 2 TzBfG. Danach können Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf).
Das Buch geht auf die realen Arbeitssituationen, die im Umbruch sind, ein und zeigt sowohl arbeitsrechtliche Herausforderungen als auch erste, bereits in der Unternehmenspraxis umgesetzte Lösungsansätze auf.
Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine solche Abrufarbeit, müssen sie gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG arbeitsvertraglich eine bestimmte Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit festlegen. Unterlassen sie dies, schließt § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG diese Regelungslücke, indem kraft Gesetzes eine Arbeitszeit von 20 Wochenstunden als vereinbart gilt. Eine davon abweichende Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nur dann angenommen werden, wenn die Fiktion des § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG im betreffenden Arbeitsverhältnis keine sachgerechte Regelung ist und objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer hätten bei Vertragsschluss bei Kenntnis der Regelungslücke eine andere Bestimmung getroffen und eine höhere oder niedrigere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit vereinbart (BAG, Urt. v. 18.10.2023 – 5AZR22/23, Anm. d. Red.: vgl. hierzu auch die ausführliche Besprechung im AuA-Podcast „Kurz gefragt“ vom 30.11.2023).
Wird die anfängliche arbeitsvertragliche Lücke zur Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit bei Beginn des Arbeitsverhältnisses durch die gesetzliche Fiktion des § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG geschlossen, können die Parteien in der Folgezeit ausdrücklich oder konkludent eine andere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit vereinbaren.
Dafür reicht aber das Abrufverhalten des Arbeitgebers in einem bestimmten, lange nach Beginn des Arbeitsverhältnisses liegenden und scheinbar willkürlich gegriffenen Zeitraum nicht aus. Allein dem Abrufverhalten des Arbeitgebers kommt ein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert dahingehend, er wolle sich für die Zukunft an eine von § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG abweichende höhere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit binden, nicht zu.
Ebenso wenig rechtfertigt allein die Bereitschaft des Arbeitnehmers, in einem bestimmten Zeitraum mehr als nach § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG geschuldet zu arbeiten, die Annahme, der Arbeitnehmer wolle sich dauerhaft in einem höheren zeitlichen Umfang als gesetzlich vorgesehen binden (BAG, Urt. v. 18.10.2023 – 5 AZR 22/23).
Dr. jur. Günter Schmitt-Rolfes
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