„Arbeitgeber müssen Wege finden, altersgemischteTeams zu formen“

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 Bild: fidaolga/stock.adobe.com
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Generationenkonflikte beschäftigen zahlreiche Betriebe. Arbeitsrechtliche Aspekte des demografischen Wandels haben weitreichende Folgen und Arbeitgeber müssen hier innerhalb des gesetzlichen Rahmens bestmögliche Lösungen finden, damit Generationenkonflikte möglichst gar nicht erst entstehen. Wie alt oder jung darf/muss eine Belegschaft sein?

Franzmann: Spitzen wir es für den weiteren Verlauf der Debatte zu: DasKSchG benennt als Kriterien der Sozialauswahl im Rahmen betriebsbedingter Kündigungen das Lebensalter und die Dauer der Betriebszugehörigkeit. Beide spielen dem älteren Arbeitnehmer in die Hand. Sollte das Arbeitsrecht diese Konflikte künftig anders lösen? Ich meine nein, im Rahmen von Austauschbarkeit – das Bundesarbeitsgericht spricht von Substituierung – verdient die Seniorität den höheren Schutz, und zwar aus zwei gegensätzlichen Gründen: Zukunftsbezogen wegen schlechterer Chancen auf dem Arbeitsmarkt, vergangenheitsbezogen wegen gelebter Loyalität.

Lelley: Die Altersstruktur eines Unternehmens ist kein Zufall, sondern das Ergebnis strategischer Personalplanung. Ich spreche hier natürlich über einen Idealfall, der ist aber, Gott sei Dank, in der Praxis gar nicht so selten. Gesetzliche Vorgaben setzen dabei einige Eckpfeiler: Das Kündigungsschutzgesetz gewichtet das Alter und die Betriebszugehörigkeit bei der Sozialauswahl stark, was ältere Arbeitnehmer schützt. Gleichzeitig setzt das AGG klare Grenzen, wenn es um altersbedingte Diskriminierung geht. Es gibt hier also schon eine bestimmte rechtliche Schlagseite zugunsten älterer Arbeitnehmer. Und was auch richtig ist: Ein Betrieb braucht eine gesunde Mischung. Während Erfahrung und Loyalität wertvoll sind, sind Innovationskraft und Anpassungsfähigkeit entscheidend für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens. Arbeitgeber müssen daher Wege finden, altersgemischte Teams zu formen – ohne sich in arbeitsrechtliche Fallen zu manövrieren. Ich frage mich, ob wir hier die richtigen gesetzlichen Rahmenbedingungen haben.

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gestalten einen möglichen Konflikt der Generationen?

Franzmann: Neben der Sozialauswahl nach dem KSchG ist das Alter als Diskriminierungsmerkmal in § 1 AGG aufgezählt, § 14 Abs. 1 TzBfG erlaubt die sachgrundlose Befristung älterer Arbeitnehmer ab dem 52. Lebensjahr für fünf Jahre, § 10 AltersteilzeitG erhöht das Arbeitslosen- und Krankengeld und § 41 SGB VI hält lapidar fest, dass das Erreichen des Rentenalters kein Kündigungsgrund ist. Auch tariflich haben wir eine Fülle von Vorschriften, die über das Tatbestandsmerkmal Betriebszugehörigkeit mittelbar und das Lebensalter unmittelbar gestalten, seien dies die jeweiligen Endstufen in den Vergütungsgruppen oder die erhöhte Anzahl von Arbeitsbefreiungen bis zum altersbedingten Abgruppierungsschutz bei Restrukturierungsmaßnahmen.

Lelley: Die rechtlichen Rahmenbedingungen bieten sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Das KSchG, AGG, das TzBfG usw. Darauf hat Herr Franzmann schon zurecht hingewiesen. Dazu kommen tarifliche Regelungen, die oft, an sich fast immer, senioritätsbasierte Vergütungen oder Abfindungsregelungen bei Restrukturierungen vorsehen. Aber: Arbeitgeber müssen diesen rechtlichen Rahmen aktiv gestalten. Entscheidend ist eine vorausschauende Personalpolitik, die generationenübergreifende Teams fördert, ohne dass rechtliche Hemmnisse zum Hindernis werden.

Wie verträgt sich diese Rechtslage mit der Notwendigkeit, junge Arbeitnehmer und dadurch frisches Wissen für die Betriebe zu generieren?

Franzmann: Ich räume ein, auf den ersten Blick ist das ein schwieriges Unterfangen. Aber nur auf den ersten; als Praktiker weiß ich, dass Lösungen gefunden werden. In den 90er-Jahren des letzten Jahrtausends wurde vor einer „Vergreisung der Belegschaft“ gewarnt und § 1Abs. 3Satz 2 KSchG um die Passage „zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes“ angereichert. Damit wurde der Arbeitgeberseite eine weitere Spielwiese eröffnet, die Sozialauswahl zu ihren Gunsten zu gestalten. Wenn überhaupt, hätte ich einen gewissen Sinn darin gesehen, diese Textpassage im Rahmen von Massenentlassungen in Abs. 5 von § 1 KSchG zu verorten und auch dort wäre sie überflüssig, da Vorruhestandsmodelle im Rahmen von Betriebsänderungen in meiner Beratungspraxis probate Mittel sind, Betriebe (über-)lebensfähig zu halten.

Lelley: Die Rechtslage macht es nicht einfach, eine dynamische Altersstruktur zu steuern. Die Klausel in § 1Abs. 3Satz 2 KSchG zur „Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur“ ist aus meiner Sicht in der Praxis für viele Unternehmen entweder nur ein Papiertiger oder sogar ein nicht zu kalkulierendes rechtliches Risiko. Der Schlüssel liegt in der strategischen Personalentwicklung. Unternehmen müssen gezielt in Nachwuchsförderung investieren, durch Ausbildungsprogramme, duale Studiengänge und gezielte Talentförderung. Gleichzeitig braucht es Maßnahmen, um den Wissenstransfer zwischen den Generationen sicherzustellen. Denn eine bloße Verjüngung ist nicht die Lösung – das Zusammenspiel von Erfahrung und frischem Wissen ist es.

Spitzen wir es weiter zu: Sticht das Lebensalter die Qualifikation?

Franzmann: Das klingt ja gerade so, als schlösse ein zunehmendes Alter die Qualifikation aus. Ein gut geführter Betrieb stellt sich breit auf und dazu gehört, das vorhandene Humankapital fit für die Gegenwart und Zukunft zu halten, Stichworte sind Gesundheitsmanagement und Qualifikation. Je weniger belastend Arbeit ist, desto besser und länger kann ich sie verrichten. Und belastend ist selbstverständlich das Gefühl, den Anforderungen nicht zu genügen. Hier bedarf es einer Unternehmenskultur des lebenslangen Lernens. Andererseits: Ja, ich will nicht verhehlen, dass IKT und insbesondere die KI jüngeren Menschen oftmals leichter von der Hand gehen und festgestellte Eignungsmängel schwerlich einer gerichtlichen Überprüfung im Rahmen einer personenbedingten Kündigung standhalten.

Lelley: Ein klares Nein! Qualifikation ist das entscheidende Kriterium. Und während ältere Arbeitnehmer oft über wertvolle Erfahrungswerte verfügen, sind aktuelle Fachkenntnisse in vielen Branchen das Zünglein an der Waage. Gerade in technologiegetriebenen Bereichen kann das Beharren auf Seniorität zum Wettbewerbsnachteil werden. Daraus folgt für die Praxis: Unternehmen müssen frühzeitig in Qualifikationsmanagement investieren – unabhängig vom Alter der Belegschaft. Ein betriebliches Weiterbildungsprogramm ist der beste Schutz davor, dass Alter versus Qualifikation überhaupt zur Debatte steht.

Zum Schluss: Wie soll der Slogan lauten: Jung oder Alt oder Jung und Alt?

Franzmann: Es nützt ja nichts, wir brauchen einander. Und wenn ich mir die aktuelle wirtschaftliche Situation betrachte: mehr denn je! Die Babyboomer gehen in Rente und die ist jetzt schon unterfinanziert, von der Pflege bei gestiegener Lebenserwartung ganz zu schweigen. Ältere Beschäftigte genießen Schutz und wenn sie sich ihn durch ihr Vorbild, ihr tiefes Wissen über betriebliche Abläufe und ihr Netzwerk ohne Besserwisserei gegenüber der Jugend täglich verdienen, entsteht besagter Konflikt erst gar nicht.

Lelley: Ganz klar: Jung und Alt! Unternehmen, die langfristig erfolgreich sein wollen, brauchen beide Gruppen. Der Fachkräftemangel zwingt dazu, ältere Arbeitnehmer länger in den Betrieben zu halten, gleichzeitig müssen junge Talente gefördert werden. Erfolgreiche Personalstrategien setzen auf durchmischte Teams: Senior-Experten-Programme, Reverse-Mentoring, flexible Arbeitsmodelle und individuelle Karrierepfade sorgen dafür, dass verschiedene Altersgruppen voneinander profitieren. Gute Arbeitgeber schaffen Rahmenbedingungen, die ein produktives Miteinander ermöglichen – denn die Zukunft gehört den Teams, die die Stärken aller Generationen nutzen.

Dr. Jan Tibor Lelley

Dr. Jan Tibor Lelley
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner, BUSE, Frankfurt am Main

Armin Franzmann

Armin Franzmann
Fachanwalt für Arbeitsrecht
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„Arbeitgeber müssen Wege finden, altersgemischteTeams zu formen“
Seite 42 bis 43
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