Arbeitszeitverkürzung vs. Kurzarbeit

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Bild: pixabay.com
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Die Corona-Pandemie hat die deutsche Wirtschaft hart getroffen. Insbesondere in der Automobilindustrie wurde zu Beginn der Krise mit einem­ gravierenden Einbruch der Produktion gerechnet. Es sind Lösungen gefragt, um einen möglicherweise langfristigen Markteinbruch zu überstehen. Wie das funktionieren kann, haben wir Martina Hidalgo, Rechtsanwältin und Fachanwäl­tin für Arbeitsrecht, Partnerin bei CMS am Standort Berlin, gefragt.

Ist derzeit eine Arbeitszeitverkürzung die bessere Alternative zur Kurzarbeit?
Die Arbeitszeitverkürzung bei entsprechenden Lohneinbußen kann ebenso wie die Streichung von Vergütungsbestandteilen zu Einsparungen im Unternehmen führen, die den Erhalt von Arbeitsplätzen sichern. Im Gegensatz zur Kurz­arbeit ist eine generelle Arbeitszeitverkürzung zudem nicht zeitlich auf 24 Monate begrenzt. Außerdem entfällt die gesonderte Gehaltsabrechnung, und auch sonst ist ein Betrieb außerhalb der Kurzarbeit viel flexibler, um auf Auftragsschwankungen zu reagieren. Allerdings werden die Lohneinbußen bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbei­tern außerhalb der Kurzarbeit nicht partiell durch Kurzarbeitergeld aufgefangen. Ob die generelle Arbeitszeitverkürzung deshalb die bessere Alternative zur Kurzarbeit ist, lässt sich nicht allgemein beantworten. Für manche Mitarbeiter ist es sicherlich attraktiv, weniger zu arbeiten, auch wenn sie weniger verdienen. Soweit der Arbeitgeber jedoch keine Kompensationszahlungen leistet, müssen sich die Mitarbeiter dieses Modell leisten können.

Was sind die Voraussetzungen?
Es muss – wenn durch die Maßnahme Arbeitsplätze gesichert werden sollen – Solidarität der Mitarbeiter untereinander vorhanden sein, damit­ Einschnitte in der Vergütung akzeptiert werden. Im Vergleich zu reinen Vergütungsabsenkungen, die auf freiwilliger Basis häufig scheitern, hat die Reduzierung der Arbeitszeit jedoch den Vorteil, dass der Mitarbeiter mehr Freiraum für sein Privatleben, aber auch für eine eventuelle Nebentätigkeit bekommt, um die finanziellen Einbuße auszugleichen.

Wie gehen Arbeitgeber rechtlich vor?
Wer dauerhaft die Arbeitszeit absenken möchte, muss dies mit der zuständigen Gewerkschaft und/oder jedem einzelnen Mitarbeiter beziehungsweise jeder einzelnen Mitarbeiterin vereinbaren. Einseitig könnte der Arbeitgeber nur im Wege der Änderungskündigung handeln, was rechtlich außerhalb einer Insolvenznähe so gut wie ausgeschlossen sein dürfte und jedenfalls Vorlauf benötigt, da darin eine interessenausgleichs- und sozialplanpflichtige Betriebsänderung liegen dürfte.

Was raten Sie Arbeitgebern zur Vorbereitung der Maßnahmen?
Unabhängig von bestehenden Mitbestimmungsrechten sollte der Betriebsrat in jedem Fall einbezogen sein. Solche Modelle „fliegen“ nur, wenn alle an einem Strang ziehen. Außerdem bedarf es wie immer einer sorgfältigen Analyse im Vorfeld, welche Kosteneinsparungen erforderlich sind und wie viel die Mitarbeiter realistischerweise beitragen könnten. Wenn die Maßnahme zum Beispiel befristet werden kann, findet sie möglicherweise größere Akzeptanz als eine unbefristete Absenkung der Arbeitszeit. Aber auch das hängt vom jeweiligen Betrieb und den Interessenlagen ab: Je besser verdient wird und/oder je höher die Freizeitpräferenz ist, desto eher wird die Absenkung der Arbeitszeit auch über einen längeren oder unbefristeten Zeitraum gelingen.

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Redaktion (allg.)

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Seite 622
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