In der Filiale eines Textilunternehmens besteht ein siebenköpfiger Betriebsrat. Dieser hält regelmäßig dienstags seine Sitzungen ab. Am 10.1.2022 stellte die Betriebsratsvorsitzende fest, dass einige Betriebsratsmitglieder wegen Krankheit verhindert sind. Sie verlangte daraufhin vom Filialdirektor, ein nachrückendes Betriebsratsmitglied bei der Personaleinsatzplanung zu berücksichtigen. Darauf teilte der HR-Referent per E-Mail Folgendes mit: „Euren PEP-Änderungen können wir leider nicht zustimmen. Für eine Beschlussfassung des Betriebsrats ist es nicht notwendig, dass ihr zu 7 tagt. Für die Beschlussfähigkeit reicht eine einfache Mehrheit aus.“ Der Betriebsrat rügte daraufhin die Störung der Betriebsratsarbeit und forderte die Arbeitgeberin zur Unterlassung auf. Es folgten weitere Vorfälle, in denen der Filialdirektor die Teilnahme von Betriebsratsmitgliedern an Sitzungen ablehnte mit der Androhung, diesen Tag als abwesend zu betrachten. Konkret untersagte er einzelnen Betriebsratsmitgliedern das Verlassen der Filialfläche unter Androhung der Kürzung der Vergütung. Der Betriebsrat beantragte daraufhin vor dem Arbeitsgericht, der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, Betriebsratsmitgliedern oder nachrückenden Ersatzmitgliedern unter Androhung einer Gehalts- oder Stundenkürzung zu untersagen, an einer Sitzung des Betriebsrats teilzunehmen.
Das LAG München gab dem entsprechenden Unterlassungsantrag statt (LAG München, Beschl. v. 1.8.2023 – 7 TaBV 17/23). Nach § 78 Satz 1 BetrVG dürfen die Mitglieder des Betriebsrats in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden. Das Gericht entschied, dass der geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen der Behinderung der Arbeit der Mitglieder des Betriebsrats bzw. der Ersatzmitglieder begründet ist. Der Begriff der Behinderung ist umfassend zu verstehen. Er umfasst jede unzulässige Erschwerung, Störung oder gar Verhinderung der Betriebsratsarbeit. Ein Verschulden oder eine Behinderungsabsicht des Störers ist nicht erforderlich. Dem Betriebsrat steht bei einer Störung oder Behinderung seiner Arbeit durch den Arbeitgeber ein Unterlassungsanspruch zu, auch wenn dieser nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist. Die Repräsentanten der Arbeitgeberin hatten die Betriebsratsarbeit dadurch zu behindern versucht, dass bereits im Vorfeld die Teilnahme von Mitgliedern oder nachrückenden Ersatzmitgliedern durch Androhung von Gehalts- oder Stundenkürzungen verhindert werden sollte. Die Teilnahme des Betriebsratsmitglieds an den einzelnen Sitzungen ist dessen betriebsverfassungsrechtliche Pflicht. Der Betriebsrat bestimmt allein, wann und wie oft er tagt. Er hat der Arbeitgeberin lediglich Ort und voraussichtliche Dauer der beabsichtigten Betriebsratstätigkeit mitzuteilen, weitere Angaben zur Art der Betriebsratstätigkeit können nicht verlangt werden. Die angekündigte Sanktionierung mit Stunden- oder Gehaltskürzung zielte eindeutig darauf ab, die Teilnahme an den Sitzungen zu verhindern oder zumindest zu erschweren. Es bestand auch eine Wiederholungsgefahr, weil die Arbeitgeberin betonte, dass es ihr erlaubt sein müsse zu beurteilen, ob eine Betriebsratssitzung erforderlich ist oder nicht. Eine solche Prüfungskompetenz steht ihr aber nicht zu. Damit begibt sich die für die Arbeitgeberin handelnde Person in die Gefahr, eine nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG strafbare Störung der Betriebsratsarbeit zu begehen. Das Gericht ließ die Rechtsbeschwerde zu.
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