Eine Verkäuferin war mit einem Kollegen, der einen schweren Karton auf der Schulter trug, im Verkaufsraum zusammengestoßen und erlitt dadurch eine Prellung am Arm. Im Pausenraum kam es daraufhin zu einem Streitgespräch mit dem Kollegen, da sie erwartete, dass dieser sich bei ihr entschuldigte. Das lautstark geführte Wortgefecht gipfelte darin, dass sie dem Kollegen vorwarf, er habe keine Erziehung genossen, seine Eltern hätten ihm keinen Verstand beigebracht, er sei ein „Bastard“. Danach beschwerte sich die Mitarbeiterin bei der Teamleitung und forderte arbeitsrechtliche Konsequenzen gegenüber dem Kollegen. Wenige Monate vor dem Vorfall war die Klägerin abgemahnt worden wegen unangemessenen Verhaltens gegenüber Kunden und anderen Mitarbeitern. In der Abmahnung wies der Arbeitgeber darauf hin, dass er jegliche abfällige Äußerungen gegenüber Kollegen, Vorgesetzten und Kunden nicht dulden werde. Der Arbeitgeber hörte den Betriebsrat zu einer ordentlichen Kündigung der Verkäuferin an und gab dabei an, diese habe laut Lohnsteuerkarte ein unterhaltspflichtiges Kind und sei verheiratet. Die gegen die ordentliche Kündigung angestrengte Klage war in zweiter Instanz erfolglos (LAG Hamm, Urt. v. 20.1.2022 – 18Sa645/21, rk.).
Nach durchgeführter Beweisaufnahme war das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin den Arbeitskollegen als „Bastard“ beschimpft hatte. Grobe Beleidigungen von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, können eine fristgemäße oder fristlose Kündigung rechtfertigen. Mit dem Schimpfwort „Bastard“ hatte die Klägerin den Kollegen als unterwertigen Menschen von illegitimer Abstammung bezeichnet. Zuvor hatte sie ihm bescheinigt, er habe keine Erziehung genossen. Das stellt eine gravierende Ehrkränkung dar. Dass der Zusammenstoß mit dem Kollegen absichtlich geschah, hatte keine der Parteien vorgetragen. Vielmehr hatte die Klägerin selbst gesagt, es habe sich eine Kundin vor sie geschlängelt, sodass sie den Kollegen nicht sehen konnte. Selbst wenn die vorangegangene Abmahnung unwirksam sein sollte, konnte die Klägerin dieser entnehmen, dass sie sich im Interesse der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses eines angemessenen Umgangstons auch gegenüber Arbeitskollegen zu befleißigen hat. Das Gericht hielt auch die Betriebsratsanhörung für wirksam. Nach der Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 24.11.2005 – 2 AZR 514/04, AuA 8/06, S. 490) ist die Bezugnahme auf die Angaben, die sich aus der Steuerkarte des Arbeitnehmers ergeben, im Rahmen der Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht zu beanstanden. Sie stellt insbesondere keine unmittelbare Benachteiligung von Frauen dar.
Nach dem erfolgreichen Start im Jahr 2018 folgt nun der 2. Band!
Für das Buch #AllesRechtKurios hat der bekannte Juraprofessor Arnd Diringer wieder amüsante Fälle aus der Rechtsprechung deutscher Gerichte zusammengetragen.
Dr. Claudia Rid

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