Benachteiligung wegen Schwerbehinderung

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Bild: Heena_Rajput/stock.adobe.com
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Eine öffentlich-rechtliche Körperschaft hatte die Stelle „Stellvertretender Vorstandsvorsitzender (m/w/d)“ ausgeschrieben. Hierauf bewarb sich ein 61-jähriger ehemaliger Angestellter, der mit einem GdB von 30 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt war. Er erhielt eine Absage, ohne zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen worden zu sein. Auch der Personalrat oder die Schwerbehindertenvertretung wurden nicht beteiligt. Daraufhin klagte er auf eine Entschädigung in Höhe von über 40.000 Euro, da er wegen seiner Gleichstellung diskriminiert worden sei.

Das LG München I wies die Klage ab (Urt. v. 25.4.2023 – 11 O 14491/22). Das Gericht bejahte die Anwendbarkeit des AGG. Es ist gemäß § 6 Abs. 1 AGG auf Beschäftigte anwendbar, worunter gemäß § 6 Abs. 3 AGG auch Organmitglieder fallen. Hingegen verneinte das Gericht einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot wegen der Behinderung/Gleichstellung. Es gab keine Anhaltspunkte, weshalb die Gleichstellung für die Ablehnung des Klägers als Bewerber für die ausgeschriebene Stelle ausschlaggebend war. Zwar genügt der Bewerber seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Benachteiligung und Schwerbehinderung vermuten lassen. Allein der Nachweis, einer geschützten Gruppe anzugehören, genügt dafür jedoch nicht. Die Nichtbeachtung der Verfahrensvorschriften des SGB IX bei der Besetzung von Stellen (Nichteinladung zu einem Gespräch und Nichtbeteiligung von Personalrat und Schwerbehindertenvertretung) waren vorliegend unbeachtlich. Denn diese Verfahrensvorschriften sind nicht anwendbar.

Der Kläger hatte sich nicht auf einen Arbeitsplatz i. S. d. § 156 SGB IX beworben. Ein Arbeitsplatz setzt nach der Legaldefinition des § 156 Abs. 1 SGB IX voraus, dass ein Anstellungsverhältnis besteht und der Beschäftigte Arbeitnehmer ist. Die Stelle des Stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden ist kein Arbeitsplatz im Sinne dieser Vorschrift, da es sich beim Vorstandsvorsitzenden um eine Organstellung handelt. Der Vorstand nimmt Arbeitgeberfunktionen wahr. Die Vorschriften des SGB IX sollen zwar grundsätzlich die Teilhabe der Schwerbehinderten am Arbeitsleben erleichtern. Es handelt sich jedoch um eine gesetzgeberische Grundentscheidung, dass die Normen nur auf Arbeitsverhältnisse Anwendung finden sollen. Die Klage wurde daher abgewiesen.

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Benachteiligung wegen Schwerbehinderung
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