Berufliche Weiterbildung

Auf Kosten der Arbeitsagentur

Auf das Qualifizierungschancengesetz folgt das sog. Arbeit-von-morgen-Gesetz. Unter welchen Voraussetzungen kann eine Förderung in Anspruch genommen werden und welche Möglichkeiten bieten sich hier?

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Bild: Sergey Nivens/stock.adobe.com
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1 Fachkräftebedarf sichern

Die deutsche Wirtschaft steht vor strukturellen Herausforderungen. Die Digitalisierung aller Lebensbereiche verändert die Arbeitswelt massiv. Der Umbau zu einer emissionsarmen Industrie tut ein Übriges. Jahr für Jahr steigt die Zahl der Arbeitsplätze, die automatisierungsbedingt entfällt. Bei anderen werden sich die Anforderungsprofile entscheidend verändern. Betroffen sind nicht nur das verarbeitende Gewerbe, sondern ebenfalls die klimapolitisch relevanten Transformationsbereiche der Energie-, Bau- und Automobilwirtschaft. Auch der Fachkräftemangel ist in manchen Branchen und Regionen ein ernsthaftes Problem. Die richtigen Leute zu finden, wird immer schwieriger. Von daher macht es Sinn, rechtzeitig und umfassend in die Weiterbildung des vorhandenen Personals zu investieren, um so den Bedarf an Fachkräften langfristig zu sichern.

All dies hatte den Gesetzgeber bewogen, die berufliche Weiterbildung auch durch finanzielle Anreize anzukurbeln. Deshalb wurden die Fördermöglichkeiten Anfang 2019 deutlich ausgebaut. Mit dem am 1.1.2019 in Kraft getretenen Qualifizierungschancengesetz wurden vor allem Schulungsmaßnahmen für Beschäftigte, deren Arbeitsplätze durch den Strukturwandel bedroht waren, forciert unterstützt. Dazu erhielten die Unternehmen Arbeitsentgeltzuschüsse, die nach der Beschäftigtenzahl gestaffelt waren und sehr gut angenommen wurden. Die Zahl der geförderten Maßnahmen verdoppelte sich daraufhin. Mit dem vom Deutschen Bundestag am 23.4.2020 beschlossenen Gesetz zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung (BT-Drucks. 19/17740 und 19/18753), das zum 1.10.2020 bzw. 1.1.2021 in Kraft tritt (vgl. Art. 19 des Gesetzes, BGBl. I 1044, v. 28.5.2020) werden die Bestimmungen nun weiterentwickelt.

2 Voraussetzungen einer Förderung

Zentrale Vorschrift ist § 82 SGB III. Er wird hier jeweils in n. F. zitiert. Er betrifft die Förderleistung zur beruflichen Weiterbildung von Beschäftigten. Flankiert wird die Regelung durch neu gestaltete Vorschriften zur Förderung der Weiterbildung von Arbeitslosen (§ 81 SGB III) und von Beschäftigten in Transfergesellschaften (§ 111a SGB III), die aber nicht Gegenstand dieses Beitrags sind.

Damit eine Schulungsmaßnahme nach § 82 SGB III von der Arbeitsagentur bezuschusst werden kann, müssen maßnahmebezogene, betrieblich-berufliche sowie persönliche Voraussetzungen erfüllt sein.

1. Maßnahmenbezogene Voraussetzungen

Weiterbildungen können von der Arbeitsagentur unterstützt werden, wenn sie

  • Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln, die über ausschließlich arbeitsplatzbezogene kurzfristige Anpassungsfortbildungen hinausgehen,
  • außerhalb des Betriebs durchgeführt werden,
  • mehr als 120 Stunden dauern und
  • für die Förderung zugelassen sind.

Die vier in § 82 Abs. 1 SGB III genannten Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein. Förderfähig sind nur Schulungen, die inhaltlich über kurzfristige Anpassungsfortbildungen hinausgehen. Damit sollen Mitnahmeeffekte vermieden werden. Weiterbildungen am Arbeitsplatz können daher ebenso wenig finanziell unterstützt werden wie kurze Einweisungen aufgrund technischer Änderungen oder zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs (vgl. Fachliche Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zur Förderung der Weiterbildung v. 29.5.2020 – FW FbW – zu § 82 Ziff. 3.). Bildungsmaßnahmen, die der Arbeitgeber aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen durchführen muss (z. B. Schulungen zur Unfallverhütung nach den berufsgenossenschaftlichen Vorschriften oder zur Hygiene in Corona-Zeiten), können ebenfalls nicht gefördert werden (§ 82 Abs. 5 SGB III). Da für die Unterstützung des beruflichen Aufstiegs mit dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz – besser bekannt als „Meister-BAföG“ – ein eigenständiges Leistungssystem zur Verfügung steht, bedarf es keiner zusätzlichen Förderung nach dem SGB III (vgl. § 22 Abs. 1a SGB III). Das gilt außer für die „Meisterkurse“ auch für Techniker- und Fachwirtfortbildungen.

Der zu fördernde Kurs muss mindestens 120 Stunden dauern. Das entspricht einer ca. dreiwöchigen Vollzeitschulung. Vor der Novelle betrug die Mindestschulungszeit 160 Stunden. Viele Unternehmen hielten das schon damals für zu lang und schickten ihre Leute deshalb trotz Kurzarbeit und großzügiger Förderung nicht auf eine Schulung. Ob die Reduzierung der Mindestdauer um 20 % daran etwas ändert, bleibt abzuwarten. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hatte eine Mindestdauer von nur 80 Stunden gefordert. Jedenfalls muss die Weiterbildung mit einem Zeugnis abschließen, das Auskunft über den Inhalt des vermittelten Lehrstoffs gibt (§ 180 Abs. 2 Satz 1 SGB III).

Die geförderte Maßnahme muss überdies nach den §§ 179, 180 SGB III zugelassen sein. Das geschieht durch eine akkreditierte Zertifizierungsstelle (§ 177 SGB III). Die Einzelheiten sind in der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung (AZAV) geregelt. Das Zulassungsverfahren ist für Schulungen, die während einer Kurzarbeit durchgeführt werden sollen, eher ungeeignet. Zumeist konzipieren Bildungsträger ihre Angebote nämlich erst bei einem mittel- oder langfristig absehbaren Bedarf. Bei Kurzarbeit tritt der Schulungsbedarf aber nicht selten unvermittelt auf und muss dann innerhalb kürzester Zeit befriedigt werden. Die BDA hatte daher gefordert, bei Kurzarbeit von einer Maßnahmezertifizierung abzusehen, konnte sich mit diesem Vorschlag aber nicht durchsetzen: Zu groß waren wohl die Ängste, dass es zu Mitnahmeeffekten kommt. Diese sind freilich unbegründet, weil die Unternehmen die Schulungen im Regelfall kofinanzieren müssen. Es bleibt daher bei den strengen Zulassungsvoraussetzungen. Danach gilt: Schulungen können nur dann zertifiziert werden, wenn sie nach der Gestaltung ihrer Inhalte, der Methoden ihrer Vermittlung und der Lehrorganisation eine erfolgreiche Teilnahme erwarten lassen und sie angemessene Teilnahmebedingungen bieten. Zu planen und durchzuführen sind sie nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit. Die Maßnahmen müssen dabei sowohl im Hinblick auf ihre Kosten als auch auf ihre Dauer angemessen sein, d. h. sich auf den Umfang beschränken, der notwendig ist, um das Ziel der Maßnahme zu erreichen (§ 179 Abs. 1 SGB III). Ferner muss eine hinreichende räumliche, personelle und technische Ausstattung gewährleistet sein. Für die Prüfung, ob die Kosten angemessen kalkuliert sind, ist grundsätzlich eine Gruppengröße von zwölf Teilnehmern zugrunde zu legen (§ 3 Abs. 3 AZAV). Die Kosten einer Maßnahme sind angemessen, wenn sie sachgerecht ermittelt wurden und sie die von der Bundesagentur für Arbeit (BA) jährlich bestimmten Bundes-Durchschnittskostensätze für Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung (B-DKS) nicht unverhältnismäßig übersteigen. Für das Jahr 2020 sieht § 7 AZAV zwar eine einmalige Sockelanhebung der B-DKS um 20 % vor. Sie ist aber viel zu gering, weil die Sätze seit 2012 stagnieren, während sich allein der Mindestlohn in der Weiterbildung um ca. 33 % erhöht hat. Überdies sieht § 179 Abs. 2 Satz 1 SGB III n. F. eine Neuberechnung der B-DKS nun auch noch in einem Zweijahresrhythmus vor. Überschreiten die kalkulierten Kosten einer Bildungsmaßnahme die B-DKS um mehr als 25 %, bedarf die Förderung (zusätzlich) der Zustimmung der BA (§ 179 Abs. 2 Satz 2 SGB III n. F.). Das führt zu einer weiteren Verkomplizierung des Verfahrens.

Für die Förderung nach § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB III muss hinzukommen, dass das Ziel der Schulung entweder darin besteht,

  • berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten zu erhalten, zu erweitern, der technischen Entwicklung anzupassen oder einen beruflicher Aufstieg zu ermöglichen oder
  • einen beruflichen Abschluss zu vermitteln oder
  • die Weiterbildung in einem Betrieb, die zu einem solchen Abschluss führt, unterstützend zu begleiten oder
  • zu einer anderen beruflichen Tätigkeit zu befähigen (§ 180 Abs. 2 Satz 1 SGB III).

In keinem Fall gefördert werden Weiterbildungen mit nicht berufsbezogenen Inhalten sowie solche, die überwiegend Wissen vermitteln, das dem Bildungsziel der allgemeinbildenden Schulen entspricht (§ 180 Abs. 3 Satz 1 SGB III). Studiengänge an Hochschulen konnten bislang nicht berücksichtigt werden. Durch die Neufassung der Vorschrift können nun aber zumindest Anpassungsqualifizierungen bezuschusst werden, die Bestandteil berufsqualifizierender Studiengänge sind. Damit soll insbesondere die Möglichkeit geschaffen werden, in einem grundständigen Studium erworbene berufsfachliche Kompetenzen durch eine geförderte Weiterbildung zu erhalten, zu erweitern oder anzupassen. Ausgenommen von der Zulassung bleiben aber weiterhin berufsqualifizierende Studiengänge. Förderbar sind jedoch Maßnahmen, die auf den nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses vorbereiten oder die Grundkompetenzen vermitteln, die für den Erwerb eines Abschlusses in einem anerkannten Ausbildungsberuf erforderlich sind, oder die die Weiterbildung in einem Betrieb unterstützend begleiten, die zum Erwerb eines solchen Abschlusses führt (§ 180 Abs. 3 Satz 2 SGB III).

2. Betrieblich-berufliche Voraussetzungen

Eine zertifizierte Weiterbildung wird nur dann unterstützt, wenn auch die betrieblichen bzw. beruflichen Voraussetzungen gegeben sind. Hier sieht das Gesetz drei Alternativen vor.

a) Vom Strukturwandel betroffene Arbeitsplätze

Zunächst können Arbeitnehmer gefördert werden, deren Arbeitsplatz durch Digitalisierungs- und Automatisierungsprozesse bedroht ist oder die in sonstiger Weise vom Strukturwandel in einem Wirtschaftszweig betroffen sind. Die Größe des Betriebs spielt dabei keine Rolle. Vielmehr soll die Arbeitsagentur bei ihren Förderzusagen die unterschiedlichen Betriebsgrößen angemessen berücksichtigen (§ 82 Abs. 8 SGB III). Damit soll vermieden werden, dass sich die Förderung auf größere Betriebe konzentriert und die Klein- und Mittelunternehmen (KMU) leer ausgehen.

b) Engpassberufe

Ebenfalls gefördert werden können Arbeitnehmer, die eine Weiterbildung in einem Engpassberuf anstreben. Damit soll dem hohen Bedarf und den überdurchschnittlich guten Beschäftigungsmöglichkeiten in diesen Berufen Rechnung getragen werden.

Der Begriff „Engpassberuf“ ist gesetzlich nicht definiert. Von einem Engpass bei der Besetzung von freien Arbeitsstellen wird in der Arbeitsmarktforschung dann gesprochen, wenn eine Vakanz deutlich länger dauert als üblich oder wenn die Suche mangels Erfolgsaussichten ganz aufgegeben wird. Die Bundesagentur für Arbeit stellt die aktuelle Lage in halbjährlich herausgegebenen Fachkräfteengpassanalysen dar. Darin wird angegeben, in welchen Berufen aktuell Besetzungsschwierigkeiten auftreten und wie sich die Situation in den einzelnen Bundesländern gestaltet. Hauptkriterien für die Qualifikation als Engpassberuf sind die Dauer der Vakanz, die i. d. R. 40 % über dem Durchschnitt aller Berufe liegen muss, ferner dass auf 100 offene Stellen für Fachkräfte weniger als 200 Arbeitslose kommen und schließlich, dass die berufsspezifische Arbeitslosenquote unter 3 % liegt. In der Fachkräfteengpassanalyse vom Dezember 2019 zeigte sich bspw. ein Fachkräftemangel in einigen technischen Berufsfeldern, in den Bauberufen sowie in zahlreichen Gesundheits- und Pflegeberufen. Die Engpassanalyse stellt allerdings keine Prognose für die zukünftige Entwicklung dar. Es werden auch keine Quantifizierungen vorgenommen, die den Umfang des Mangels als absolute Zahl an „fehlenden“ Arbeitskräften ausdrücken.

c) Weiterbildung von schwerbehinderten und älteren Mitarbeitern in KMU

Zur Sicherung ihrer Beschäftigungsfähigkeit ist die Weiterbildung von schwerbehinderten und älteren Arbeitnehmern besonders wichtig. Sie soll durch höhere finanzielle Förderanreize vor allem in KMU gestärkt werden. Bereits vor Inkrafttreten des Qualifizierungschancengesetzes konnten in Betrieben mit weniger als 250 Beschäftigten die Kosten der Weiterbildung von über 45-Jährigen vollständig übernommen werden, und zwar selbst dann, wenn ihr Arbeitsplatz nicht vom Strukturwandel betroffen war und sie sich auch nicht in einem Engpassberuf weiterbilden lassen wollten. Daran hat das Qualifizierungschancengesetz nichts geändert. § 82 Abs. 1 Satz 4 SGB III stellt vielmehr klar, dass Arbeitnehmer auch dann gefördert werden können, wenn die Voraussetzungen nach § 82 Abs. 1 Satz 2, 3 SGB III nicht erfüllt sind. Zusätzlich können in diesen Betrieben nun auch die Weiterbildungskosten für schwerbehinderte Menschen i. S. d. § 2 Abs. 2 SGB IX vollständig übernommen werden. Damit wird an das Recht auf Arbeit und Beschäftigung aus Art. 27 UN-Behindertenrechtskonvention angeknüpft. Dieses verlangt von den Vertragsstaaten die Förderung der Beschäftigung, der Arbeitssuche, der Beschäftigungsfähigkeit und der Karrieremöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen zu sichern.

3. Persönliche Voraussetzungen

Um in den Genuss einer Förderung nach § 82 SGB III zu gelangen, muss auch die zu schulende Person bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Sie muss nämlich über einen Berufsabschluss verfügen, für den eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren vorgeschrieben ist. Dieser Abschluss muss i. d. R. mindestens vier Jahre zurückliegen (§ 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III). Außerdem darf die Person in den letzten vier Jahren vor Antragsstellung nicht an einer nach § 82 SGB III geförderten Bildungsmaßnahme teilgenommen haben (§ 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III). Für die Berechnung der Frist sind der Erwerb des Berufsabschlusses sowie der Tag der Antragstellung bzw. des leistungsbegründenden Ereignisses (Teilnahmebeginn) entscheidend. Erworben wird ein Berufsabschluss i. d. R. mit Bekanntgabe des Ergebnisses durch den Prüfungsausschuss (§ 21 Abs. 2 BBiG). In begründeten Einzelfällen kann von dieser Vierjahresfrist abgewichen werden (FW FbW zu § 82 Ziff. 3 Abs. 4).

Für geringer qualifizierte Arbeitnehmer kommt eine Förderung nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB III in Betracht. Nach dieser Vorschrift wird der nachträgliche Erwerb eines Berufsabschlusses durch die Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert, wenn der Betreffende

  • über keinen Berufsabschluss verfügt, für den eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist, oder
  • aufgrund einer mehr als vier Jahre ausgeübten Beschäftigung in einer an- oder ungelernten Tätigkeit eine seinem Berufsabschluss entsprechende Beschäftigung voraussichtlich nicht mehr ausüben kann,
  • für den angestrebten Beruf geeignet ist,
  • voraussichtlich erfolgreich an der Maßnahme teilnehmen wird und
  • mit dem angestrebten Beruf seine Beschäftigungschancen verbessert.

Arbeitnehmer ohne Berufsabschluss, die noch keine drei Jahre beruflich tätig waren, werden nur dann gefördert, wenn eine Berufsausbildung oder eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme aus einem in ihrer Person liegenden Grund nicht möglich oder nicht zumutbar ist oder wenn die Weiterbildung in einem Engpassberuf angestrebt wird (§ 81 Abs. 2 Satz 2 SGB III). Wird eine Weiterbildung nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB III gefördert, müssen die betrieblich-branchenmäßigen Voraussetzungen nach § 82 Abs. 1 SGB III nicht erfüllt sein.

3 Förderleistungen

Als Förderleistungen sieht das Gesetz die Übernahme von Weiterbildungskosten sowie Zuschüsse zum Arbeitsentgelt vor.

1. Übernahme der Weiterbildungskosten (§ 82 Abs. 2 SGB III)

Für die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter sind vorrangig die Arbeitgeber verantwortlich. Daher werden die Kosten von den Arbeitsagenturen grundsätzlich nur zum Teil übernommen. Das läuft auf eine Kofinanzierung hinaus. Sie sorgt dafür, dass nur solche Maßnahmen gefördert werden, die auch von den Unternehmen für sinnvoll erachtet werden. Die Zuschusshöhe ist dabei nach der Betriebsgröße gestaffelt. Vor allem kleinere Betriebe sollen damit einen Anreiz erhalten, ihre Leute stärker als bisher weiterzubilden. In Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten werden deshalb die Weiterbildungskosten zu 100 % übernommen (§ 82 Abs. 2 Satz 2 SGB III), in KMU mit zehn bis 250 Beschäftigten bis zu 50 %, bei Betrieben mit weniger als 2.500 Beschäftigten bis zu 25 %, in noch größeren Betrieben immerhin mit bis zu 15 %. Betriebe, die vor gravierenden betrieblichen Veränderungen stehen und in denen kurzfristig ein großer Anteil der Beschäftigten umfänglich nachqualifiziert werden muss, sollen mit erweiterten Fördermöglichkeiten unterstützt werden. Die genannten Zuschussmöglichkeiten werden deshalb um zehn Prozentpunkte erhöht, wenn bei mindestens einem Fünftel der Belegschaft eines Betriebs qualifikatorische Anpassungen erforderlich sind (§ 82 Abs. 5 Satz 1 SGB III). Da bei Schwerbehinderten sowie bei Arbeitnehmern, die das 45. Lebensjahr vollendet haben, die Weiterbildung zur Beschäftigungssicherung besonders wichtig ist, kann in Betrieben mit weniger als 250 Beschäftigten auch vollständig von einer Kostenbeteiligung abgesehen werden (§ 82 Abs. 2 Satz 3 SGB III).

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Für die Bestimmung der Betriebsgröße sind sämtliche Beschäftigte des Unternehmens, dem der Betrieb angehört, zu berücksichtigen. Gehört das Unternehmen zu einem Konzern, ist die Zahl der Beschäftigten des Konzerns maßgeblich. Teilzeitbeschäftigte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als zehn Stunden zählen mit 0,25 „Köpfen“, solche mit nicht mehr als 20 Stunden mit 0,50 und solche mit nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 (§ 82 Abs. 7 Satz 3 SGB III). Für den Beschäftigtenbegriff i. S. d. § 82 SGB III gilt § 25 Satz 1 SGB III, der auf die versicherungspflichtig Beschäftigten abstellt. Nicht zu berücksichtigen sind daher Auszubildende, Praktikanten und geringfügig Beschäftigte, wie Minijobber (FW FbW zu § 82 Ziff. 6 Abs. 3).

Die Regelungen zur Kofinanzierung können durch die Sozialpartner konkretisiert und ergänzt werden. Besteht eine Betriebsvereinbarung über die berufliche Weiterbildung oder existiert ein Tarifvertrag, der betriebsbezogen berufliche Weiterbildung vorsieht, verringert sich die Mindestbeteiligung des Arbeitgebers an den Lehrgangskosten unabhängig von der Betriebsgröße um fünf Prozentpunkte (§ 82 Abs. 4 Satz 1 SGB III).

Erstattungsfähige Weiterbildungskosten sind nach § 83 Abs. 1 SGB III die durch die Weiterbildung unmittelbar entstehenden Lehrgangskosten (§ 84 Abs. 1 SGB III) sowie die Kosten für eine ggf. notwendige Eignungsfeststellung. Ersetzt werden sodann die Fahrkosten (§ 85 SGB III), die Kosten für auswärtige Unterbringung und Verpflegung (§ 86 SGB III) und die Kosten für die Betreuung von Kindern(§ 87 Abs. 1 SGB III). Zu den förderungsfähigen Lehrgangskosten rechnen die Lehrgangsgebühren einschließlich der Kosten für erforderliche Lernmittel, Arbeitskleidung und Prüfungsstücke, der Prüfungsgebühren für gesetzlich geregelte oder allgemein anerkannte Zwischen- und Abschlussprüfungen sowie der Kosten für eine notwendige Eignungsfeststellung (§ 84 Abs. 1 SGB III). Die Leistungen können direkt an den Träger der Maßnahme ausgezahlt werden, soweit Kosten bei dem Träger unmittelbar entstehen. Soweit ein Bescheid über die Bewilligung von unmittelbar an den Träger erbrachten Leistungen aufgehoben worden ist, sind diese Leistungen ausschließlich von dem Träger zu erstatten (§ 83 Abs. 2 SGB III).

2. Arbeitsentgeltzuschüsse

Arbeitsentgeltzuschüsse konnten Arbeitgeber früher nur für berufsabschlussorientierte Weiterbildungen erhalten. Nun werden sie für alle Qualifizierungsmaßnahmen i. S. d. § 82 Abs. 1 SGB III gewährt, jedenfalls dann, wenn sie länger als 120 Stunden dauern. Voraussetzung ist, dass das Arbeitsverhältnis mindestens bis zum Ende der Weiterbildungsmaßnahme besteht und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für die Dauer der Weiterbildungsmaßnahme unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts freistellt (§ 82 Abs. 3 SGB III).

Der Zuschuss orientiert sich am Umfang der schulungsbedingt ausgefallenen Arbeitszeit. Dabei können auch zusätzliche weiterbildungsbedingte Ausfallzeiten berücksichtigt werden, z. B. Fahrzeiten oder Ausfallzeiten, die entstehen, weil der Betreffende vor oder nach der Weiterbildung nicht arbeiten kann. Bei gering qualifizierten Beschäftigten i. S. d. § 81 Abs. 2 SGB III, die an einer zu einem Berufsabschluss führenden Weiterbildung teilnehmen, kann der Zuschuss bis zu 100 % betragen. Bei den übrigen Beschäftigten gelten die in § 82 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 bis 3 SGB III genannten Obergrenzen: höchstens 25 % für Arbeitnehmer in Betrieben mit mindestens 250 Beschäftigten, 50 % für Arbeitnehmer in KMU und bis zu 75 % für solche in Kleinstunternehmen. Besteht eine Betriebsvereinbarung über die berufliche Weiterbildung oder existiert ein Tarifvertrag, der eine betriebsbezogene berufliche Weiterbildung vorsieht, kann der Zuschuss um fünf Prozentpunkte erhöht werden (§ 82 Abs. 4 Satz 2 SGB III). Diese Erhöhung war zwar schon im Qualifizierungschancengesetz geregelt, galt aber nur für Betriebe mit mindestens 2.500 Beschäftigten. Sie wurde nun auf alle Betriebe unabhängig von deren Größe ausgeweitet und soll einen Anreiz bieten, die berufliche Weiterbildung stärker als bisher in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen zu verankern. Berücksichtigungsfähig ist das vom Arbeitgeber regelmäßig gezahlte sozialversicherungspflichtige Arbeitsentgelt, soweit es das tarifliche oder für vergleichbare Tätigkeiten ortsübliche Arbeitsentgelt nicht übersteigt. Übernommen wird auch der auf diesen Betrag entfallende pauschale Anteil des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 82 Abs. 3 Satz 2, 3 SGB III).

Bei von der Arbeitsagentur geförderter Kurzarbeit darf der Zuschuss nicht gewährt werden, weil der Arbeitsausfall nicht auf der Schulungsmaßnahme beruht, sondern auf wirtschaftlichen Gründen bzw. auf einem unabwendbaren Ereignis. Allerdings sieht § 106a SGB III als bis zum 31.7.2023 befristete Ausnahmeregelung vor, dass dem Arbeitgeber 50 % der von ihm allein zu tragenden Beiträge zur Sozialversicherung erstattet werden, wenn seine in Kurzarbeit befindlichen Arbeitnehmer an einer Schulung teilnehmen, deren zeitlicher Umfang mindestens 50 % der Arbeitsausfallzeit beträgt. Die Erstattung erfolgt auf Antrag. Gewährt wird sie für die Zeit, in der der Arbeitnehmer vom vorübergehenden Arbeitsausfall betroffen ist. Für die Pauschalierung wird die Sozialversicherungspauschale nach § 153 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III abzüglich des Beitrags zur Arbeitsförderung zugrunde gelegt. Besteht ein Anspruch auf Förderung einer Transfermaßnahme nach § 110 SGB III, ist der Zuschuss nach § 82 Abs. 3 SGB III ebenfalls ausgeschlossen, da es sich um Leistungen mit gleicher Zielsetzung handelt. Dasselbe gilt für die Bezieher von Transferkurzarbeitergeld. Die Förderung erfolgt hier ausschließlich durch Übernahme der Weiterbildungskosten nach § 111a SGB III.

4 Formales

Die Förderleistungen werden auf Antrag erbracht. Die Übernahme der Weiterbildungskosten beantragt der Arbeitnehmer, die Arbeitsentgeltzuschüsse der Arbeitgeber. Die Neufassung des § 82 SGB III ermöglicht nun auch Sammelanträge, mit denen die Anwendung der Regelung für Unternehmen wie Beschäftigte leichter handhabbar gemacht wird. „Ein Antrag – eine Bewilligung“, heißt die Devise. Soll eine Gruppe von Beschäftigten mit vergleichbarer Ausgangsqualifikation, vergleichbarem Bildungsziel oder vergleichbarer Fördernotwendigkeit qualifiziert werden, ist künftig nur noch ein einziger Antrag erforderlich, wenn die Arbeitnehmer oder die Betriebsvertretung mit der Förderung einverstanden sind (§ 82 Abs. 6 Satz 1 SGB III). Bei einem solchen Sammelantrag kann die Arbeitsagentur ihre Ermessensentscheidung pauschalierend für alle betroffenen Arbeitnehmer berücksichtigen und die Leistungen einheitlich als Gesamtleistung bewilligen (§ 82 Abs. 6 Satz 2 SGB III).

Sind die Voraussetzungen für eine Förderung erfüllt, wird dies dem antragstellenden Arbeitnehmer durch einen Bildungsgutschein bescheinigt (§ 82 Abs. 7 i. V. m. § 81 Abs. 4 SGB III). Sozialverwaltungsrechtlich handelt es sich dabei um eine Zusicherung i. S. d. § 34 SGB X, also um die Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen. Der Bildungsgutschein wird – wie ein Verwaltungsakt mit der Bekanntgabe – durch Aushändigung wirksam. Mit dem Empfang erwirbt der Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf das Zugesagte. Wird die Zusage im Bildungsgutschein mit bestimmten Bedingungen versehen, müssen auch diese Voraussetzungen erfüllt sein. Der Gutschein kann zeitlich befristet sowie regional und auf bestimmte Bildungsziele beschränkt werden. Ferner ist eine Beschränkung nach Förderhöhe und Förderumfang möglich (§ 82 Abs. 7 Satz 2 SGB III).

5 Fazit

Lebenslanges Lernen tut Not. Das hat auch der Gesetzgeber erkannt. Die Förderung der betrieblichen Weiterbildung nach § 82 SGB III ist hierfür ein wichtiger Baustein. Es ist zu hoffen, dass er die Unternehmen anspornt, noch stärker als bisher in die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter zu investieren.

Prof. Dr. Frank Maschmann

Prof. Dr. Frank Maschmann
Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Arbeitsrecht, Universität Regensburg
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Berufliche Weiterbildung
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