Einordnung zum BAG-Urteil: Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung

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 Bild: christianchan/stock.adobe.com
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Der Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung ist ein zentrales Thema im Zusammenhang mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz (nachfolgend BRSG), das zum 1.1.2018 in Kraft trat. Ziel des BRSG ist es, die private Altersvorsorge durch betriebliche Rentenmodelle zu fördern und damit einen wesentlichen Beitrag zur Schließung der Rentenlücke zu leisten.

Eine der wesentlichen Neuerungen des Gesetzes betraf daher die Einführung eines verpflichtenden Arbeitgeberzuschusses zur Entgeltumwandlung. Dieser Zuschuss soll Arbeitnehmer noch stärker motivieren, auf einen Teil ihres Gehalts zugunsten einer Betriebsrente zu verzichten. Neben der steuerlichen Förderung und der sozialversicherungsrechtlichen Privilegierung der betrieblichen Altersversorgung zahlt der Arbeitgeberzuschuss damit direkt auf die Höhe der betrieblichen Altersversorgung ein.

Diese Regelung veranlasste das BAG jüngst, sich im Urteil vom 20.8.2024 (3 AZR 285/23) mit der Frage zu befassen, ob ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf einen Arbeitgeberzuschuss gem. § 1a Abs. 1a BetrAVG trotz einer bereits vor dem Gesetz getroffenen, abweichenden Regelung im Tarifvertrag geltend machen kann.

1. Gesetzlicher Arbeitgeberzuschuss i. S. d. § 1a BetrAVG

Seit dem 1.1.2018 muss der Arbeitgeber bei Entgeltumwandlung 15 % des umgewandelten Arbeitsentgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an den Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Direktversicherung weiterleiten, soweit er durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart. Ausnahmen hiervon lässt der Gesetzgeber allerdings durch die in § 19 Abs. 1 BetrAVG geltende Öffnungsklausel zu, sodass in Tarifverträgen von dieser Regelung zu Lasten der Arbeitnehmer abgewichen werden kann.

2. Tarifvertrag oder doch gesetzlicher Arbeitgeberzuschuss?

Umstritten war in diesem Zusammenhang allerdings, inwieweit auch bereits vor dem BRSG geltende Tarifverträge von der Öffnungsklausel umfasst sein können.

Mit Urteil vom 20.8.2024 (3 AZR 285/23) entschied das BAG nun, dass § 19 BetrAVG in der Tat dahingehend auszulegen ist, dass von den gesetzlichen Regelungen zur Entgeltumwandlung (§ 1a BetrAVG) auch in Tarifverträgen abgewichen werden kann, die bereits vor dem Inkrafttreten des BRSG am 1.1. 2018 geschlossen wurden.

Zum Zeitpunkt ihres Abschlusses konnten die Tarifverträge schon keine ausdrückliche abweichende Klausel zum Arbeitgeberzuschuss enthalten, da weder die später in Kraft getretene Arbeitgeberzuschusspflicht noch die Höhe bekannt waren. Daher lässt das BAG als abweichende Regelung bereits ausreichen, dass der Tarifvertrag eine „eigenständige Regelung zur Entgeltumwandlung und keinen Anspruch auf einen Arbeitsgeberzuschuss wie nach § 1a Abs. 1a BetrAVG vorsieht“ (siehe BAG, Urt. v. 20.8.2024 – 3 AZR 285/23 Rn. 24).

Das BAG stellt in seiner Entscheidung klar, dass bei der Auslegung von Gesetzen der objektivierte Wille des Gesetzgebers entscheidend ist, der sich aus dem Wortlaut der Norm, ihrem Kontext sowie den Gesetzesmaterialien ableitet. Das BAG betont dabei, dass im Wortlaut des § 19 Abs. 1 BetrAVG ersichtlich sei, dass dieser nicht nur für zukünftige, sondern auch für bereits bestehende Tarifverträge, also ohne zeitliche Beschränkung, gilt. Dies sei besonders deutlich durch die Überschrift der Norm, die als „allgemeine Tariföffnungsklausel“ formuliert ist.

Auch betont das BAG, dass dem Wortlaut nicht entnommen werden könne, dass § 19 BetrAVG lediglich Regelungen in Tarifverträgen zur Entgeltumwandlung privilegieren wollte, die einen geringeren Arbeitgeberzuschuss als den gesetzlichen Zuschuss vorsahen. Demnach wird weder dem Wortlaut noch der Gesetzesbegründung nach differenziert, inwiefern bereits bestehende tarifvertragliche Regelungen „ungünstiger“ für die Arbeitnehmer sind.

Zur Auslegung des § 19 Abs. 1 BetrAVG zog das BAG ergänzend die Gesetzesbegründung heran, welche ausdrücklich vorsieht, dass „[…] anders als der gesetzlich verpflichtete Arbeitgeberzuschuss bei einer reinen Beitragszusage nach § 23 Abs. 2 BetrAVG der Zuschuss nach § 1a Abs. 1a tarifdispositiv ist“ (siehe BAG, Urt. v. 20.8.2024 – 3 AZR 285/23 Rn. 16). Die Gesetzesbegründung lasse eindeutig erkennen, dass gerade nicht in bereits bestehende Regelungen eines Tarifvertrags, auch wenn sie ungünstiger sind, eingegriffen werden solle.

Damit werde berücksichtigt, dass die Tarifparteien bei bestehenden Regelungen bewusst eine andere Lösung für die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Aspekte der Entgeltumwandlung gewählt haben. Der Gesetzgeber wolle mit dieser Regelung Klarheit für bestehende Tarifverträge schaffen, ohne die Verhandlungsmöglichkeiten der Tarifparteien durch das neue Gesetz zu verändern.

Immerhin schafft das Urteil nunmehr Klarheit und insoweit Rechtssicherheit: Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, einen Zuschuss zur Entgeltumwandlung zu leisten, wenn der einschlägige Tarifvertrag, auch wenn er vor dem 1.1.2018 geschlossen wurde, einen solchen Zuschuss nicht vorsieht.

Das Urteil des BAG zeigt, dass mit Einführung des § 19 Abs. 1 BetrAVG die Tarifautonomie gestärkt werden sollte, was bedeutet, dass bestehende tarifliche Regelungen zur Entgeltumwandlung Vorrang vor später eingeführten gesetzlichen Regelungen haben können. Diese Rechtsauffassung bestätigte das BAG auch in zwei weiteren Entscheidungen vom 11.3.2025 (3 AZR 53/24 und 3 AZR 75/24), sodass von einer gefestigten Rechtsprechung ausgegangen werden kann.

Nicole Heinrich

Rechtsanwältin

Dr. Michael Braun

RA und FA für Arbeitsrecht, Wirtschaftsjurist, Universität Bayreuth
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