Einstweilige Verfügung auf Unterlassung einer Betriebsänderung

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Ein Betrieb mit 750 Arbeitnehmern plante, sich von insgesamt ca. 160 Beschäftigten betriebsbedingt zu trennen. Darüber informierte die Geschäftsleitung am 15.11.2023 den Betriebsrat und in einer Betriebsversammlung auch die Belegschaft. Am 13.12.2023 leitete sie dem Betriebsrat eine Präsentation zur Neuausrichtung zu. Zu Beginn des Jahres 2024 fanden mehrere Gespräche zwischen den Betriebsparteien statt. Das Unternehmen schlug einen Sozialplan und ein Freiwilligenprogramm vor sowie die Errichtung einer Transfergesellschaft. Am 21.2.2024 erhielt der Betriebsrat die Anhörung zu insgesamt 24 betriebsbedingten Kündigungen. Dieser beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung, wonach dem Arbeitgeber untersagt wird, die Kündigungen auszusprechen. Der Betriebsrat machte geltend, er sei bisher unzureichend über die Betriebsänderung unterrichtet worden und ein Interessenausgleichsentwurf sei noch nicht einmal vorgelegt worden. Während die erste Instanz dem Verfügungsantrag stattgab, hob das LAG Nürnberg die Entscheidung auf und wies den Antrag zurück. Es sah einen Verfügungsanspruch auf Unterlassung nicht als gegeben an. Ob dem Betriebsrat ein solcher Unterlassungsanspruch zusteht, ist umstritten. Manche LAG bejahen einen solchen Anspruch, andere verneinen ihn. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Ausgestaltung der Mitbestimmung des Betriebsrats in wirtschaftlichen Angelegenheiten einerseits und in sozialen Angelegenheiten anderseits grundlegend unterschiedlich ist. Im Bereich der Mitbestimmung nach § 87 BetrVG ist anerkannt, dass der Arbeitgeber eine Maßnahme, die von einem Mitbestimmungstatbestand erfasst ist, grundsätzlich nur mit Zustimmung des Betriebsrats durchführen kann und die fehlende Zustimmung die Unwirksamkeit der Maßnahme bedingt. Aus dieser gesetzgeberischen Ausgestaltung folgt, dass es im Bereich der sozialen Angelegenheiten einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gibt, mit dem dieser die Beseitigung von Verletzungen seiner Bestimmungsrechte geltend machen kann. Im Bereich der Mitbestimmungsrechte bei Betriebsänderungen ist dies grundlegend anders. Die Durchführung einer Betriebsänderung gehört zur wirtschaftlichen Entscheidungskompetenz des Arbeitgebers, die aufgrund der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung in Art. 12 und 14 GG der betrieblichen Mitbestimmung entzogen ist. Dem hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass die Beteiligungsrechte des Betriebsrats in wirtschaftlichen Angelegenheiten als Informations- und Beratungsrechte ausgestaltet sind. Verletzt der Arbeitgeber diese Beteiligungsrechte, hat dies keinen Einfluss auf die Wirksamkeit dennoch ausgesprochener Kündigungen. Diese bleiben wirksam, der betroffene Mitarbeiter hat jedoch einen sog. Nachteilausgleichsanspruch gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG. Außerdem stellt die unvollständige oder unterbliebene Information nach § 111 BetrVG über die geplante Betriebsänderung eine Ordnungswidrigkeit nach § 121 BetrVG dar. Damit sieht das Gesetz angemessene Sanktionen vor (LAG Nürnberg, Beschl. v. 1.4.2024 – 4 TaBVGa 1/24, rk.).

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Dr. Claudia Rid

Dr. Claudia Rid
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, CMS Hasche Sigle, München
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· Artikel im Heft ·

Einstweilige Verfügung auf Unterlassung einer Betriebsänderung
Seite 50
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