Wieder einmal musste sich das BAG mit der Frage der Entgeltgleichheit im Erwerbsleben für Männer und Frauen bei gleicher bzw. gleichwertiger Arbeit befassen (BAG, Urt. v. 16.2.2023 – 8 AZR 450/21).
Die Grundlagen
Der diesbezügliche Grundsatz findet sich bereits im europäischen Recht und zwar in dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in Art. 157. Dort heißt es in Abs. 1: „Jeder Mitgliedsstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher.“ (Art. 157 Abs. 1 AEUV)
Unter „Entgelt“ versteht das europäische Recht die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistung zahlt (Art. 157 Abs. 2 AEUV).
Gleichheit des Arbeitsentgelts ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts i.S. d. Vorschrift bedeutet, dass für eine nach Zeit bezahlte Arbeit das Entgelt bei gleichem Arbeitsplatz gleich ist (Art. 157 Abs. 2b AEUV).
Im Hinblick auf die effektive Gewährleistung der vollen Gleichstellung von Männern und Frauen im Arbeitsleben hindert der Grundsatz der Gleichbehandlung die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Erleichterung der Berufstätigkeit des unterrepräsentierten Geschlechts oder zur Verhinderung bzw. zum Ausgleich von Benachteiligungen in der beruflichen Laufbahn spezifische Vergünstigungen beizubehalten oder zu beschließen (Art. 157 Abs. 4 AEUV).
Diese europarechtlichen Grundsätze finden sich im einfachgesetzlichen deutschen Arbeitsrecht wieder: So bestimmt § 3 EntgTranspG, dass bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten ist.
Eine unmittelbare Entgeltbenachteiligung liegt vor, wenn eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter wegen des Geschlechts bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ein geringeres Entgelt erhält, erhalten hat oder erhalten würde als eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter des jeweils anderen Geschlechts (§ 3 Abs. 2 EntgTranspG).
Auch in § 7 EntgTranspG findet das Geschlechtergleichheitsgebot seinen Niederschlag: Danach darf bei Beschäftigungsverhältnissen für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts der oder des Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden als bei einer oder einem Beschäftigten des anderen Geschlechts (§ 7 EntgTranspG).
Somit ist das Entgeltgleichheitsgebot für Männer und Frauen sowohl europarechtlich als auch einfachgesetzlich nach deutschem Recht abgesichert.
Der Sachverhalt
Der o.g. Entscheidung des BAG vom 16.2.2023 (8 AZR 450/21) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Arbeitnehmerin (Klägerin) war seit dem 1.3.2017 bei ihrem Arbeitgeber als Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb beschäftigt. Ihr einzelvertraglich vereinbartes Grundentgelt betrug anfangs 3.500 Euro brutto monatlich und ab dem 1.8.2018 3.620 Euro.
Neben dieser Mitarbeiterin (Klägerin) waren als Außendienstmitarbeiter im Vertrieb des beklagten Arbeitgebers zwei männliche Arbeitnehmer beschäftigt, einer davon seit dem 1.1.2017. Der Arbeitgeber hatte auch diesem Arbeitnehmer ein Grundgehalt von 3.500 Euro angeboten, welches dieser jedoch ablehnte und ein höheres Grundgehalt, nämlich i. H. v. 4.500 Euro brutto pro Monat, verlangte, welcher Forderung der beklagte Arbeitgeber nachgab.
Mit dem anderen Arbeitnehmer vereinbarte der beklagte Arbeitgeber eine Erhöhung des Grundgehalts von 3.500 Euro auf 4.000 Euro brutto.
Mit ihrer Klage begehrte die Arbeitnehmerin, da sie die gleiche Arbeit wie die o.g. männlichen Kollegen verrichtete, eine entgeltliche Gleichstellung in der Vergütung auf dem Niveau der männlichen Arbeitnehmer.
Arbeitsgericht und LAG hatten eine entsprechende Klage der Klägerin abgewiesen.
Die Entscheidung
Die Revision der Klägerin hatte vor dem 8. Senat des BAG ganz überwiegend Erfolg. Zur Begründung führte das BAG aus: Der beklagte Arbeitgeber habe die Klägerin aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt, da er ihr, obgleich die Klägerin und der männliche Kollege gleiche Arbeit verrichteten, ein niedrigeres Grundgehalt gezahlt hat als dem männlichen Kollegen. Die Klägerin habe deshalb einen Anspruch nach Art. 157 AEUV, § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG auf das gleiche Grundgehalt wie ihr männlicher Kollege.
Der Umstand, dass die Klägerin für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Grundentgelt erhalten hat als ihr männlicher Kollege, begründe die Vermutung nach § 22 AGG, dass die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt ist.
Dem beklagten Arbeitgeber ist es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen.
Insbesondere könne sich der beklagte Arbeitgeber nicht darauf berufen, das höhere Grundgehalt des männlichen Kollegen beruhe nicht auf dem Geschlecht, sondern auf dem Umstand, dass dieser ein höheres Entgelt ausgehandelt habe.
Dr. jur. Günter Schmitt-Rolfes

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