Der Kongress Arbeitsrecht war auch im 20. Jahrgang ein großer Erfolg: Im Steigenberger Hotel am Kanzleramt und digital haben insgesamt fast 250 Teilnehmer die Vorträge verfolgt.
Eine Besonderheit in diesem Jahr war die Anwesenheit des Arbeitgeberpräsidenten Dr. Rainer Dulger, der für sein Grußwort live vor Ort auftrat.
Darauf folgte der Vortrag der BAG-Präsidentin Inken Gallner zum Thema Arbeitsrecht in Zeiten großer Umwälzungen. Darin verdeutlichte Gallner u. a. die Bedeutung des Multilateralismus in Zeiten von geopolitischenSpannungen, Kriegen und Krisen. Sie umriss die wichtigsten Baustellen unserer Zeit und ging – auch mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen, die zu diesem Zeitpunkt zwischen CDU, CSU und SPD stattfanden – u. a. auf die Arbeit der Mindestlohnkommission sowie Fragen der Verteidigungs- und Wettbewerbsfähigkeit ein. Einen hohenStellenwert hatteauch dieEuropäisierung des deutschen Arbeitsrechts. In diesem Zusammenhang besprach Gallner insbesondere die Entgeltgleichheit von Männern und Frauen, Kündigungen im Zusammenhang mit Kirchenaustritten, das Massenentlassungsrecht, die Erfassung der Arbeitszeit und das Teilzeitrecht.
Prof. Dr. Gregor Thüsing widmete sich auch in diesem Jahr den aktuellen Herausforderungen des Arbeitsrechts und warf einen Blick auf die Sondierungsergebnisse und die aktuellen
Baustellen.Thüsing zeigte sich enttäuscht und beleuchtete die folgenden Punkte mit Bezug auf dieGesprächezwischen CDU, CSU und SPD:
- Mindestlohn
- Tariftreue
- Arbeitszeitflexibilisierung
- Digitalisierung
- Betriebliche Mitbestimmung
- Teilzeitbeschäftigung
- (Schein-)Selbstständigkeit
- Leiharbeit
- Befristung
- Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Hinsichtlich derThematik Scheinselbstständigkeit kritisierte Thüsing, dass man in einem Graubereich sehrschnell in den Bereich der Strafbarkeit kommt.
Dr. Rut Steinhauser, LL. M. stellt in ihrem Referat zu KI im Arbeitsleben und im Betrieb Beispiele für künstliche Intelligenz im Arbeitsalltag vor und zeigte Chancen auf, welche sich durch deren Nutzung ergeben, wie Vorteile im Recruiting, beim Onboarding oder Unterstützung der Schicht- und Dienstplanung. Steinhauser ginginsbesondere auf Datenschutzaspekte sowie Unterschiede im Umgang mit KI zwischen USA und Europa ein. Bzgl. der KI-Verordnung zeigt sie u. a. voraussichtliche Pflichten für Arbeitgeber und Sanktionen bei Verstößen auf. Weitere Einschränkungen einer KI-Nutzung ergäben sich neben der KI-VO auch aus Art. 22 DSGVO. Bei Maßnahmen zur Vermeidung von Diskriminierungen kämen der Datenqualität der Eingabedaten, der Transparenz und Nachvollziehbarkeit, der menschlichen Aufsicht und Intervention sowie regelmäßigen Audits eine wichtige Rolle zu.
Auch Steinhauser stellte Bezüge zum Sondierungspapier aus März 2025 her und widmete sich in diesem Zusammenhang vor allem dem BetrVG. Ihr Vortrag schloss mit Handlungsempfehlungen für Unternehmen.
Diese wünschen sich zahlreiche Arbeitgeber auch bzgl. der EU-Entgelttransparenzrichtlinie, deren neue Anforderungen sich Dr. Wolfgang Lipinski widmete und Handlungsbedarf für Unternehmen benannte. Er stellte zunächst die wesentlichen Inhalte der Richtlinie vor, wobei er auf die gemeinsame Entgeltbewertung und das teils befürchtete Endeder frei verhandelten Gehälter einging. Zudem verglich er die Bestimmungen der Richtlinie mit denen des deutschen Entgelttransparenzgesetzes.
Wann ein Entgeltsystem als Ganzes diskriminierungsfrei ist, richte sich nach vier obligatorischen Kriterien: der Kompetenz, der Verantwortung, der Belastung und den Arbeitsbedingungen. Deren jeweilige Gewichtung sei im Einzelfall zu ermitteln.
Als Ursächlichkeiten für Diskriminierungen in der Praxis nannte Lipinski bspw. die unverhältnismäßig hohe Gewichtung einzelner Kriterien wie der Berufserfahrung oder die Verwendung unterschiedlicher Kriterien bei der Bewertung von frauen- und männerdominierten Tätigkeiten.
Neben Ausnahmen für tarifanwendende Unternehmen, die deren Privilegierung bedeuten würden und in der Richtlinie nicht vorgesehen sind widmete sich der Vortrag auch betrieblichen Vergütungsordnungen und zeigte schließlich Handlungsbedarf, Vorbereitungsmaßnahmen und Handlungsalternativen – mit Verweis auf die Zeitschiene – auf.
In der anschließenden Diskussion fragte Inken Gallner, ob es denkbar ist, dass die vorgesehenen Berichtspflichten, ähnlich der Lieferketten-Richtlinie, zurückgedreht werden.
Aus dem Kreise der Teilnehmer kam zudem die Würdigung: „Da kommt eine Unmenge von Arbeit auf die Unternehmen zu.“
Unter dem Titel „Der Annahmeverzug in der Kündigung – Berücksichtigung anderweitigen Verdiensts – Neues aus der Rechtsprechung?“ referierte Dr. Marc Spielberger und ging nach seiner Einführung auf die Rechtsprechung des 5. Senats des BAG seit 2020 sowie das Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 30.9.2022 (6 Sa 280/22) ein.
Die Anrechnung auf entgangenen Zwischenverdienst ist in § 11 KSchG geregelt und richtet sich nach dessen Bestimmungen. Die neueren Entscheidungen des BAG hatten hier eine Änderung der Rechtsprechung zur Folge, welche Spielberger ebenso umfassend darstellte wie die Anforderungen an den böswillig unterlassenen Verdienst. Schließlich stellte er die Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers im Annahmeverzug dar.
Den Abschluss des ersten Kongresstages machte Prof. Dr. Arnd Diringer mit seinem Vortrag zur Druck- und Verdachtskündigung – Folgen politischer Spannungen. Nach der politischen und gesellschaftlichen Ausgangslage und insbesondere der Rolle sozialer Medien und des Internets insgesamt stellte Diringer die Zulässigkeit und Voraussetzungen einer Verdachtskündigung dar. Diringer betonte in diesem Zusammenhang, „was das Arbeitsverhältnis nicht betrifft, [könne] auch nicht Kündigungsgrund sein“.
Auch auf den Begriff der Druckkündigung sowie deren Zulässigkeit und Voraussetzungen ging Diringer ein. Ein typisches Problem sei hier die Zulässigkeit einer diskriminierenden Kündigung sowie das Phänomen sog. Shitstorms als Kündigungsgrund, mit denen sich der Vortrag auseinandersetze.
Der zweite Tag startete mit Dr. Nathalie Oberthür und dem Thema „Quo vadis Direktionsrecht? Aktuelles zu Arbeitszeit und Arbeitsort“.
Oberthür befasste sich insbesondere mit der Entwicklung des Direktionsrechts, der Arbeitszeit und Arbeitszeiterfassung, Veränderungsmechanismen (nicht nur bei mobiler Arbeit) und Leistungsstörungen bei flexiblen Arbeitsformen. Im Zentrum ihrer Ausführungen standen dabei die Flexibilisierung der Arbeitszeit, die Vertrauensarbeitszeit, Fragen der Mitbestimmung sowie das ArbZG als gesetzliche Grundlage. Im Anschluss an Darstellungen zur Verpflichtung zur Erfassung der Arbeitszeit, zu Fragen der praktischen Umsetzung und der Flexibilisierung des Arbeitsortes folgte ein gesetzgeberischer Ausblick.
Aus dem Publikum wurde zudem die Frage gestellt, ob die Aussage, dass arbeitsrechtlich kein Erfolg geschuldet sei, „nicht die Lebenslüge des deutschen Arbeitsrechts“ sei.
Prof. Dr. Wolfgang Kleinebrink widmete sich den Betriebsratswahlen 2026 und zeigte Strategien für Arbeitgeber auf. Denn diese sollten bereits jetzt umfassend und gründlich vorbereitet werden.
Nach allgemeinen Überlegungen teilte Kleinebrink Strategien vor der Betriebsratswahl zur Informationsgewinnung, Unterstützung bei der Vorbereitung der Wahl, Prüfung der Bedeutung des Selbstbestimmungsgesetzes, Bestimmung der Amtszeit des Betriebsrats und seiner Mitglieder, Bestimmung der richtigen Betriebsratsfähigen Organisationseinheit, zu Möglichkeiten zur Beeinflussung der Betriebsratsgröße, Möglichkeiten zur Beeinflussung der Zahl der freigestellten Betriebsratsmitglieder und der Vermeidung einer Kollision von Personalabbau und betriebsverfassungsrechtlichem Kündigungsschutz. Anschließend erläuterte er Strategien während der Betriebsratswahl.
Kerstin Plack und Olivia Trager bearbeiteten den Umgang mit Arbeits- und Fachkräftemangel und beantworteten die Fragen: Was ist notwendig? Was ist hinderlich? Dabei gingen sie zentral auf gesetzliche Teilzeitansprüche, Fragen des Personalmanagements, dieVereinbarkeit und dieArbeitszeit ein. Plack und Trager griffen zudem die Debatte zur Viertagewoche in Deutschland als mögliche Reaktion auf den Mangel an Fach- und Arbeitskräften auf. Als Beispiele betrieblicher Unterstützungsmöglichkeiten nannten sie die Betriebskultur, Arbeitszeit sowie Arbeitsorganisation.
Dr. Albert Eisenreich und Christof Maier widmeten sich der Pflege und Altersversorgung als Frage der betrieblichen Praxis. Einleitend verwiesen sie auf die Relevanz von ESG-Aspekten in diesem Zusammenhang und gaben u. a. einen Überblick über die Regelungen zur Pflegeversicherung, die Kosten der Pflege, das Risiko der Pflegebedürftigkeit, das Rentenniveau und die Dauer des Rentenbezugs. Maier und Eisenreich stellten Vorsorgemöglichkeiten und Untersuchungsergebnisse dar, die aufzeigten, wie Unternehmen hinsichtlich der arbeitgeberfinanzierten Benefits aufgestellt sind. Sie verdeutlichten die wichtige Rolle von Transparenz und klarer Strukturen bzgl. solcher Benefits und deren Funktion als strategisches Personalinstrument.
Den Abschluss machte Ivana Dippel mit ihrem Vortrag zum Thema Suchtmittel im Betrieb. Dippel stellte zunächst Zahlen und Fakten rund um das Thema Sucht sowie verschiedene Arten von Sucht dar. Deren Ursachen bzw. Auslöser könnten laut Dippel bspw. in der Umwelt, in der Person oder auch der gesellschaftlichen Akzeptanz der Mittel liegen. Konsumierende Personen könnten unterschiedliche Zwecke damit verfolgten, wie Leistungssteigerung, Spannungsregulierung, Stärkung von Bindungen, Regulierung von Nähe und Distanz usw.
Im weiteren Verlauf erläuterte Dippel Anzeichen einer Abhängigkeit und den Umgang im betrieblichen Kontext. Zu letzterem gehören insbesondere (Alkohol-)Verbote, die als Maßnahmen des Gesundheitsschutzes der betrieblichen Mitbestimmung unterliegen, Betriebsvereinbarung zur Suchtprävention und zum Suchtmittelmissbrauch und die Peer-Beratung.
Dippel gab Handlungsempfehlungen bei Verdacht eines kritischen Zustands und stellte ein gestuftes Interventionskonzept bei wiederholten suchtbedingten Auffälligkeiten vor.
Redaktion (allg.)

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