Vor dem LAG Baden-Württemberg stritten die Parteien über die Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohnanspruchs.
Die Klägerin war bei der Beklagten, die exklusive Haar- und Hautkosmetik produziert und vertreibt, beschäftigt. Laut Arbeitsvertrag stand ihr ein halbes Monatsgehalt Urlaubsgeld sowie ein halbes Monatsgehalt Weihnachtsgeld zu. Das Urlaubsgeld wurde im Juni ausbezahlt, das Weihnachtsgeld im November. Im Dezember 2021 kündigte der Arbeitgeber an, das Urlaubs- und Weihnachtsgeld künftig vorbehaltslos und unwiderruflich in jährlich zwölf gleich hohen monatlichen Raten zu zahlen und auf den gesetzlichen Mindestlohn anzurechnen. Dagegen wandte sich die Mitarbeiterin. Sie war der Auffassung, ihre Arbeitgeberin rechne das vereinbarte Urlaubs- und Weihnachtsgeld nur deswegen in monatlichen Abschlägen ab, weil sie das Mindestlohngesetz aushebeln wolle.
#ArbeitsRechtKurios: Amüsante Fälle aus der Rechtsprechung deutscher Gerichte - in Zusammenarbeit mit dem renommierten Karikaturisten Thomas Plaßmann (Frankfurter Rundschau, NRZ, Berliner Zeitung, Spiegel Online, AuA).
Darin gab ihr das Gericht Recht. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn entsteht mit jeder geleisteten Arbeitsstunde. Er ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeitsvertraglichen Entgeltanspruch tritt. Grundsätzlich sind alle im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Entgeltleistungen des Arbeitgebers geeignet, den Mindestlohnanspruch zu erfüllen. Allerdings wertete das Gericht das Verhalten der Parteien bis zur Umstellung der Auszahlung auf eine monatliche Zahlungsweise dahingehend, dass sich die Parteien auf die Auszahlungszeitpunkte Juni und November geeinigt hatten. Typischerweise dient das Urlaubs- und Weihnachtsgeld dazu, erhöhte Ausgaben zu diesen Anlässen begleichen zu können. Die Klägerin habe ein Interesse daran, nicht durch Zulassung von vor dem vertraglich vereinbarten Zahlungszeitpunkt geleistete Sonderzahlungen deren Anrechenbarkeit auf ihren gesetzlichen Mindestlohnanspruch zu ermöglichen.
Da die entscheidungserhebliche Frage, ob vor Eintritt ihrer Fälligkeit unwiderruflich und vorbehaltlos erbrachte Abschlagszahlungen auf Sondervergütungen für den Mindestlohn erfüllungswirksam sind, in Literatur und Rechtsprechung kontrovers beurteilt wird, ließ das Gericht die Revision für das Unternehmen zu (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 11.1.2024 – 3 Sa 4/23).
Attachment | Size |
---|---|
Beitrag als PDF herunterladen | 134.8 KB |
· Artikel im Heft ·
Das BMAS hat die i. R. d. Programms „ARBEIT: SICHER + GESUND“ (ASUG) erarbeiteten arbeits- und arbeitsschutzrechtlichen Empfehlungen zur Gestaltung
Im Titelthema nehmen Dr. Rolf Kowanz und Carl-Philipp Fischer die Erwerbstätigkeit von Rentnern unter arbeits-, sozialversicherungs- und
Was ist Technologie?
Der Begriff „Technologie“ leitet sich vom griechischen Wort „technología“ ab, das eine Kombination aus zwei
Mit seinem Werk „Arbeitsrecht für Dummies“, das in der 5. Auflage erschienen ist, vermittelt Prof. Dr. Oliver Haag auf die aus den
Warum wird die Konfliktarbeit in Changeprozessen vernachlässigt?
Viele Unternehmen betrachten die Konfliktarbeit als zusätzlichen
In den vergangenen Tagen war eine Debatte über die Entgeltfortzahlung bei Krankheit entbrannt. Ausgangspunkt hierfür war die Forderung des