Ausgangssituation
Die mit einem zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellten Firmenwagen durchgeführten Fahrten zwischen der Wohnung des Arbeitnehmers und dessen erster Tätigkeitsstätte sind mit der 1-%-Methode für die private Nutzung zunächst noch nicht abgegolten. Es entsteht hierdurch ein weiterer geldwerter Vorteil, der im Rahmen der pauschalen Nutzungswertermittlung mit einem Zuschlag von monatlich 0,03 % auf den maßgeblichen Bruttolistenpreis je Entfernungskilometer anzusetzen ist; vgl. auch § 8 Abs. 2 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG). Beispiel 1: Bruttolistenneupreis 65.000 Euro; einfache Entfernung 16 km 65.000 Euro × 16 km × 0,03 % = 312,00 Euro
Nach der gängigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) – zuletzt durch das Urteil vom 22.9.2010, BStBl. 2011 II S. 358 f. – kann abweichend von diesem Grundfall mit einem pauschalen Ermittlungsansatz auch eine einzelfahrtbezogene Bewertung des geldwerten Vorteils erfolgen. In seiner Begründung sieht der BFH den Zuschlag von 0,03 % als Korrekturposten zur Entfernungspauschale an. Dieser könne nur insoweit zur Anwendung kommen, wie der Firmenwagen auch tatsächlich für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte genutzt wird. Die Finanzverwaltung wendet die hierzu ergangenen Urteile an.
Die Einzelbewertung erfolgt für jeden Nutzungsmonat mit 0,002 % des maßgeblichen Bruttolistenpreises je vollem Entfernungskilometer und der Anzahl der Tage, an denen der Firmenwagen für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte tatsächlich genutzt wurde. Dabei sind sowohl die Hin- als auch die Rückfahrt inbegriffen. Wie auch bei der pauschalen Ermittlungsmethode stellen Mittagsheimfahrten, die nicht beruflich veranlasst sind, keine Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte dar, sondern sind als reine Privatfahrten anzusehen und als solche bereits über den nach der 1-%-Methode ermittelten Nutzungsvorteil abgegolten. Beispiel 2: Bruttolistenneupreis 65.000 Euro; einfache Entfernung 16 km; 5 Fahrten im Monat 65.000 Euro × 16 km × 5 Fahrten × 0,002 % = 104,00 Euro
Für den Ansatz der Einzelbewertung in der Entgeltabrechnung sind die Aufzeichnungen des Nutzers darüber, an welchen konkreten Tagen der Firmenwagen für diese Fahrten tatsächlich genutzt wurde, heranzuziehen und zum Lohnkonto aufzubewahren. Eigene Ermittlungstätigkeiten des Arbeitgebers sind explizit nicht notwendig, soweit die Angaben des Nutzers glaubhaft erscheinen.
Im Rahmen der Anwendung der Einzelbewertung besteht seitens der Finanzverwaltung eine Deckelung der durchgeführten Fahrten bei 180 Fahrten im Jahr. Dies ergibt sich aus der Berechnungslogik der Einzelbewertung, welche im Zusammenhang mit der Bewertung von Familienheimfahrten bei einer doppelten Haushaltsführung nach § 8 Abs. 2 Satz 5 EStG zu betrachten ist. Denn rechnerisch betrachtet wird bei der Anwendung der pauschalen Ermittlungsmethode mit 0,03 % von monatlich 15 Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte ausgegangen. Die Deckelung wirkt allerdings nur jahresbezogen auf die Anzahl der Gesamtfahrten und nicht etwa bereits bei 15 Fahrten je Kalendermonat. Dies kann im Ergebnis dazu führen, dass in einzelnen Monaten der Zuschlag für die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte nach der Einzelbewertung höher anzusetzen ist als im Vergleich mit dem Pauschalansatz. Beispiel 3: Bruttolistenneupreis 65.000 Euro; einfache Entfernung 16 km; 20 Fahrten im Monat Pauschalmethode: 65.000 Euro × 16 km × 0,03 % = 312,00 Euro Einzelbewertung: 65.000 Euro × 16 km × 20 Fahrten × 0,002 % = 416,00 Euro
Die gewählte Methode (Pauschalansatz oder Einzelbewertung) ist im Kalenderjahr jeweils einheitlich anzuwenden. Ein Wechsel im Kalenderjahr – auch bedingt durch einen Fahrzeugwechsel – ist nicht vorgesehen; vgl. auch Rdnr. 6 im BMF-Schreiben vom 1.4.2011 (BStBl. I S. 301).
Kurzinformation FM Schleswig-Holstein Nr. 2021/12 vom 21.5.2021
Das Finanzministerium Schleswig-Holstein hat zum einen bestätigt, dass die gewählte Methode (Pauschalansatz mit 0,03 % oder Einzelbewertung mit 0,002 %) nur einheitlich in einem Kalenderjahr angewendet werden kann. Zum anderen wird auch klargestellt, dass eine rückwirkende Korrektur des Lohnsteuerabzugs für eine Änderung vom Pauschalansatz zur Einzelbewertung oder umgekehrt für das Gesamtjahr ausdrücklich möglich ist.
Inhaltlich handelt es sich um eine bundeseinheitlich abgestimmte Rechtsauffassung der Finanzverwaltung, welche lediglich vom Finanzministerium Schleswig-Holstein im Wege dieser Kurzinformation öffentlich kommuniziert worden ist.
Schlussfolgerung
Das Finanzministerium Schleswig-Holstein bestätigt hiermit die geltende Rechtsauffassung. Danach stellt der Zuschlag beim geldwerten Vorteil für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte lediglich einen Korrekturposten zum Werbungskostenabzug (Entfernungspauschale) dar. Im hierzu ergangenen BMF-Schreiben selbst wird der Methodenwechsel zwischen Lohnsteuerabzug und Einkommensteuerveranlagung explizit durch die Finanzverwaltung zugesprochen. Maßgebend ist in diesem Zusammenhang die verwaltungsseitig gestellte Anforderung an die Dokumentation durch den Fahrzeugnutzer. Dieser hat nämlich die tatsächliche Nutzung mit Datumsangabe gegenüber dem Finanzamt glaubhaft zu machen. Liegen solche Aufzeichnungen vor, steht die bestehende gesetzliche Regelung einer Änderung des Lohnsteuerabzugs nicht im Wege. Zu beachten ist, dass im Ergebnis für das Gesamtjahr eine der beiden Methoden einheitlich zur Anwendung kommt. Dies gilt ausdrücklich auch bei einem Fahrzeugwechsel während eines laufenden Kalenderjahres, welcher demnach nicht zum Anlass für einen Bruch in der einheitlichen Methodenwahl genommen werden darf. Die Finanzverwaltung stellt dies bereits im BMF-Schreiben vom 1.4.2011 (BStBl. I S. 301) in Rdnr. 6 Satz 2 eindeutig klar.
Änderung aufgrund von Covid-19
Wird eine Änderung der Methode (hier: von Pauschalansatz nach 0,03 % zu Einzelbewertung mit 0,002 %) aufgrund der pandemischen Lage durch Covid-19 in Erwägung gezogen, kann die Darlegung der tatsächlichen Nutzung auch vereinfacht erfolgen. Die Finanzverwaltung ist nach unserer Erfahrung dazu angehalten, vereinfachte Prüfungsansätze anzuwenden, soweit eine besondere Situation durch Covid-19 gegeben ist. In der Praxis bedeutet dies, dass z. B. in Zeiten eines Lockdowns, in denen das Unternehmen gänzlich geschlossen war und mithin der gesamte Fuhrpark nicht für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte genutzt wurde, auch ein vereinfachter Nachweis geführt werden kann. Hierfür kann beispielsweise die Kommunikation der Geschäftsleitung an alle Beschäftigten, aus der die zeitweise Schließung eines gesamten Standorts und die Anordnung von Homeoffice als Maßnahme zur Pandemieeindämmung hervorgehen, genutzt werden. In diesen Zeiträumen reduziert sich der Zuschlag beim geldwerten Vorteil auf null, da tatsächlich keine Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Tätigkeitsstätte durchgeführt wurden.
Für den Arbeitnehmer bietet der Methodenwechsel den Vorteil einer sofort wirkenden Liquiditätssteigerung. Denn mit der Geltendmachung des steuerlichen Vorteils muss nicht bis zur Einkommensteuerveranlagung gewartet werden. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen wirkt sich die Rückerstattung bisher abgeführter Sozialversicherungsbeiträge aus.
Praxishinweise
Für wen ist die Korrektur hin zur Methode der Einzelbewertung besonders interessant?
Eine Korrektur der Lohnsteueranmeldungen sowie der übermittelten Lohnsteuerbescheinigungen betroffener Firmenwagennutzer für das Kalenderjahr 2021 ist noch bis zum 28. Februar 2022 möglich. Das bedeutet, dass aktuell noch Handlungsmöglichkeiten bestehen, um die Firmenwagennutzung im Pandemiejahr 2021 steuer- und beitragsrechtlich zu optimieren.
Interessant ist dies zum einen für die Mitarbeiter, die einen Firmenwagen nutzen. Die Korrektur des Gesamtjahres hin zur Einzelbewertung bedeutet einen direkt wirkenden Liquiditätsvorteil. Denn die Korrektur im Lohnsteuerabzugsverfahren wirkt sich zeitlich sofort aus, was als klarer Benefit angesehen werden kann. Würde der Steuereffekt im Wege der Veranlagung zur Einkommensteuer des Firmenwagennutzers realisiert werden, geschieht dies typischerweise sehr zeitverzögert – womöglich erst im Jahr 2023. Beispiel 4.a (Pauschalansatz): Bruttolistenneupreis 65.000 Euro; einfache Entfernung 16 km 65.000 Euro × 16 km × 0,03 % × 12 Monate = 3.744,00 Euro Beispiel 4.b (Einzelbewertung): Bruttolistenneupreis 65.000 Euro; einfache Entfernung 16 km; 3 Fahrten im Monat 65.000 Euro × 16 km × 0,002 % × 3 Fahrten × 12 Monate = 748,80 Euro Beispiel 4.c (Differenzbetrachtung): Pauschalansatz (4.a): 3.744,00 Euro Einzelbewertung (4.b): 748,80 Euro Differenz: 2.995,20 Euro Steuereffektbei (48,1 % eff.) 1.440,69 Euro Dieser Satz ergibt sich aus 42 % Einkommensteuer, zzgl. 5,5 % Solidaritätszuschlag und 9 % Kirchensteuer.
Zum anderen ergeben sich auch Vorteile für Arbeitgeber. Einerseits wirken die Korrektur und die daraus resultierende Steuererstattung natürlich als Benefit bei den betroffenen Arbeitnehmern, ohne dass der Arbeitgeber hierfür einen Aufwand hat. Ferner ergeben sich, soweit die Beitragsbemessungsgrenzen in der Sozialversicherung noch nicht überschritten sind, Einsparungseffekte bei den bereits im Rahmen der laufenden Entgeltabrechnung abgeführten Versicherungsbeiträgen. Im Sinne der allgemeinen Beitragsparität wirkt sich der Einspareffekt gleichermaßen bei Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus.
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Würde die Korrektur der Ermittlungsmethode nicht bereits im Lohnsteuerabzugsverfahren umgesetzt, würden sich diese Einsparungspotenziale nicht ergeben, da eine nachträgliche Anrechnung bzw. Rückerstattung von Sozialversicherungsbeiträgen analog zur Einkommen- und Lohnsteuer systemisch nicht vorgesehen ist. Insoweit könnte sich in diesem Zusammenhang auch die Frage nach Ersatzansprüchen einzelner Arbeitnehmer stellen. Unabhängig von der arbeitsrechtlichen Beurteilung, die hier nicht Gegenstand der Betrachtung ist, würde ein proaktives Vorgehen der Arbeitgeber bei den Arbeitnehmern sicherlich positiv wahrgenommen.
Was ist mit den Monaten, in denen keine Fahrten zum Unternehmen stattfinden konnten? Und gibt es Vereinfachungen hinsichtlich der Dokumentation?
In den Kalendermonaten, in denen aufgrund einer pandemiebedingten temporären Schließung eines Unternehmens keine Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte durchgeführt werden konnten, ist neben dem geldwerten Vorteil für die reine Privatnutzung (1 %) kein gesonderter Zuschlag anzusetzen. Dies gilt unabhängig von der allgemeinen Methodenwahl in den übrigen Monaten. Beispiel 6.a (bisheriger Ansatz in der Entgeltabrechnung): Bruttolistenneupreis 65.000 Euro; einfache Entfernung 16 km 65.000 Euro × 16 km × 0,03 % × 12 Monate = 3.744,00 Euro Beispiel 6.b (Korrekturansatz): Bruttolistenneupreis 65.000 Euro; einfache Entfernung 16 km; 3 Fahrten im Monat; Januar und Februar 2021 keine Fahrten möglich wegen angeordneten Homeoffice 65.000 Euro × 16 km × 0,002 % × 3 Fahrten × 10 Monate = 624,00 Euro
Zur Dokumentation kann aus Vereinfachungsgründen auf die allgemeine Unternehmenskommunikation der Geschäftsführung an die Beschäftigten zurückgegriffen werden, wenn diese z. B. die Anordnung von Homeoffice vorsieht. Zum Nachweis der Tage, an denen Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte durchgeführt worden sind, können ebenso zentrale Informationsquellen im Unternehmen herangezogen werden, beispielsweise wenn das Aufsuchen des Unternehmens nur in einem Wechselmodell ermöglicht wurde und sich die Tage über eine zentral geführte Liste zur Nachhaltung der Anzahl der Beschäftigten im Gebäude leicht nachvollziehen lassen.
Kann eine Anpassung der vertraglichen Nutzungsmöglichkeit für die künftige Gestaltung sinnvoll sein?
In den allermeisten Fällen wird der Firmenwagen zwar tatsächlich kaum für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte genutzt worden sein. Demgegenüber war jedoch die Nutzung grundsätzlich möglich. Typischerweise gab es bei den Unternehmen keine obligatorische und für alle Beschäftigten zwingende Anordnung für das Arbeiten aus dem Homeoffice. In der Praxis wurde den Beschäftigten vielmehr eine Quote vorgegeben unter der Maßgabe, diese in zentralen Anwesenheitslisten zu dokumentieren.
Gerade in Monaten, in denen die Nutzer ihren Firmenwagen überhaupt nicht für Fahrten zum Betrieb genutzt haben, kann dies zu möglichen Diskussionen im Rahmen von Prüfungen führen. Insbesondere dann, wenn eben das Nutzungsrecht grundsätzlich eingeräumt ist und es darüber hinaus keine geeigneten Unterlagen und Informationsquellen gibt, anhand derer leicht und eindeutig glaubhaft gemacht werden kann, dass tatsächlich keine Nutzung erfolgt ist.
Vor diesem Hintergrund kann es ratsam sein, das Nutzungsrecht aus der bestehenden Vereinbarung zur Firmenwagennutzung in beiderseitigem Einvernehmen temporär in der Form einzuschränken, dass eben für bestimmte Kalendermonate das Nutzungsrecht für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte vertraglich nicht eingeräumt ist. Die Beweislast liegt dann beim Prüfer. Insoweit ergibt sich von vornherein kein Raum für Diskussionen in einer Prüfung.
Felix Hermsdorf
Andreas Bode
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