Fristlose Kündigung wegen Spesenabrechnungsbetrugs in geringer Höhe

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 Bild: pixabay.com
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Ein Automobilhersteller schickt seine Mitarbeiter regelmäßig auf mehrtägige Fortbildungen und gewährt ihnen im Zuge der Erstattung von Übernachtungskosten auch eine Verpflegungspauschale. Diese wird anteilig gekürzt, wenn den Arbeitsnehmern für eingenommene Mahlzeiten keine Kosten entstanden sind. Für die Reisekostenabrechnungen müssen die Mitarbeiter ein elektronisches Abrechnungssystem nutzen. In der Eingabemaske muss ein Haken gesetzt werden, wenn für Mahlzeiten keine Kosten entstanden sind, etwa weil im Hotel ein Frühstück angeboten war. Für eine viertägige Fortbildungsveranstaltung stellte das Hotel den Mitarbeitern eine Rechnung mit Ausweis des Frühstücks i. H. v. 4,80 Euro pro Tag aus. Als der Hotelmanager bemerkte, dass „über die Rechnungen gesprochen wird“, bot er an, diese zu ändern. Das Hotel stellte anschließend Rechnungen aus, die nicht mehr erkennen ließen, dass neben den Übernachtungskosten auch Kosten für das Frühstück enthalten sind. Bei der Eingabe der Rechnungen in das Abrechnungssystem unterließ es ein Mitarbeiter, durch Setzen des Hakens kenntlich zu machen, dass für das Frühstück keine Kosten angefallen sind. Insgesamt geht es um einen Betrag i. H. v. 19,20 Euro, um den die Verpflegungspauschale nicht gekürzt wurde.

Bei einer Auswertung des Abrechnungssystems kam dies ans Tageslicht. Nach einer längeren Aufklärung des Sachverhalts durch Befragung der Reisegruppe sprach das Unternehmen mehrere fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigungen aus, nachdem es den Betriebsrat angehört hatte. Die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage war im Ergebnis nicht erfolgreich.

Der Kläger erhob zahlreiche Einwendungen gegen die Kündigungen, so u. a., dass die Daten des Dienstreisesystems nicht verwertet werden dürfen, weil der Betriebsrat entgegen einer Betriebsvereinbarung der Auswertung nicht zugestimmt habe.

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Damit hatte der Kläger keinen Erfolg. Das Gericht war der Auffassung, dass er seine arbeitsvertragliche Pflicht, auf die Vermögensinteressen des Unternehmens Rücksicht zu nehmen, objektiv verletzt hatte, indem er bei der Abrechnung seiner Reisekosten das Frühstück nicht angegeben hatte. Diese Erkenntnis dürfe auch prozessual verwertet werden, selbst wenn die Auswertung des Abrechnungssystems gegen eine Betriebsvereinbarung verstieße. Ein Verwertungsverbot von Sachvortrag kennt weder das deutsche Zivilprozessrecht noch das Betriebsverfassungsgesetz. Ein Tatsachenvortrag kann unschlüssig oder unbewiesen sein, nicht aber unverwertbar.

Ein Verwertungsverbot käme allenfalls dann in Betracht, wenn die Verwendung rechtswidrig erlangter Informationen einen schweren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der anderen Partei darstellen würde. Dies war hier jedoch nicht festzustellen. Mit der vorsätzlichen Falschabrechnung brach der Kläger das über die nicht ganz fünfjährige Dauer seines Arbeitsverhältnisses hinweg aufgebaute Vertrauen des Arbeitgebers in seine Loyalität. Die geringe Höhe des drohenden Schadens i. H. v. 19,20 Euro verhindert den Vertrauensverlust nicht, denn dieser knüpft an die Illoyalität als solche an.

Auch war eine Abmahnung entbehrlich. Der Kläger hat vorsätzlich falsch abgerechnet, um sich einen finanziellen Vorteil zu Lasten der Beklagten zu verschaffen. Dabei musste er wissen, dass Unehrlichkeiten dieser Art vom Arbeitgeber nicht akzeptiert würden (Sächsisches LAG, Urt. v. 21.3.2022 – 1 Sa 374/20, rk.).

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Fristlose Kündigung wegen Spesenabrechnungsbetrugs in geringer Höhe
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