Fünf Mythen zu New Work

Schöne neue Arbeitswelt
Aktuell wird New Work intensiv auf Tagungen und in Publikationen diskutiert. Dabei fällt auf, dass sowohl eine konkrete Definition als auch eine Abgrenzung gegenüber ähnlichen Konstrukten oftmals fehlen. Dieser Beitrag stellt eine kurze historische Perspektive dar, auf deren Basis fünf häufige Mythen beleuchtet werden.
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 Bild: bramgino/stock.adobe.com
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1 Ausgangssituation und historische Entwicklung

In den letzten Monaten entsteht der Eindruck, dass sich beinahe alle großen Konzerne und etablierte mittelständische Unternehmen mit New Work schmücken möchten. In Learning Journeys werden Startups besucht, um deren Arbeitsweise und New-Work-Kultur kennenzulernen und damit diese Bewegung auch in traditionellen Unternehmen zu etablieren. Dabei stellt sich allerdings die Frage, was überhaupt unter New Work verstanden wird und wie es zu dieser Entwicklung gekommen ist. Ich will deshalb an mehreren Stellen Mythen aufgreifen, die immer wieder diskutiert werden und die einer fundierten Auseinandersetzung nicht standhalten.

Sinnvoll ist für eine systematische Annäherung in einem ersten Schritt eine historische Betrachtung. Dabei kann man Frithjof Bergmann als Begründer der New-Work-Bewegung ansehen, wobei der Ursprung von ihm bereits vor etwa 40 Jahren gelegt wurde (vgl. hierzu das Interview mit ihm in AuA 9/17, S. 530). Das ist insbesondere deshalb sehr interessant, weil zahlreiche aktuelle Auseinandersetzungen mit dem Thema den Schluss nahelegen, dass es sich um eine besonders neue Entwicklung handelt.

Allerdings hat das damalige Konzept von Bergmann nur an einigen Stellen Gemeinsamkeiten mit der aktuellen Diskussion. Seinem Ansatz nach kann eine Dreiteilung der Erwerbstätigkeit zu mehr Freiheit jedes Menschen führen:

  • Ein Drittel der Arbeitszeit besteht aus regulärer Erwerbsarbeit.
  • Ein Drittel der Arbeitszeit ist Selbstversorgung auf höchstem Niveau.
  • Ein Drittel der Arbeitszeit wird mit Arbeit gefüllt, für die man wirklich (wirklich) Leidenschaft besitzt.

Diese Dreiteilung fördert sowohl die gesellschaftliche Entwicklung als auch die individuelle Freiheit. Gleichzeitig wird durch die Selbstversorgung auf sehr hohem technischen Niveau die Unabhängigkeit jedes Einzelnen gefördert, so dass durch Arbeit kein umfassendes Abhängigkeitsverhältnis mehr entsteht. Die Zielsetzung dieser Dreiteilung ist eine größere Autonomie jedes Menschen und eine stärkere Sinnhaftigkeit der eigenen Tätigkeit bei intensiverer Einbindung in die Gesellschaft.

2 Mythos 1: Neue Bewegung der letzten Jahre

Auffällig am weiteren historischen Werdegang ist, dass New Work erst vor einigen Jahren wieder an Aufmerksamkeit gewonnen hat – oftmals als vermeintlich neue Entwicklung. Bereits an dieser Stelle muss also angemerkt werden, dass es sich keineswegs um eine neue Bewegung handelt, sondern dass New Work bereits seit Jahrzehnten existiert.

Ähnlich wie bei der Bewegung New Work, die ihren Ursprung vor etwa 40 Jahren hat, verhält es sich auch bei Agilität. Momentan entsteht sowohl aufgrund mancher Publikationen als auch aufgrund der Dominanz des Agilitätsbegriffs der Eindruck, dass es sich um ein neues Thema handelt. In der Wissenschaft wurden allerdings bereits in den 60er-Jahren des vorherigen Jahrhunderts Forschungsarbeiten zu organisationaler Agilität veröffentlicht, so dass diese Aussage keineswegs haltbar ist. Aus wissenschaftlicher Sicht ist bei allen aktuellen Trends – von Agilität bis hin zu New Work – immer eine kritische Perspektive und vor allem eine fundierte Recherche empfehlenswert. An vielen Stellen handelt es sich doch um alten Wein in neuen Schläuchen oder um ein Wiederaufleben bekannter Theorien und Modelle, die aufgrund einer Veränderung des Zeitgeistes oder der wirtschaft-lichen Entwicklung neue Relevanz bekommen.

Viele Diskussionen thematisieren New Work insbesondere auf einer Ebene mit den veränderten Erwartungen jüngerer Generationen. Die Generationen Y und Z, d. h. Personen jünger als ca. 35 Jahre, haben schließlich ganz neue Erwartungen in Bezug auf die Integration der Arbeit in das eigene Leben und auf die Sinnhaftigkeit der eigenen Berufstätigkeit. Zweifellos haben jüngere Mitarbeiter durch ihre Sozialisation in den letzten 15–30 Jahren ein anderes Profil entwickelt, als es bei manchen älteren Mitarbeitern der Fall ist.

3 Mythos 2: Ausschließlich jüngere Mitarbeiter betroffen

Jedoch sind Studienergebnisse zur angeblich einheitlichen Erwartungshaltung der Generation Y und Z sehr heterogen, so dass sie einer fundierten Analyse kaum standhalten. Es erscheint folglich plausibler, von Tendenzen zu sprechen und diese nicht an einzelnen Generationen festzumachen, sondern im Kontext einer größeren gesellschaftlichen Entwicklung zu sehen. Dieser Mythos lässt sich auch anhand verschiedener Entwicklungen der letzten Jahre kritisch sehen. Gewerkschaften thematisieren Arbeitszeitflexibilisierung in Tarifverhandlungen und der öffentliche Dienst ist ein sehr beliebter Arbeitgeber bei Studien- und Schulabsolventen – die Erwartungen und Bedürfnisse von Generationen müssen demnach heterogener und vor allem vielschichtiger betrachtet werden.

Zweifellos ist die Akzeptanz der New-Work-Bewegung auch deshalb bei jüngeren Menschen besonders präsent, weil bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf das Thema an Bedeutung gewinnt. Doch spielt die Sinnhaftigkeit dann möglicherweise eine geringere Rolle als die Sicherheit und Planbarkeit, so dass New Work nicht immer die passende Bezeichnung ist und eine ausschließliche Fokussierung auf jüngere Mitarbeiter der Realität nicht gerecht wird.

An dieser Stelle ist eine Abgrenzung von ähnlichen Begriffen wichtig, um die zentralen Aspekte von New Work aufzuzeigen. Anhand der historischen Entwicklung lassen sich insbesondere Freiheit und Sinnhaftigkeit des Individuums im Rahmen der Arbeitstätigkeit ableiten. Freiheit geht folglich mit Wahlmöglichkeiten bei der eigenen Arbeitstätigkeit einher, wohingegen Sinnhaftigkeit die eigene Arbeitstätigkeit in einen größeren gesellschaftlichen Zusammenhang stellt. Dabei spielt auch Spaß eine zentrale Rolle, da Arbeit als positiver Bestandteil des eigenen Lebens eben keine Pflicht sein soll, sondern auch auf emotionaler Ebene einen positiven Beitrag zum eigenen Leben leisten soll.

Die Arbeitswelt 4.0 wird an manchen Stellen mit New Work gleichgesetzt, da hier ebenfalls die Flexibilisierung der eigenen Arbeitstätigkeit im Mittelpunkt steht. Auch veränderte Arbeitsbeziehungen spielen in der Arbeitswelt 4.0 eine große Rolle, nachdem die Entwicklung in Richtung sinnhafter Arbeit geht. Analog sind digitalisierte Arbeitsprozesse ein zentraler Aspekt dieser Entwicklung, nachdem die Digitalisierung eine Voraussetzung für die zeitliche und örtliche Flexibilisierung der Arbeitstätigkeit darstellt.

4 Mythos 3: Umfassende Digitalisierung vorausgesetzt

New Work setzt erst einmal keine Digitalisierung voraus. Als Arbeitsdefinition von New Work kann man die Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeitstätigkeit bei größtmöglicher Freiheit festhalten. Digitalisierte Arbeitsprozesse erhöhen an vielen Stellen die Freiheitsgrade der Flexibilisierung, doch sind sie keine zwingende Voraussetzung dafür. Wichtiger sind bei New Work

  • die Zusammenarbeit auf Augenhöhe,
  • demokratischere oder zumindest extrem partizipative Prinzipien der Führung,
  • intensiver Austausch und
  • gegenseitige Unterstützung.

Präsenz hat bei New Work eine besondere Bedeutung, da sich Zusammenarbeit auf Augenhöhe bspw. weitaus schwerer umsetzen lässt, wenn man aus der Distanztätig wird. Natürlich sind Homeoffice und flexible Arbeitszeit- und Arbeitsortmodelle oftmals eine Facette von New Work, doch sie sind eher verschiedene Mosaiksteine, die erst im Gesamten wirklich zu New Work führen.

Momentan wird in manchen Vorträgen und Seminaren der Eindruck vermittelt, dass sich New Work in wenigen Schritten oder mit der Einführung einer digitalen Lösung umsetzen lässt. Gerade die Vielschichtigkeit von New Work macht es notwendig, dass weitaus mehr als Arbeitszeit- und Arbeitsortmodelle verändert werden und dass ein neues Tool nicht automatisch einen Unterschied macht.

5 Mythos 4: New Work lässt sich schnell umsetzen

New Work muss letztlich am Kern der Unternehmenskultur ansetzen, damit es sich um einen glaubwürdigen und gleichzeitig langfristig nachhaltigen Veränderungsprozess handelt. Wichtig ist somit die Feststellung, dass der Weg in Richtung New Work ein umfassender Prozess der Kulturveränderung ist. Unternehmenskultur ist dabei sehr träge und verändert sich in Zeithorizonten von Jahren und nicht von Wochen oder Monaten. Darüber hinaus können als Unternehmenskultur die implizit sozial geteilten Regeln, Rituale, (Helden-)Geschichten und Prozesse verstanden werden. Die Entscheidung der Unternehmensleitung ändert also erst einmal gar nichts an der jeweiligen Kultur, wenn sich nicht die implizit sozial geteilten Regeln, Rituale, (Helden-)Geschichten und Prozesse über die Zeit hinweg wandeln.

Gerade in traditionellen Unternehmen mit einer langjährigen Historie ist ein Veränderungsprozess in Richtung New Work sehr komplex. Eine größere Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeitstätigkeit kollidiert erst einmal mit einer starken Arbeitsteilung und einer oftmals sehr ausgeprägten organisationalen Bürokratie. Darüber hinaus kollidiert die individuelle Freiheit mit organisationalen Regeln und mit der Macht der Führungskräfte. Insofern ist New Work jenseits der positiven Assoziationen schnell eine Gefahr für die bisherigen Strukturen und somit mehr Lippenbekenntnis als echter Veränderungsprozess.

An manchen Stellen entsteht momentan der Eindruck, dass die Verantwortlichen in den Unternehmen trotz des Hypes um New Work keine Notwendigkeit zur Veränderung sehen. New Work wird vorüberziehen, genau wie viele andere Trends vorübergezogen sind. Diese Ansicht vertreten insbesondere Mitarbeiter, die traditionell hierarchisch sozialisiert sind und der stärkeren Selbstorganisation, Sinnhaftigkeit und Freiheitsbetonung eher kritisch gegenüberstehen.

6 Mythos 5: Ein Trend, der schnell vorüberzieht

Dieser Mythos muss insbesondere im Kontext von Agilität beantwortet werden. Wenn man Agilität als Anpassungsfähigkeit eines Unternehmens an veränderte interne und externe Rahmenbedingungen sieht, dann ist New Work eine zentrale Voraussetzung für die organisationale Agilität. Der Wettbewerb um Mitarbeiter bestimmter Tätigkeitsprofile wird in den nächsten Jahren stark zunehmen, so dass mit traditionell hierarchischen Führungs- und Arbeitsstrukturen die Attraktivität abnehmen wird. New Work schließt hier eine zentrale Lücke, um die Anpassungsfähigkeit eines Arbeitgebers langfristig aufrechtzuerhalten und Mitarbeiter in flexiblen Beschäftigungsverhältnissen zu gewinnen und zu binden.

Dabei kann für den einen Mitarbeiter ein Vollzeitarbeitsverhältnis passend sein, doch für einen Kollegen in einer anderen Lebensphase ist eine Stelle mit 60 % das einzig Wahre. Wiederum ein anderer Mitarbeiter versteht unter Freiheit die Tätigkeit für zwei Unternehmen, wobei ein anderer lediglich sechs Monate pro Jahr arbeiten möchte, um sich in der anderen Zeit privaten Aktivitäten zu widmen. Darüber hinaus spielen die Werte des Unternehmens eine große Rolle für jeden der aufgeführten Arbeitnehmer, da ihnen eine Passung zwischen ihrer eigenen Grundhaltung und der Positionierung des Unternehmens sehr wichtig sind. Genau das und noch viel mehr bedeutet New Work – und genau darauf müssen sich Arbeitgeber einstellen, wenn sie im Wettbewerb um Talente erfolgreichen sein möchten.

7 Praktische Ansatzpunkte für Unternehmen

Aus den dargestellten Mythen rund um New Work lassen sich mehrere praktische Ansatzpunkte für Unternehmen ableiten, die im Folgenden auf verschiedenen Ebenen dargestellt werden. Dabei ist wichtig, dass es nicht den einen Weg gibt, nachdem immer auch die Historie des jeweiligen Unternehmens und die spezifische Kultur berücksichtigt werden müssen.

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Führung ist für New Work eine wichtige Stellschraube. Die vorhandene (und zukünftige) Führungskultur kann den Veränderungsprozess in Richtung New Work erleichtern oder erschweren. Bei fehlender Verankerung der zentralen Eckpfeiler wie Sinnhaftigkeit und Freiheit in der Führungskultur, wird die Veränderung schnell unglaubwürdig, so dass der Effekt verpuffen kann. Außerdem erfordert New Work ein neues Selbstbild von Führungskräften, da nicht mehr Macht und Hierarchie im Mittelpunkt stehen, sondern Visionen, gemeinsame und individuelle Entwicklung und Begegnungen auf Augenhöhe. Für Führungskräfte kann dieser Wandel aus einer traditionellen hierarchischen Sozialisation heraus durchaus sehr herausfordernd sein, nachdem bisher gültige Führungs- und Hierarchieprinzipien grundlegend hinterfragt und neu definiert werden. Partizipation steht dabei weitaus mehr im Vordergrund, als man es möglicherweise bisher gewohnt war. Doch genau das ist ein notwendiger Ausgangspunkt, um einen glaubwürdigen Transformationsprozess der Führungskultur zu initiieren.

Selbstorganisation ist nicht zwingend für New Work erforderlich, doch können Prinzipien der Selbstorganisation die Einführung von New Work und auch von Agilität beschleunigen. Außerdem ist New Work ohne Selbst-organisation kein tiefgreifender Wandel der Arbeitswelt, sondern eher eine evolutionäre Weiterentwicklung. Selbstorganisation bedeutet dabei erst einmal eine höhere Komplexität, doch steigt gleichzeitig die potenzielle Freiheit der Organisationsmitglieder und durch die zunehmende Partizipation kann auch die wahrgenommene Sinnhaftigkeit der eigenen Tätigkeit zunehmen. Dabei muss Selbstorganisation nicht zwangsweise bedeuten, dass Hierarchien vollkommen abgeschafft werden, wie es bei vollständig demokratischen Unternehmen der Fall wäre. Doch selbstorganisierte Prozesse bei der Entwicklung von Mitarbeitern, bei zentralen Entscheidungen und bei verschiedenen Prozessen können New Work stark unterstützen. Darüber hinaus stehen New Work und Agilität insofern in einem direkten Zusammenhang, als dass New Work letztlich eine anpassungsfähige und sinnhafte Arbeitswelt darstellt. Insofern ist damit bereits ein Aspekt von Agilität aus der Innenperspektive umgesetzt. Wenn die Beteiligten im nächsten Schritt die Anpassungsfähigkeit in Richtung Kunden als weiteres Merkmal von Agilität berücksichtigen, dann kann New Work in einem größeren Zusammenhang mit Agilität gesehen werden.

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Agilität lässt sich in mehreren Wellen darstellen. Nach der organisationstheoretischen Welle Mitte des letzten Jahrhunderts folgte eine Fokussierung auf agile Produktion. Danach änderte sich der Schwerpunkt durch die zunehmende Bedeutung der Informationstechnologie auf agile Softwareentwicklung. Dabei ist Scrum ein Schlagwort, das oftmals als zentrale agile Methode gesehen wird, wobei es sich nur um einen möglichen methodischen Ansatzpunkt handelt. Spannend ist bei einem fundierten Blick auf Agilität, dass es weniger eine methodische Fragestellung ist, sondern insbesondere eine veränderte Grundhaltung. Am Beispiel Scrum lässt sich das gut verdeutlichen: Nicht ein Teamleiter definiert und verteilt die Arbeitspakete und überprüft aus hierarchischer Perspektive den Fortschritt, sondern alle Teammitglieder organisieren sich selbst. Dabei werden sie allerdings von einem Scrum Master begleitet und ein Product Owner steht im Hintergrund, dennoch ist die tägliche Arbeit von Selbstorganisation geprägt. Dieses Prinzip lässt sich wunderbar auf New Work übertragen, wo auch nicht ein Teamleiter die Arbeitsaufgaben, -zeiten und -orte der Mitarbeiter festlegt, sondern gemeinsam neue Wege definiert und gegangen werden, um sinnhaft, produktiv und zufrieden gemeinsam zu arbeiten. Hierarchie spielt im Sinne einer disziplinarischen Entscheidungsbefugnis somit keine Rolle mehr – oder zumindest nur noch eine untergeordnete – wohingegen die moderierende und begleitende Rolle von Führung stärker in den Mittelpunkt rücken muss. Insofern sind die Ansatzpunkte Führung und Selbstorganisation bei einem Transformationsprozess in Richtung New Work auch sehr eng miteinander verbunden.

8 ZeitlicheFlexibilisierung

Der Aspekt der zeitlichen Flexibilisierung der Arbeitstätigkeit spielt bereits im ursprünglichen Konzept von New Work nach Frithjof Bergmann eine wichtige Rolle. Allerdings haben sich die Erwartungen und Bedürfnisse seitdem noch einmal grundlegend weiterentwickelt, da insbesondere durch den technologischen Fortschritt ortsunabhängiges Arbeiten erleichtert wird. New Work bedeutet also immer auch das kritische Hinterfragen vermeintlich „normaler“ Arbeitszeit- und Arbeitsortmodelle.

Gerade in den letzten Monaten und Jahren zeichnen sich Entwicklungen in neue Richtungen ab, nachdem die Vier-Tage-Woche von einigen kleineren Firmen eingeführt wurde. Verallgemeinerbare wissenschaftliche Befunde fehlen aktuell noch, doch zumindest beginnt ein Umdenken auf verschiedenen Ebenen, auch wenn die Tätigkeit und die Branche natürlich maßgeblich über die Möglichkeiten der Flexibilisierung entscheiden. Zweifellos müssen Unternehmen ihre bisherigen Arbeitszeit- und -ortmodelle weiterentwickeln, wenn New Work langfristig und nachhaltig vorangetrieben werden soll. Die letzten Verhandlungsergebnisse der Gewerkschaften haben gezeigt, dass die Flexibilisierung bei den Arbeitszeiten neben der Vergütung ein zentrales Thema darstellt.

9 Organisationskultur

Kultur und Werte müssen ebenfalls bei jedem Transformationsprozess in Richtung New Work bearbeitet werden. Dabei geht es insbesondere auch um Glaubenssätze, die im Unternehmen verbreitet sind – sowohl unter Mitarbeitern als auch unter Führungskräften. Wenn bspw. Erfolg mit möglichst langen Arbeitszeiten assoziiert wird, dann macht eine Flexibilisierung der Arbeitszeitmodelle keinen Unterschied. Die Veränderung von Glaubenssätzen, von Ritualen und von sozialen Regeln ist ein umfassender Kulturwandel, doch genau das macht den Weg frei für New Work. Schließlich geht es nicht nur um Veränderungen an der Oberfläche, sondern um einen tiefgreifenden Wandel in Richtung einer sinnhafteren und freieren Arbeitswelt. Kultur und Werte können nur in einem umfangreichen und mehrjährigen Veränderungsprozess gemeinsam entwickelt werden, wenn sowohl die Unternehmensleitung als auch mittlere Führungskräfte und Mitarbeiter sowie Gremien der Mitbestimmung aktiv einbezogen sind. Kultur lässt sich nicht verordnen, auch wenn sich das viele Manager wünschen würden und auch wenn manche Vorstände in den letzten Jahren den Eindruck vermitteln.

Es reicht allerdings beileibe nicht aus, dass man die Krawatte weglässt und das „Du“ über alle Ebenen hinweg einführt. All diese Punkte können jeweils ein Mosaikstein von vielen sein, um Kulturentwicklung in einer Organisation voranzutreiben. Doch Glaubenssätze, Rituale, (Helden-)Geschichten und andere kulturrelevante Prozesse und Strukturen überdauern sichtbare Veränderungen, wenn nicht gleichzeitig am Kern der Kultur angesetzt wird. Genau hier kann ein Wandel in Richtung New Work nur dann gelingen, wenn auf Partizipation und (zumindest teilweise) Selbstorganisation gesetzt wird.

10 Fazit

New Work ist eine spannende Bewegung und eine spannende Perspektive für die Arbeitswelt. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass an vielen Stellen eine oberflächliche oder einseitige Auseinandersetzung mit dem Thema erfolgt. Ein Veränderungsprozess in Richtung New Work bedeutet immer ein kritisches Hinterfragen der aktuellen Situation, eine Analyse der eigenen Kultur und ein Prozess der Kulturentwicklung auf verschiedensten Ebenen. Neben Systematik ist vor allem auch ein langer Atem erforderlich, da aus zeitlicher Perspektive mehrere Jahre sicherlich realistischer als mehrere Wochen oder Monate erscheinen. Umso wichtiger sind mutige erste Schritte, um sich auf die Reise in Richtung New Work zu machen!

(Anm. d. Red.: Für ganz kurz Entschlossene: Am 7.11. findet ein Webinar zum Thema „Schöne neue Arbeitswelt“ statt. Anmeldung unter: www.arbeit-und-arbeitsrecht.de/schoene-neue-arbeitswelt)

Prof. Dr. Simon Werther

Prof. Dr. Simon Werther

· Artikel im Heft ·

Fünf Mythen zu New Work
Seite 658 bis 662
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