Gesunde Teams, starke Unternehmen

Ganzheitliches Wellbeing löst traditionelle Corporate Benefits ab

Zufriedene Mitarbeiter fördern nicht nur das Betriebsklima, sondern sind auch der Schlüssel für langfristigen Unternehmenserfolg. Wie können Arbeitgeber dafür sorgen, dass sich ihre Angestellten am Arbeitsplatz wohlfühlen und gleichzeitig den modernen Arbeitsanforderungen gewachsen sind? Im Interview verrät Ferdinand Teuber, Head of Germany Corporate Business bei Wellhub, welche Bedeutung ganzheitliches Corporate Wellbeing für die Gesundheit der Mitarbeiter hat, welche Strategien wirklich funktionieren und welche Trends die Zukunft bestimmen.

1105
Ferdinand Teuber, Head of Germany Corporate Business bei Wellhub Bild: Wellhub
Ferdinand Teuber, Head of Germany Corporate Business bei Wellhub Bild: Wellhub

Arbeiten die Beschäftigten in Deutschland zu viel und zu hart? Die aktuellen Diskussionen um „Null-Bock-Tage“, die Viertagewoche und mehr Freizeitausgleich zeigen jedenfalls, dass das Thema Work-Life-Balance an Bedeutung gewinnt. Glaubt man den aktuellen Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (https://doku.iab.de/forschungsbericht/2024/fb2024.pdf), so arbeiten die Deutschen zumindest mehr als noch vor einem Jahr: Das Arbeitsvolumen stieg hierzulande im zweiten Quartal 2024 auf rund 14,7 Milliarden Stunden, was einem Plus von 0,8 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht. Auch die durchschnittliche Arbeitszeit je Erwerbstätigen erhöhte sich um 0,4 % auf 318,2 Stunden. Und: Im Durchschnitt leisteten Arbeitnehmer im zweiten Quartal 2024 2,9 bezahlte und 4,1 unbezahlte Überstunden.

Klar ist: Längere Arbeitszeiten und mehr Überstunden bringen neue Herausforderungen mit sich. Chronische Belastungen und Stress können zunehmen. Ein sensibles Thema, auf das Unternehmen Antworten und Lösungen haben sollten. Ein grundlegender Schritt für Arbeitgeber ist es daher, auf das Wohlbefinden und die Gesundheit der Beschäftigten zu achten und aktiv in das körperliche und seelische Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter zu investieren, Stichwort: Corporate Wellbeing.

Dabei lassen sich zwei Ansätze unterscheiden: Das traditionelle Corporate Wellbeing konzentriert sich auf die Förderung des körperlichen Wohlbefindens, etwa durch Fitnessprogramme und Vorsorgeuntersuchungen. Ein Ansatz, der in der heutigen Arbeitswelt an seine Grenzen stößt. Der Trend geht daher zum sog. ganzheitlichen Corporate Wellbeing. Es geht über den körperlichen Aspekt hinaus und berücksichtigt auch die psychische Gesundheit und das soziale Umfeld. Maßnahmen sind hier bspw. Kurse zur Stressbewältigung und andere Möglichkeiten zur Förderung einer besseren Work-Life-Balance.

Traditionelles Corporate Wellbeing:

  • Fokus: physische Gesundheit und Krankheitsprävention
  • Beispiele: Betriebssport, Gesundheitschecks, Ernährungsberatung, Raucherentwöhnung
  • Ziele: Reduzierung von Krankheitsfällen, Senkung der Gesundheitskosten
  • kurzfristige, reaktive Maßnahmen

Ganzheitliches Corporate Wellbeing:

  • Fokus: physische, psychische, soziale und finanzielle Gesundheit
  • Beispiele: Stressmanagement, Kurse zur besseren Work-Life-Balance, Coaching für die mentale Gesundheit, Finanzberatung
  • Ziele: Verbesserung der Lebensqualität, Steigerung der Mitarbeiterbindung
  • langfristige Förderung des Wohlbefindens

Herr Teuber, können Sie zu Beginn zunächst erläutern, wie sich das Verständnis von Corporate Wellbeing in den letzten Jahren verändert hat?

Das Verständnis von Corporate Wellbeing hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Nicht nur die körperliche Gesundheit, sondern auch psychische Belastungen und die Work-Life-Balance sind heute zentrale Themen für Unternehmen. Die wirtschaftliche Unsicherheit der letzten Jahre und der Fachkräftemangel haben den Druck erhöht, das Wohlbefinden der Mitarbeiter in den Mittelpunkt zu stellen, um sowohl die Produktivität zu steigern als auch Talente zu binden.

Wie profitiert ein Unternehmen überhaupt von einem gesteigerten Wohlbefinden seiner Mitarbeiter?

Es lohnt sich in vielerlei Hinsicht, in die Gesundheit der Mitarbeiter zu investieren. Entsprechende Maßnahmen senken die Zahl der Krankheitstage und steigern gleichzeitig die Motivation und Leistungsfähigkeit im Team. Studien (https://wellhub.com/en-us/blog/press-releases/study-reveals-strong-retu…) zeigen: Unternehmen, die in das Wohlbefinden ihrer Teams investieren, profitieren auch wirtschaftlich. Für jeden Euro, der in solche Programme fließt, kommt das Drei- bis Vierfache an Wertschöpfung zurück.

Was genau bewirken solche Investitionen im Hinblick auf Produktivität und Fehlzeiten?

An einem Beispiel lässt sich das gut verdeutlichen: Stellen Sie sich vor, ein Unternehmen führt regelmäßige Gesundheitschecks oder flexible Arbeitszeiten ein. Dadurch sinken die Fehlzeiten deutlich, weil die Mitarbeiter gesünder und motivierter sind. Gleichzeitig steigt die Produktivität, weil zufriedene und ausgeglichene Mitarbeiter mehr Energie und Engagement einbringen können.

Wie wichtig ist also neben der psychischen Gesundheit auch die finanzielle und soziale Unterstützung?

Sehr wichtig. Wenn Mitarbeiter sich finanziell abgesichert fühlen, arbeiten sie besser und entspannter. Finanzcoaching oder -beratung helfen, finanzielle Sorgen zu lindern. Darüber hinaus tragen soziale Maßnahmen wie regelmäßige Teamevents oder Kommunikationstrainings dazu bei, sich besser auszutauschen und ein stärkeres Teamgefühl zu entwickeln. Das ist für die gesamte Unternehmenskultur äußerst vorteilhaft.

Während traditionelle Corporate-Wellbeing-Maßnahmen oft auf kurzfristige Effekte abzielen, setzen ganzheitliche Ansätze auf langfristige Ergebnisse. Was sind die konkreten Vorteile eines ganzheitlichen Corporate-Wellbeing-Modells?

Neben den bereits genannten Vorteilen wie erhöhter Mitarbeiterbindung und verbesserter Motivation wirkt sich Corporate Wellbeing auch positiv auf die Arbeitgebermarke aus. Unternehmen, die in das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter investieren, senden ein klares Signal von Verantwortung und Fürsorge. Ein solches Engagement verbessert also nicht nur das interne Betriebsklima, sondern macht das Unternehmen auch nach außen hin als attraktiven Arbeitgeber sichtbar. Gerade in Zeiten, in denen Work-Life-Balance und eine gesunde Unternehmenskultur immer wichtiger werden, trägt ein starkes Image dazu bei, sich von der Konkurrenz abzuheben und einen größeren Talentpool zu erschließen.

Sie haben bereits einige Vorteile von Corporate Wellbeing für Unternehmen genannt: Was erwarten Arbeitgeber darüber hinaus, wenn sie in solche Programme investieren?

Arbeitgeber legen großen Wert darauf, dass Corporate-Wellbeing-Programme nicht nur effektiv, sondern auch einfach umzusetzen sind. Sie erwarten schnelle, messbare Ergebnisse und möchten, dass sich die Investition möglichst schnell auszahlt. Entscheidend ist auch, dass die Verwaltung der Programme unkompliziert bleibt – sie sollen also die gewünschten Effekte erzielen, ohne zusätzlichen bürokratischen Aufwand zu verursachen.

Welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung?

Die Digitalisierung ist entscheidend, weil sie Wellnessprogramme zugänglicher und flexibler macht. Digitale Plattformen oder Apps ermöglichen es den Mitarbeitern, Angebote wie Meditationsübungen, Fitnessprogramme oder Schlafcoachings überall und jederzeit zu nutzen – ob im Büro, im Homeoffice oder unterwegs. Darüber hinaus hilft die Digitalisierung, Maßnahmen individuell anzupassen und ihren Erfolg zu messen. Unternehmen können analysieren, welche Angebote besonders nachgefragt werden und ihr Programm entsprechend optimieren. Ein weiterer Vorteil ist die Automatisierung von administrativen Prozessen wie Anmeldungen oder Terminkoordination, was die Verwaltung deutlich erleichtert. Tatsächlich zeigt unser aktueller Wellhub Trends Report „Year in Review“, dass Beschäftigte, die an persönlichen und digitalen Wellbeing-Aktivitäten teilnehmen, doppelt so engagiert sind wie diejenigen, die nur eine Wellbeing-Methode nutzen.

Können auch kleinere Unternehmen oder Firmen mit begrenztem Budget ihren Mitarbeitern ein wertvolles Wellbeing-Angebot bieten?

Natürlich. Es muss nicht immer das teure Rundum-Programm sein, auch viele kleinere Maßnahmen können sehr wirkungsvoll sein. Dazu gehören z.B. flexible Arbeitszeiten, regelmäßige Teamevents und die Förderung einer offenen, respektvollen Kommunikation. Das steigert nicht nur das Wohlbefinden, sondern auch den Zusammenhalt und das Engagement im Unternehmen. Manchmal reicht es auch schon, wenn das Unternehmen ein Umfeld schafft, in dem sich die Mitarbeiter wertgeschätzt fühlen, etwa durch regelmäßige Feedbackgespräche. Das schafft die Basis für ein gutes Corporate Wellbeing, ohne viel Geld zu kosten.

Was erwarten Mitarbeiter von solchen Programmen?

Die Mitarbeiter wünschen sich Programme, die sie in ihrem Arbeitsalltag gut nutzen können, ohne dass sie dafür zusätzlichen Aufwand betreiben müssen. Corporate Wellbeing soll entlasten und nicht zusätzlich belasten. Flexibilität und individueller Nutzwert sind dabei entscheidend. Wichtig ist ihnen auch, dass persönliche Anliegen oder Herausforderungen, die sie im Rahmen solcher Programme thematisieren, vertraulich bleiben und nicht über den geschützten Raum hinausgetragen werden.

Gerade Führungskräfte auf der C-Level-Ebene können eine starke Vorbildfunktion für das Thema psychische Gesundheit im Unternehmen übernehmen, das in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen hat. Wie sehen Sie die Rolle der Führungskräfte in diesem Bereich?

Führungskräfte sollten dafür sorgen, dass man sich im Unternehmen sicher fühlt, Emotionen zeigen darf und auch mal über Belastungen sprechen kann – ohne Scham oder Angst. Wenn sie selbst auf eine gute Balance achten und das Thema offen ansprechen, wirkt sich das auf das ganze Team aus: Es wird normaler, über psychische Gesundheit zu sprechen, und niemand hat mehr das Gefühl, sich verstecken zu müssen. Nicht zuletzt ist die Beteiligung von C-Level-Führungskräften an Wellbeing-Programmen ein guter Indikator für eine gesunde Unternehmenskultur – dies bestätigt auch unser Work-Life-Wellbeing-Report.

Wie können Führungskräfte das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter auch unabhängig von Programmen im Alltag fördern?

Ein wichtiger Aspekt ist, dass Führungskräfte durch regelmäßige Gespräche und gezielte Pausen das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter aktiv unterstützen. Darüber hinaus können kleine Teamevents oder informelle Treffen den Zusammenhalt fördern. Sie sollten ein Umfeld schaffen, in dem sich die Mitarbeiter wohlfühlen und sich nicht scheuen, belastende Momente zu thematisieren. Eine Führungskraft, die regelmäßig

1:1-Gespräche führt,

Feedback gibt,

lobt,

motiviert und

auf persönliche Bedürfnisse eingeht,

hat schon viel gewonnen.

Eine zentrale Rolle spielt dabei die Personalabteilung, die Maßnahmen entwickeln muss, um auf die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter eingehen zu können. Welche Strategien gibt es, um diese zu erkennen und wie kann sichergestellt werden, dass Wellbeing-Maßnahmen auch langfristig umgesetzt werden?

Wichtig ist ein kontinuierlicher Dialog mit den Mitarbeitern. Regelmäßige Befragungen sind ein gutes Mittel, um allgemeine Trends und Bedürfnisse zu erkennen, bspw. in Bezug auf Stress, Arbeitsbelastung oder Arbeitszufriedenheit. Diese Befragungen sollten jedoch durch Einzelgespräche und Fokusgruppen ergänzt werden, um auch tiefere, spezifische Einblicke zu erhalten und auf persönliche Anliegen eingehen zu können. Die Umsetzung endet jedoch nicht mit der Ermittlung der Bedürfnisse. Es ist wichtig, dass Wellbeing-Programme regelmäßig evaluiert und an die sich ändernden Bedürfnisse der Mitarbeiter angepasst werden. Feedback sollte kontinuierlich eingeholt werden – z.B. durch digitale Tools, die es den Mitarbeitern jederzeit ermöglichen, ihre Erfahrungen und Wünsche mitzuteilen. Wird das Feedback richtig genutzt, können Unternehmen gezielt Änderungen vornehmen und Programme so anpassen, dass sie auch langfristig wirksam bleiben. Zudem muss das Management hinter den Programmen stehen und diese aktiv unterstützen, um die Mitarbeiter zur Teilnahme zu motivieren und das Wohlbefinden fest in die Unternehmenskultur zu integrieren.

Das Thema wird weiter an Bedeutung gewinnen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Gen Z andere Ansprüche an das Arbeitsumfeld stellt als ältere Generationen. Welche Trends zeichnen sich im Bereich Corporate Wellbeing ab?

Es ist klar, dass das Thema immer relevanter wird, nicht nur aufgrund der steigenden Bedeutung von Wohlbefinden am Arbeitsplatz, sondern auch durch den Einfluss der jüngeren Generationen. Das bedeutet, dass Wellness-Angebote möglichst individuell gestaltet sein müssen und auf unterschiedliche Bedürfnisse eingehen sollten, sei es durch Maßnahmen zur Stressreduktion oder durch Angebote zur mentalen Gesundheit. Ein weiterer wichtiger Trend ist die Digitalisierung von Wellbeing-Initiativen. Wir beobachten, dass immer mehr Unternehmen digitale Tools integrieren, die den Mitarbeitern eine flexible Nutzung ermöglichen, insbesondere in Zeiten von Remote- und Hybrid-Arbeit. Ein Beispiel: Wie unser „State-of-Work-Life-Wellbeing 2025“-Report herausfand, setzen Beschäftigte der Gen Z vor allem auf Meditation zur Stressminderung, und zwar am häufigsten mithilfe von Apps.

Insgesamt gibt es viele Wege, Wellbeing-Initiativen in den Arbeitsalltag zu integrieren, unabhängig davon, ob man im Büro oder zu Hause arbeitet. Flexibilität und Erreichbarkeit sind also die Schlüsselfaktoren, die auch die zukünftige Gestaltung von Wellbeing-Programmen prägen werden. Und noch ein Aspekt ist mir wichtig: Wellbeing ist kein Trend – es ist ein wichtiger Bestandteil einer zukunftsfähigen Arbeitskultur.

Vielen Dank für das Gespräch!

Ferdinand Teuber

Ferdinand Teuber
AttachmentSize
Beitrag als PDF herunterladen168.71 KB

· Artikel im Heft ·

Gesunde Teams, starke Unternehmen
Seite 47 bis 49
Frei
Bild Teaser
Body Teil 1

Aushängeschild oder notwendiges Übel? Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) ist zumindest in Bezug

Frei
Bild Teaser
Body Teil 1

Frau Sauer, was sind audio-visuelle Entspannungssysteme und warum stellen sie eine beliebte Säule im BGM

Frei
Bild Teaser
Body Teil 1

Wären Sie nicht Personalerin geworden, was dann?

Frei
Bild Teaser
Body Teil 1

27 Mio. Arbeitnehmer haben in Deutschland Anspruch auf Bildungsurlaub – doch nur 3,5 % nutzen den gesetzlichen Anspruch auf Extraurlaub

Premium
Bild Teaser
Body Teil 1

Warum sollte Vergütung ESG-Kriterien berücksichtigen?

Unternehmen des Finanzsektors müssen sich schon seit Langem damit auseinandersetzen, dass

Frei
Bild Teaser
Body Teil 1

Demografischer Wandel

Insbesondere der demografische Wandel, der in Deutschland durch eine Steigerung der Lebenserwartung bei