Vor dem LAG Hamm stritten die Parteien um einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Lohnerhöhung unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung. Diese ist seit dem 1.1.2015 als Arbeiterin in der Produktion auf der Grundlage eines vierseitigen Arbeitsvertrags beschäftigt. Ihr monatlicher Grundlohn belief sich auf 2.451 Euro. Das Unternehmen beschäftigt über 100 Arbeitnehmer auf Basis unterschiedlichster Arbeitsverträge mit unterschiedlichen Regelungen, die zum Teil unwirksam sind und nicht mehr der aktuellen Rechtsprechung des BAG entsprechen. Im Februar 2022 bot die Beklagte allen Arbeitnehmern daher neue, mit Ausnahme des Entgelts gleichlautende, neunseitige Arbeitsverträge an, die u. a. Regelungen zu einem Arbeitszeitkonto und zur Anordnung von Kurzarbeit, die Zahlung eines Zuschlags für ausgezahlte Überstunden, die Abbedingung von § 616 BGB, Einverständniserklärungen zum Datenschutz, eine umfangreiche Regelung zum Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch, einen Gleichlauf der gesetzlichen Kündigungsfristen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, eine an die BAG-Rechtsprechung angepasste Verfallklausel und einen um 4 % höheren Grundlohn vorsahen. Die Klägerin und fünf weitere Arbeitnehmer lehnten die Unterzeichnung des neuen Arbeitsvertrags ab. Mit Wirkung ab Januar 2023 zahlte die Beklagte den Arbeitnehmern, die die neuen Arbeitsverträge unterzeichnet hatten, darunter auch mehrere Arbeitnehmer, die die gleichen Tätigkeiten wie die Klägerin verrichten, eine weitere Grundlohnerhöhung von 5 %. Die Klägerin hatte weder die 4 %ige Lohnerhöhung im Jahr 2022 erhalten, noch erhielt sie die weitere Lohnerhöhung i. H. v. 5 %. Sie klagte daraufhin die Differenz zu ihrem Gehalt ein und machte geltend, dass das Unternehmen gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße und sie wegen der Nichtunterzeichnung des neuen Arbeitsvertrages unzulässig benachteilige.
Das LAG Hamm wie auch die erste Instanz wiesen die Klage ab (Urt. v. 27.8.2024 – 6 SLa 63/24). Ein Anspruch auf Lohnerhöhung ergab sich nicht aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Dieser gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleich zu behandeln. Im Bereich der Arbeitsvergütung ist der Gleichbehandlungsgrundsatz trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit anwendbar, wenn Arbeitsentgelte durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben werden und der Arbeitgeber die Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt. Nimmt der Arbeitgeber eine Gruppenbildung vor, müssen Differenzierungsgründe für die unterschiedliche Behandlung der Gruppen bestehen. Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung ist bspw. der Ausgleich unterschiedlicher Arbeitsbedingungen zwischen verschiedenen Gruppen von Arbeitnehmern. Gibt es keine Differenzierungsgründe, hat der benachteiligte Arbeitnehmer Anspruch auf die vorenthaltene Leistung. Im entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber die Lohnerhöhung an die Unterzeichnung des neuen Arbeitsvertrags geknüpft und die Belegschaft in die Gruppen der Arbeitnehmer mit neuem Arbeitsvertrag und derjenigen mit altem Arbeitsvertrag unterteilt. Allerdings befanden sich die Klägerin mit ihrem alten Arbeitsvertrag und die Arbeitnehmer mit dem neuen Arbeitsvertrag nicht in einer vergleichbaren Lage. Die Arbeitsbedingungen der Klägerin und der Arbeitnehmer mit neuem Arbeitsvertrag sind völlig unterschiedlich. Allein der Umstand, dass die Klägerin dieselbe Tätigkeit wie andere Arbeitnehmer mit neuem Arbeitsvertrag verrichtet, begründet angesichts dieser zahlreichen Unterschiede in den beiden Vertragswerken keine Vergleichbarkeit. Die Klägerin machte selbst geltend, dass die neuen Arbeitsbedingungen für sie nachteilig seien, weshalb sie diese nicht akzeptiert habe.
Das Gericht weicht insoweit von einer Entscheidung des BAG vom 3.9.2014 (5 AZR 6/13) ab. Das Unternehmen hatte auch nicht das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verletzt. Nach dieser Norm darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Bei einer Verletzung des Maßregelungsverbots ist der benachteiligte Arbeitnehmer so zu stellen, als wäre die verbotene Maßregelung nicht erfolgt. Hier stellte jedoch nicht die zulässige Ablehnung des neuen Arbeitsvertrags, sondern die Geltung verschiedener Arbeitsvertragsmodelle den tragenden Beweggrund dar, die Klägerin von der Lohnerhöhung auszunehmen. Die Beklagte bezweckte mit der Lohnerhöhung, dass zur Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen möglichst alle Arbeitnehmer den neuen Arbeitsvertrag unterschreiben.
Das Gericht ließ wegen Abweichens von der Entscheidung des BAG hinsichtlich der Frage des Vergleichsmaßstabs die Revision zu. Sie ist beim BAG unter dem Az. 5 AZR 239/24 anhängig. (LAG Hamm, Urt. v. 27.8.2024 – 6 SLa 63/24).
Dr. Claudia Rid

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