Höhe von Sondergratifikationen: Auskunft gegenüber Betriebsrat

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Vor dem Hessischen LAG (Beschl. v. 10.12.2018– 16 TaBV 130/18) stritten die Betriebsparteien über die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Auskunftserteilung gegenüber dem Betriebsrat, an welche Arbeitnehmer (außer Leitende Angestellte), in welcher Höhe, auf welcher Grundlage und nach welchen Kriterien Zulagen, Prämien, Gratifikationen, Provisionen oder sonstige Zahlungen gezahlt wurden.

Der Betriebsrat begehrte die Auskunft auf Grundlage des § 80 Abs. 2 BetrVG. Danach muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat alle erforderlichen Informationen geben, die es ihm ermöglichen zu überprüfen, ob die geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen eingehalten werden. In einem Parallelverfahren hatte das Gremium bereits seinen Anspruch auf Einblick in die Bruttolohn- und Gehaltslisten (§ 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG) mit Erfolg geltend gemacht. Der Arbeitgeber wandte daher ein, dass damit auch der allgemeine Auskunftsanspruch erfüllt sei. Dem folgte das Gericht nicht.

Der allgemeine Unterrichtungsanspruch (§ 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG) wird nicht durch den Anspruch auf Einsicht in die Bruttoentgeltlisten (§ 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG) verdrängt. Beide Ansprüche sind in ihren Voraussetzungen und ihrer Reichweite verschieden. Hinsichtlich der Bruttoentgeltlisten besteht lediglich ein Einsichtsrecht, jedoch kein Anspruch auf Überlassung von Unterlagen. Das Einsichtsrecht steht nur dem Betriebsratsausschuss oder in kleineren Betrieben dem Betriebsratsvorsitzenden und nicht dem gesamten Betriebsratsgremium zu.

Die begehrte Auskunft kommt einer Bruttolohn- und Gehaltsliste nicht gleich, da sie sich nur auf bestimmte Vergütungsbestandteile bezieht. Der Betriebsrat begehrt gerade nicht die schriftliche Auskunft über die gesamten Bruttoentgelte sämtlicher Arbeitnehmer mit Ausnahme Leitender. Aus diesem Grund steht der Auskunftsanspruch auch dem Betriebsrat und nicht lediglich dem Betriebsausschuss bzw. Vorsitzenden zu. Aus demselben Grund besteht ein Anspruch auf eine schriftliche Auskunft. Dies besagt der Gesetzeswortlaut zwar nicht ausdrücklich, jedoch ist der Arbeitgeber bei umfangreichen und komplexen Angaben aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit regelmäßig gehalten, die Auskunft schriftlich zu erteilen (BAG, Beschl. v. 7.2.2012 – 1 ABR 46/10, AuA 6/13, S. 376).

Schließlich muss der Betriebsrat den Anspruch nicht begründen, es reicht vielmehr ein Aufgabenbezug. Das Gremium hatte dargelegt, es beabsichtige den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Entgeltsystematik und zu Entgeltgrundsätzen (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG). Dafür musses wissen, welche Zulagen, Prämien,Gratifikationen etc. es zu berücksichtigen gilt. Schließlich muss der Betriebsrat auch überwachen, ob der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt wird und ggf. auch auf innerbetriebliche Lohngerechtigkeit hinwirken.

Datenschutzrechtliche Bedenken sieht das Gericht nicht. § 26 Abs. 1 BDSG, der die Datenverarbeitung im Arbeitsverhältnis regelt, stellt ausdrücklich klar, dass die Beteiligungsrechte der Interessenvertretung der Beschäftigten unberührt bleiben. Daraus folgt, dass der Arbeitgeber berechtigt und verpflichtet ist, auch gegen den Willen betroffener Beschäftigter deren personenbezogene Daten im Rahmen der dem Betriebsrat obliegenden Aufgaben an den Betriebsrat weiterzuleiten. Mit dem Grundsatz der Datensparsamkeit kann nicht gerechtfertigt werden, dem Betriebsrat die von diesem für die Wahrnehmung seiner Aufgaben benötigten personenbezogenen Daten vorzuenthalten.

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Im Übrigen bestehen nach Auffassung des Gerichts datenschutzrechtliche Bedenken auch deshalb nicht, weil der Betriebsrat selbst Teil der verantwortlichen Stelle i. S. d. Art. 4 Nr. 7 DSGVO ist. Dies ist in der Literatur umstritten. Nach Meinung des Gerichts ist die Zurverfügungstellung der Informationen an den Betriebsrat keine Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte. Auch der Betriebsrat ist an das Datenschutzrecht gebunden und insbesondere zur Geheimhaltung verpflichtet (§ 79 BetrVG).

Hinweis: Der Arbeitgeber muss sich also darauf verlassen können, dass der Betriebsrat als Teil der verantwortlichen Stelle die Bestimmungen des Datenschutzrechts einhält. Er ist daher gut beraten, dem Gremium datenschutzrechtlichen Sachverstand an die Seite zu stellen, wenn es darüber nicht selbst verfügt.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist anhängig unter dem Az. 1 ABN 5/19.

Dr. Claudia Rid

Dr. Claudia Rid
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, CMS Hasche Sigle, München
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Höhe von Sondergratifikationen: Auskunft gegenüber Betriebsrat
Seite 306 bis 307
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