Die erhebliche Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer in AGB kann eine unangemessene Benachteiligung entgegen Treu und Glauben i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellen. Das ist nach dem BAG auch dann der Fall, wenn die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber gleichermaßen verlängert wird.
Der Beklagte war bei dem klagenden Unternehmen seit Dezember 2009 als Speditionskaufmann beschäftigt. Eine im Juni 2012 unterzeichnete vorformulierte Zusatzvereinbarung sah vor, dass sich die gesetzliche Kündigungsfrist für beide Arbeitsvertragsparteien auf drei Jahre zum Monatsende verlängert. Gleichzeitig hob man das Bruttogehalt an.
Nachdem Kollegen des Beklagten festgestellt hatten, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhalten an den Computern mithilfe einer Software überwachte, kündigten der Speditionskaufmann und fünf weitere Mitarbeiter Ende Dezember 2014 das Arbeitsverhältnis zum 31.1.2015. Das Unternehmen klagte auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 31.12.2017 fortbesteht.
Profitieren Sie vom Expertenwissen renommierter Fachanwält:innen, die Sie über aktuelle Entscheidungen des Arbeitsrechts informieren. Es werden Konsequenzen für die Praxis benannt und Handlungsempfehlungen ausgesprochen.
Nachdem das Sächsische LAG die Klage abgewiesen hatte, blieb auch die hiergegen gerichtete Revision vor dem BAG ohne Erfolg. Die in den AGB enthaltene Verlängerung der Kündigungsfrist benachteiligt den Beschäftigten im Einzelfall entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Die vom Arbeitgeber vorformulierte Kündigungsfrist hält zwar die Grenzen des § 622 Abs. 6 BGB und des § 15 Abs. 4 TzBfG ein, ist aber wesentlich länger als die gesetzliche Regelfrist gem. § 622 Abs. 1 BGB. Deshalb war nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls (unter Berücksichtigung von Art. 12 Abs. 1 GG) zu prüfen, ob die Fristverlängerung eine unangemessene Beschränkung der Berufsfreiheit darstellt. Das BAG betont, dass das Sächsische LAG hier ohne Rechtsfehler von einer solchen unausgewogenen Gestaltung ausgegangen ist. Die vorgesehene Gehaltserhöhung wiegt den Nachteil für den Beklagten nicht auf.
BAG, Urteil vom 26. Oktober 2017 – 6 AZR 158/16
Redaktion (allg.)
Attachment | Size |
---|---|
Beitrag als PDF herunterladen | 84.35 KB |
· Artikel im Heft ·
Eine approbierte Ärztin schloss mit einem medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) ein Arbeitsverhältnis zur Weiterbildung zur Fachärztin
Vor dem LAG Nürnberg (Urt. v. 3.3.2021 – 2 Sa 323/20) stritten die Parteien über die Rechtmäßigkeit einer fristlosen Kündigung während der
Das Annahmeverzugslohnrisiko bei Kündigung
Gem. § 615 Satz 1 BGB kann der Dienstverpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste
Ausgestaltung
Kabotage ist gewerblicher Güterkraftverkehr mit Be- und Entladeort in einem Staat, dem sog. Aufnahmemitgliedstaat, durch
Ein bei einem Softwareunternehmen angestellter Sales Account Manager hatte mit seinem Arbeitgeber eine „Zusatzvereinbarung über Tätigkeit
Transfergesellschaften als Restrukturierungsinstrument
Als klassisches Restrukturierungsinstrument haben sich unter dem zunehmenden Kostendruck