Sind die materiell-rechtlichen Fragen des Zivilprozesses entschieden oder entscheidungsreif – Gleiches gilt für den Arbeitsgerichtsprozess –, stellt sich die Frage nach den Kosten des Prozesses, insbesondere nach deren Kostentragung und Kostenverteilung.
Hierzu bestimmt § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO: „Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren.“
Die Kostenerstattung erfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder die durch notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
Des Weiteren gilt für die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei: Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten (§ 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Kostenfestsetzungsverfahren
Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen eines beauftragten Rechtsanwalts gelten unabhängig von den konkreten Umständen stets als zweckentsprechend verursachte Kosten. Eine Partei soll sich im Prozess anwaltlicher Hilfe bedienen können, ohne Kostennachteile befürchten zu müssen.
Im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103ff. ZPO ist daher grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die Partei für das Verfahren einen Rechtsanwalt beauftragen durfte und dies objektiv notwendig war. Prüfungsmaßstab ist, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei in der konkreten prozessualen Situation ebenfalls einen Rechtsanwalt beauftragt hätte. Dies ist für Rechtsmittelverfahren grundsätzlich zu bejahen (BAG, Beschl. v. 18.4.2024 – 4AZB24/23).
Diese Grundsätze gelten ebenso für die Rechtsmittelverfahren nach dem Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). § 91 ZPO gilt im Berufungs- und Revisionsrechtszug uneingeschränkt, da es insoweit an einer Bezugnahme in § 64 Abs. 7, § 72 Abs. 6 auf § 12a ArbGG fehlt.
Berufungsverfahren
Danach sind der obsiegenden Partei im Berufungsverfahren die Anwaltskosten auch dann zu ersetzen, wenn eine Vereinigung von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und Nr. 5 ArbGG, die im ersten Rechtszug mit der Vertretung beauftragt war, bereit gewesen wäre, die Vertretung unentgeltlich zu übernehmen. Nur wenn ein Verbandsvertreter das gerichtliche Verfahren in einer Instanz bereits betrieben hat, ist zu prüfen, ob die nachträgliche Mandatierung eines Rechtsanwalts in der konkreten Prozesssituation und angesichts des bereits erfolgten Prozessfortschritts noch zweckentsprechend und nicht nutzlos war. Damit nimmt die Prüfung dieser Frage skurrile Formen an. Denn der zunächst eingeschaltete Rechtsanwalt könnte bereits seinerzeit zu dem Ergebnis gekommen sein, dass seine Einschaltung nutzlos wäre. Dies ist zwar unwahrscheinlich, jedoch nicht ausgeschlossen.
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Der Streitfall
Vorliegend war die Beauftragung eines Rechtsanwalts durch die Klagepartei nicht rechtsmissbräuchlich (BAG, Urt. v. 18.4.2024 – 4AZB24/23).
Die Mandatierung erfolgte zwar erst nach Eingang der Berufungsbegründung – und Erwiderung beim LAG Hamm sowie der Bestimmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung und damit zu einem Zeitpunkt, in dem neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur noch eingeschränkt vorgebracht werden konnten (§ 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG). Diese Gegebenheiten rechtfertigen aber nicht die Annahme, die nachträgliche Mandatierung sei nicht als zweckentsprechend anzusehen.
Dies gilt schon deshalb, weil die Mandatierung vier Monate vor dem anberaumten Termin erfolgte. In dieser Situation durfte die Klagepartei von der Möglichkeit neuen Sachvortrags im Prozess ausgehen. Dies bestätigt im Übrigen auch der weitere Prozessverlauf.
Die Klagepartei hatte zwar erstinstanzlich einen erforderlichen Stilllegungsbeschluss der beklagten Partei in Abrede gestellt, dessen Existenz aber in der Berufungsbegründung eingeräumt. Mit einem späteren Schriftsatz ihres Rechtsanwalts hat sie (die Klagepartei) den Stilllegungsbeschluss erneut bestritten und damit ihren Sachvortrag geändert. Diesen geänderten Vortrag hatte das LAG Hamm berücksichtigt und der Kündigungsschutzklage mit der Begründung stattgegeben, die beklagte Partei habe nicht nachgewiesen, im Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleichs die Stilllegung des ganzen Betriebs ernstlich und endgültig geplant zu haben.
Anm. d. Red.: Es handelt sich bei diesem Beitrag um eine teilweise wortgleiche, stark verkürzte Darstellung der Entscheidungsgründe des BAG aus dem Beschluss vom 18.4.2024.
Dr. jur. Günter Schmitt-Rolfes
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