Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs und Ersatz von Detektivkosten
Ein bei einem Verkehrsunternehmen des ÖPNV angestellter Fahrausweisprüfer mit einem durchschnittlichen Verdienst von ca. 3.300 Euro brutto pro Monat war verpflichtet, seine Arbeits- und Pausenzeiten in einem Zeiterfassungssystem zu hinterlegen. Die Fahrausweisprüfer nutzen dieses System über eine mobile App. Im Juli 2022 wies das für den Arbeitgeber tätige Sicherheitsunternehmen diesen darauf hin, dass Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die Arbeitszeiterfassung sowie die tatsächlich geleistete Arbeitszeit des Mitarbeiters bestanden. So sei dieser u. a. während der Arbeitszeit bei Besuchen im Fitnessstudio, in einer Moschee und beim Friseur beobachtet worden. Auch private Fotoshootings am Rheinufer seien während der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit abgehalten worden. Aufgrund dieser scherwiegenden Vorwürfe hatte der Arbeitgeber eine Detektei beauftragt, den Kläger unregelmäßig an einzelnen Tagen zu observieren, zunächst an fünf Tagen im November 2022 während seiner vertraglichen Arbeitszeiten. Sodann observierte die Detektei den Kläger nochmals über einen festen Zeitraum von 2.12.2022 bis 16.12.2022, um so ein wirklich verlässliches Ergebnis zu erlangen. Dabei ergab sich, dass der Kläger sich während seiner Arbeitszeit mehrfach an der Adresse seiner Freundin oder in Bäckereien/Cafés aufgehalten hatte. Nach Anhörung des Klägers zu dem Verdacht des Arbeitszeitbetrugs und Beteiligung des Betriebsrats sprach das Unternehmen eine fristlose hilfsweise ordentliche Kündigung aus und verlangte die Erstattung der Detektivkosten i. H. v. insgesamt über 21.000 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer.
Nach einer umfangreichen Beweisaufnahme war das Gericht der Überzeugung, dass jedenfalls im Zeitraum Dezember 2022 erhebliche Pausenzeiten vorsätzlich nicht in dem Zeiterfassungssystem dokumentiert waren. Der Ausweisprüfer sei während einer Zeit, die er als Arbeitszeit erfasste im Hause seiner Freundin gesichtet worden, wobei auszuschließen sei, dass er in der Wohnung seiner Freundin Fahrkarten kontrolliert habe. Schließlich sei er während Zeiten, die er als Arbeitszeit erfasst hatte Bäckereibesuchen nachgegangen, wobei nicht erkennbar war, dass er während dieser ausgiebigen Besuche eine Arbeitsleistung erbracht hatte. Das Gericht war der Meinung, dass die Observation des Klägers auch nach dem BDSG zulässig war und kein Beweisverwertungs- oder Sachvortragsverbot besteht. Ein solches kommt gerade im Geltungsbereich der DSGVO nur in Betracht, wenn die Nichtberücksichtigung von Vorbringen wegen einer nach dem Grundgesetz geschützten Rechtsposition des Arbeitnehmers zwingend geboten ist (vgl. BAG, Urt. v. 29.6.2023 − 2 AZR 297/22). Voraussetzung wäre somit, dass gerade die Verwertung der Erkenntnis oder des Beweismittels einen erheblichen Grundrechtseingriff darstellen würde. Dies sah das Gericht im konkreten Fall nicht als gegeben an. Zwar stelle die Überwachung des Klägers durch Detektive, die beobachten, fotografieren und dokumentieren sowie die Anbringung eines GPS-Senders an dem während der Schichtzeiten genutzten Dienstfahrzeug einen Eingriff in dessen Persönlichkeitsrechte und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Dieser Eingriff sei aber von geringer Intensität, weil er nur während der Schichtzeiten im öffentlichen Verkehrsraum und nur über einen Zeitraum von wenigen Tagen erfolgt ist und praktisch nur das dokumentiert wurde, was jeder beliebige Passant ebenfalls hätte wahrnehmen können. Eine vom Kläger angeführte „Orwell'sche“ Überwachung lag mit Nichten vor. Das Gericht sah auch den Anspruch auf Erstattung der Detektivkosten i. H. v. über 21.000 Euro netto als gegeben an. Nach der Rechtsprechung des BAG besteht ein solcher Anspruch, wenn der Arbeitgeber aufgrund eines konkreten Tatverdachts einem Detektiv die Überwachung des Arbeitsnehmers überträgt und der Arbeitnehmer einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird. Diese Voraussetzungen lagen hier vor, da aufgrund der Aussagen des Security-Dienstes der erhebliche Verdacht bestanden hatte, dass der Kläger Arbeitszeitbetrug begeht. Er wurde auch einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt (LAG Köln, Urt. v. 11.2.2025 – 7 Sa 635/23).
Dr. Claudia Rid

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