Kündigung wegen Mitgliedschaft in rechtsextremistischer Vereinigung

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 Bild: VectorMine/stock.adobe.com
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Der Kläger war bei der Beklagten als technischer Sachbearbeiter im Bereich Park- und Grünanlagen beschäftigt. Er unterzeichnete bei seiner Einstellung im Jahr 2005 eine Erklärung, in der er sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung i. S. d. Grundgesetzes bekannte. Insbesondere versicherte er dabei, nicht Mitglied einer hiergegen gerichteten Organisation zu sein. Über den Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen erlangte der Arbeitgeber im Jahr 2021 Kenntnis davon, dass der Kläger Mitglied in einer Gruppierung sei, die der Verfassungsschutz dem sog. „subkulturellen Rechtsextremismus“ zurechnete. Eine Einigung über die Auflösung des Arbeitsvertrags gelang nicht, sodass im August 2021 das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich mit Wirkung zum 31.3.2022 gekündigt wurde. Im Kündigungsschutzverfahren kam es nach Auseinandersetzung zwischen den Parteien zum Auflösungsantrag des Arbeitsverhältnisses seitens des Arbeitgebers. Das ArbG stellte fest, dass das Prozessverhalten des Klägers eine Auflösung rechtfertige. Da der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter gegenüber dem Arbeitgeber im Prozess wiederholt leichtfertig und ohne nähere Begründung den Vorwurf strafbaren Verhaltens erhoben hätten, lägen Gründe vor, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht erwarten ließen.

Das LAG Hamm (Urt. v. 6.12.2022 – 17 Sa 139/22, rk.) bestätigte den Auflösungsantrag auf die Berufung beider Parteien. Die Kündigung hielt das LAG für unwirksam, denn den Kläger treffe allenfalls eine einfache und keine gesteigerte politische Loyalitätspflicht. Er sei für die Beklagte als Garten- und Landschaftsbauer tätig und übe keine hoheitlichen Befugnisse aus. Allein die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Gruppierung stelle für sich keinen Verstoß gegen die obliegende einfache Treuepflicht dar.

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Den Auflösungsantrag hielt das LAG jedoch für wirksam, da eine weitere sinnvolle Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht zu erwarten sei. Als Gründe für einen Auflösungsantrag kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seine Leistung oder seine Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitenden betreffen. Da der Prozessvertreter des Klägers im laufenden Kündigungsschutzverfahren gegenüber dem Arbeitgeber mehrfach den Vorwurf betrügerischen und damit strafrechtlich relevanten Verhaltens erhoben hatte, obwohl die Unhaltbarkeit dieses Vorwurfs ohne Weiteres auf der Hand lag, bestehe ein hinreichender Grund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses.

Die Entscheidung zeigt, dass der Grad der Loyalitätspflicht im Einzelfall zu prüfen ist; eine Kündigung dürfte nur dann möglich sein, wenn hoheitliche Aufgaben zu erledigen sind. Das Mittel des Auflösungsantrags sollte daneben jedenfalls bedacht werden, sofern das Prozessgebaren Anlass dazu gibt, von einer weiteren Zusammenarbeit in jedem Falle Abstand zu nehmen.

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Kündigung wegen Mitgliedschaft in rechtsextremistischer Vereinigung
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