Mitbestimmung beim Desk-Sharing

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Der Betriebsrat eines Betriebs mit über 1.700 Beschäftigten machte im Wege der einstweiligen Verfügung die Unterlassung der Umsetzung eines Desk-Sharing-Konzepts geltend und verlangte die Bereitstellung eines Terminals für die Buchung von Arbeitszeiten. Mit Desk-Sharing bezeichnet das Unternehmen die flexible, wechselnde Nutzung von Arbeitsplätzen durch mehrere Mitarbeiter. Die Arbeitnehmer suchen sich jeweils zu Beginn der Arbeitszeit einen freien Arbeitsplatz innerhalb einer ihnen zugewiesenen Teamzone. Eine technische Einrichtung zur Steuerung der Arbeitsplatzvergabe gibt es nicht. Für jeden Vollzeitbeschäftigten werden 0,8 Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt, um Kosten einzusparen. Die Belegschaft ist angewiesen, am Ende der Arbeitszeit den Schreibtisch vollständig aufzuräumen und Arbeitsmittel und persönliche Gegenstände in einem zur Verfügung gestellten Pilotenkoffer zu verstauen. Der Betriebsrat reklamierte unter mehreren Gesichtspunkten ein zwingendes Mitbestimmungsrecht. Zum einen war er der Auffassung, dass das Konzept die Ordnung des Betriebs betrifft (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG), zum anderen berief er sich auf das Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) sowie über Regelungen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG). Außerdem sah er in der Einführung des Konzepts eine Betriebsänderung, die nicht ohne Interessenausgleich und Sozialplan umgesetzt werden dürfe (§ 111 BetrVG). Schließlich berief er sich auf sein Beteiligungsrecht aus § 91 BetrVG, wonach Änderungen der Arbeitsplätze, die den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensichtlich widersprechen und die Arbeitnehmer in besonderer Weise belasten, mitbestimmungspflichtig sind. Die Einführung des Buchungsterminals für die Arbeitszeit forderte er unter Berufung auf eine Betriebsvereinbarung Arbeitszeit (BV AZ).

In zweiter Instanz drang der Betriebsrat lediglich mit der Einrichtung des Buchungsterminals durch. Im Übrigen wies das LAG Düsseldorf (Beschl. v. 9.1.2018 – 3 TaBVGa 6/17) im einstweiligen Verfügungsverfahren die Anträge zurück. Hinsichtlich der Mitbestimmungsrechte aus §§ 87 Abs. 1 Nr. 6 und 7, 91 sowie 111 BetrVG fehlte bereits der Verfügungsanspruch. Ob ein Mitbestimmungsrecht unter dem Gesichtspunkt „Fragen der Ordnung des Betriebes“ besteht, ließ das Gericht offen, verneinte aber den erforderlichen Verfügungsgrund. Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG schied aus, da es nicht um die Einführung oder Anwendung einer technischen Einrichtung geht. Die bislang und auch weiterhin zur Anwendung gelangenden technischen Einrichtungen blieben unverändert.

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Im Rahmen des Gesundheitsschutzes kann der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bzgl. Hygiene- und Reinigungsregelungen im Betrieb haben. Voraussetzung dafür ist jedoch eine konkrete Gefährdung der Mitarbeiter. Die Arbeitsplätze werden täglich durch einen externen Dienstleister gereinigt. Es ging dem Betriebsrat auch gar nicht um die Vermeidung einer konkreten Gefährdung, sondern schlicht darum, dass er eine individuelle Zuweisung von Arbeitsmitteln erreichen wollte.

In der Frage, ob der Betriebsrat die Durchführung einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG ohne seine Beteiligung verhindern kann, ist die Instanzrechtsprechung gespalten. Das LAG Düsseldorf verneint mit einer Reihe weiterer LAGe einen solchen Anspruch, weil die Sanktion der Verletzung des Beteiligungsrechts der Nachteilsausgleich nach § 113 BetrVG ist, der jedem Arbeitnehmer individuell zusteht. Selbst wenn ein Unterlassungsanspruch wegen Verletzung von § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG anzunehmen wäre, würde es am Verfügungsgrund fehlen. Denn darüber, ob vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens eine vorläufige Regelung erforderlich ist, entscheidet eine umfassende Interessenabwägung. Neben der Dringlichkeit ist die Erforderlichkeit der beantragten Maßnahme oder des Verbots zu prüfen. Je eindeutiger ein Mitbestimmungsverstoß des Arbeitgebers vorliegt, desto eher wird ein Verfügungsgrund anzunehmen sein. Umgekehrt gilt allerdings, dass bei weitgehend ungeklärter Sach- und Rechtslage die Anforderungen an den Verfügungsgrund erhöht sind. Bei einer in höherem Maße zweifelhaften Rechtslage kann regelmäßig keine einstweilige Verfügung ergehen. Vor allem beinhaltet das Desk-Sharing eine Reihe von Anordnungen und Festlegungen des Arbeitgebers, die nicht mit einem Globalantrag auf Unterlassung verhindert werden können. Erfolgreich war der Antrag, ein Buchungsterminal zur Verfügung zu stellen. Dies war in der BV AZ vereinbart, sodass der Arbeitgeber offensichtlich gegen eine geltende Betriebsvereinbarung verstieß, was den Erlass einer einstweiligen Verfügung rechtfertigte.

Dr. Claudia Rid

Dr. Claudia Rid
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, CMS Hasche Sigle, München
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Mitbestimmung beim Desk-Sharing
Seite 370
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