Mitbestimmungsrecht des BR bei Arbeitszeiterhöhung von Teilzeitkräften

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 Bild: SasinParaksa/stock.adobe.com
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Nach der Rechtsprechung des BAG liegt bei einer nach Dauer und Umfang nicht unerheblichen Erhöhung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines Teilzeitbeschäftigten eine Einstellung i. S. v. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vor, der der Betriebsrat zustimmen muss. Voraussetzung ist, dass die Erhöhung der vereinbarten Arbeitszeit eine bestimmte Mindestdauer übersteigt, die bei einem Monat liegt. Das BAG hat entschieden, dass erforderlich ist, dass die Arbeitszeit um zehn Stunden oder mehr pro Woche erhöht wird. Diese 10-Stunden-Grenze leitete es u. a. aus der seinerzeit geltenden Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG her, wonach bei fehlender Vereinbarung eines Arbeitszeitkontingents bei Abrufarbeit von einer wöchentlichen Arbeitszeit von zehn Stunden auszugehen ist. Diese Regelung wurde im Nachgang zur BAG-Entscheidung vom 9.12.2008 (1 ABR 74/07) geändert.

Der Betriebsrat eines Einrichtungshauses war der Meinung, dass die frühere Rechtsprechung des BAG keine Anwendung mehr finde. Er reklamierte bereits bei einer Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit von vier Stunden oder mehr in der Woche für einen Zeitraum von mindestens einem Monat ein Mitbestimmungsrecht. Unstreitig beteiligte das Unternehmen den Betriebsrat ab einer geplanten Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit von zehn oder mehr Stunden. Der Anspruch auf Unterlassung der Beschäftigung von Teilzeitarbeitnehmern mit einer Stundenaufstockung, die vier Stunden übersteigt, war unbegründet. Ein solcher Unterlassungsanspruch unabhängig von den Voraussetzungen des allgemeinen Unterlassungsanspruchs nach § 23 Abs. 3 BetrVG bestehe nicht, auch wenn der Arbeitgeber eine personelle Einzelmaßnahme i. S. v. § 99 BetrVG unter Verstoß gegen ein Mitbestimmungsrecht umsetzt. Denn Voraussetzung wäre, dass der Arbeitgeber in schwerwiegender Weise Pflichten aus dem BetrVG verletzt hätte, mithin ein grober Verstoß vorliegt. Dies scheidet aus, wenn er seine Rechtsposition mit einer vorliegend höchstrichterlichen Entscheidung verteidigen kann und wenn er jedenfalls ab einer Erhöhung der Arbeitszeit um zehn Stunden oder mehr pro Woche den Betriebsrat beteiligt. Auch der Antrag auf Feststellung, dass der Betriebsrat zu beteiligen ist, war ohne Erfolg. Das BAG hatte in seiner Entscheidung v. 9.12.2008 deutlich gemacht, dass es eine Grenze von zehn Wochenstunden als maßgeblich erachte und eine solche absolute Grenzziehung für sachgerechter und praktikabler halte, als eine prozentuale Grenzziehung bemessen am Arbeitszeitvolumen des Teilzeitmitarbeiters. Es hat deutlich gemacht, dass die Grenze dazu, wann eine erhebliche Erhöhung des Stundenkontingents vorliegt, weder von der Branche des Unternehmens abhängig gemacht werden könne noch eine Einzelfallbetrachtung als praktikabel angesehen werden könne. Es würde zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen, wenn bei der Ermittlung der Erheblichkeitsschwelle von Stundenkontingenterhöhungen bei Teilzeitkräften auf den Einzelfall, die Branche oder die Anzahl der geplanten Erhöhungen abzustellen wäre. Das Gericht ließ wegen grundsätzlicher Bedeutung die Rechtsbeschwerde zu (LAG Hamm, Beschl. v. 18.11.2024 – 12 TaBV 14/24, Rechtsbeschwerde eingelegt unter dem Az. 1 ABR 42/24).

Dr. Claudia Rid

Dr. Claudia Rid
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, CMS Hasche Sigle, München
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· Artikel im Heft ·

Mitbestimmungsrecht des BR bei Arbeitszeiterhöhung von Teilzeitkräften
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