Nachschieben von Kündigungsgründen

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 Bild: tobago77/stock.adobe.com
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Mit einem hauptamtlichen Schulleiter bestand ein für die Zeit vom 1.8.2016 bis 31.7.2021 befristeter Arbeitsvertrag, der für die Schule ordentlich nicht kündbar war. Am 9.5.2018 sprach die Schule eine fristlose Kündigung aus, konnte allerdings nicht angeben, welcher Sachverhalt sie hierzu motiviert hatte. Daher konnte die beklagte Schule auch nicht darlegen, dass sie für den Ausspruch der Kündigung die Ausschlussfrist von zwei Wochen ab Kenntnis des Kündigungsgrundes eingehalten hatte. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass der Schulleiter nachträglich Notenbewertungen seiner Schüler geändert hatte. Nach den einschlägigen schulrechtlichen Bestimmungen entscheidet die Zeugniskonferenz über Zeugnisnoten und ggf. über deren Änderung. Der Schulleiter hatte entgegen diesen gesetzlichen Vorgaben mehreren Schülern der 10. Klasse jeweils eine Notenstufe bessere Noten zugebilligt. Von diesen Vorgängen, die sich vor Ausspruch der Kündigung vom 9.5.2018 ereignet hatten, will die Schule im Oktober 2019 erfahren haben.

Das LAG Köln (Urt. v. 16.10.2019 – 5 Sa 221/19) entschied, dass die Schule diese Kündigungsgründe nachschieben kann. Hierfür sei lediglich erforderlich, dass es sich um neu bekannt gewordene Kündigungsgründe handelt, die bei Kündigungsausspruch objektiv bereits gegeben waren. Entgegen der Rechtsprechung des BAG komme es nicht darauf an, ob die Kündigung als solche rechtzeitig erklärt wurde. Im Einzelnen begründet das Gericht seine Entscheidung wie folgt: Die eigenmächtige Änderung der Notenvergabe durch den Direktor einer Schule ohne den hierfür notwendigen Beschluss der Zeugniskonferenz ist an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung zu rechtfertigen. Es handelt sich um eine schwerwiegende Pflichtverletzung, die das Vertrauen von Schülern, Eltern und der Öffentlichkeit in den ordnungsgemäßen Ablauf der Notengebung erschüttert und damit das Ansehen der Schule in der Öffentlichkeit nachhaltig beschädigt. Der Umstand, dass die Schule für die am 9.5.2018 ausgesprochene Kündigung die Einhaltung der Zweiwochenfrist nicht nachweisen konnte, weil sie überhaupt keinen Kündigungssachverhalt vortragen konnte, hindert sie nicht daran, Kündigungsgründe nachzuschieben. § 626 Abs. 2 BGB findet nach der Rechtsprechung des BAG keine Anwendung, wenn nachträglich bekannt gewordene Gründe für eine außerordentliche Kündigung nachgeschoben werden. Allerdings geht das BAG in einer Entscheidung vom 23.5.2013 (2 AZR 102/12) davon aus, dass ein Nachschieben nur dann zulässig ist, wenn die (nicht durchgreifenden) Gründe, die den Arbeitgeber ursprünglich zum Ausspruch der Kündigung motiviert haben, nicht verfristet waren. Dieser Rechtsprechung schließt sich die Kammer nicht an und hat die Revision zum BAG zugelassen. Sie ist dort unter dem Az. 2 AZR 707/19 anhängig.

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Nachschieben von Kündigungsgründen
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