Ordentliche Kündigung einer Betriebsrätin in einer Matrixstruktur
Mitglieder des Betriebsrats sind grundsätzlich nur aus wichtigem Grund und nur mit Zustimmung des Betriebsratsgremiums kündbar. Eine Ausnahme besteht dann, wenn der Betrieb oder die Betriebsabteilung, in der das Betriebsratsmitglied beschäftigt ist, stillgelegt wird. In diesem Fall ist eine ordentliche Kündigung zulässig, zu der der Betriebsrat als Gremium nur angehört werden muss (§ 15 Abs. 4, 5 KSchG).
Um die Frage, ob ein Betriebsratsmitglied in einer Betriebsabteilung beschäftigt ist, die stillgelegt wurde, ging es vor dem LAG Hannover (Urt. v. 24.7.2023 – 15 Sa 906/22, rk.). Die Klägerin war als Global Process Expert im Bereich IT ERP – Finance & Controlling beschäftigt. Als solche war sie die einzige Mitarbeiterin des 90-köpfigen Betriebs in Deutschland. Sie war fachlich dem Director ERP – Finance & Controlling unterstellt. Dieser ist Teil des weltweit agierenden Global Information Technology Development Center, angesiedelt in Bangalore/Indien. Im Mai 2022 entschied das Unternehmen, die inländischen Geschäftstätigkeiten u. a. des Bereichs IT ERP – Finance & Controlling auf sog. Centers of Excellences u. a. in Indien, Hatfield/UK und Morgantown/USA zu übertragen. Das Unternehmen hörte den Betriebsrat zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses an, dieser widersprach.
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Gegen die ausgesprochene Kündigung klagte die Betriebsrätin mit Erfolg. Die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Zulässigkeit einer ordentlichen Kündigung gem. § 15 Abs. 5 KSchG lagen nicht vor. Der Bereich IT ERP – Finance & Controlling stellt keine Betriebsabteilung i. S. d. § 15 Abs. 5 KSchG dar. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist eine Betriebsabteilung ein räumlich und organisatorisch abgegrenzter Teil des Betriebs, der eine personelle Einheit erfordert, dem eigene technische Betriebsmittel zur Verfügung stehen und der einen eigenen Betriebszweck verfolgt, auch wenn dieser in einem bloßen Hilfszweck für den arbeitstechnischen Zweck des Gesamtbetriebs besteht (BAG, Urt. v. 23.2.2010 – 2 AZR 656/08).
Als einzige Mitarbeiterin konnte die Klägerin schon keinen räumlich abgegrenzten Teil des Betriebs bilden. Es lag auch keine personelle Einheit vor, aus der Rückschlüsse auf das Vorliegen einer Abteilung gezogen werden konnten. Gleiches galt für die zur Verfügung gestellten eigenen technischen Betriebsmittel. Dass die Klägerin ein Laptop und eine eigene Büroausstattung hatte, sagt nichts über die Annahme einer Betriebsabteilung aus. Schließlich stellte die Klägerin auch keinen organisatorisch abgegrenzten Teil des Betriebs der Beklagten dar. Die Zuordnung im Rahmen der Matrixstruktur zum Bereich IT ERP – Finance & Controlling führt nicht zu einem organisatorisch abgegrenzten Teil des Betriebs. Denn im Betrieb in Deutschland gibt es keine organisatorische Struktur, der die Klägerin zugeordnet war. Der reine Wegfall der Arbeitsaufgaben reicht wegen des Sonderkündigungsschutzes zur Rechtfertigung der Kündigung nicht aus.
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