Rückzahlungsklausel für Provisionsvorschüsse

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Der Arbeitsvertrag eines Vertriebsmitarbeiters sah neben einer Festvergütung die Zahlung einer Vermittlungsprovision vor. Die sprachlich verunglückte Formulierung lautete wie folgt:

„Der Anspruch auf die Gewährung einer Vermittlungsprovision über die im Arbeitsvertrag vereinbarte Vergütung hinaus … setzt als aufschiebende Bedingung voraus, dass der Arbeitnehmer mindestens 60 % des vereinbarten Ziels und auf seine Vermittlungstätigkeit … zurückzuführenden Deckungsbeitrag I gem. der Definition nach § 6 dieser Vereinbarung.“

Ferner war vereinbart, dass der Mitarbeiter monatlich vorschüssig einen Provisionsvorschuss von 2.000 Euro erhält. Übersteigen die gezahlten Vorschüsse den sich aus der Provisionsabrechnung ergebenden Provisionsanspruch oder tritt die zitierte aufschiebende Bedingung nicht ein, ist der Arbeitnehmer zur Rückzahlung des sich ergebenden Differenzbetrags bzw. im Falle des Nichteintritts der Bedingung zur Erstattung der insgesamt gezahlten Vorschüsse verpflichtet. Für das Jahr 2015 vereinbarten die Parteien ein Deckungsbeitragsziel von 127.000 Euro. Bezogen auf diesen Zielwert erreichte der Vertriebsmitarbeiter lediglich 50,5 % statt der vereinbarten 60 %. Nachdem er sein Arbeitsverhältnis gekündigt hatte, rechnete das Unternehmen die Provisionsansprüche ab und machte unter Berufung auf die Rückzahlungsvereinbarung die Erstattung der gesamten bezahlten Vorschüsse für das Jahr 2015 geltend. Während die erste Instanz die Klage abwies, sprach das LAG Hamm (Urt. v. 12.9.2017 – 14 Sa 325/17) dem Unternehmen die Forderung zu. Die Parteien haben eine Provision als Erfolgsvergütung vereinbart, mit der der Vertriebsmitarbeiter am Wert der vermittelten Geschäfte beteiligt werden sollte. Ferner haben sie die Verpflichtung zur Rückzahlung von Provisionsvorschüssen unter bestimmten Bedingungen vereinbart. Die Bedingungen dafür, dass der Mitarbeiter die Vorschüsse behalten durfte, lagen unstreitig nicht vor, da er nur die Hälfte des Deckungsbeitrags erwirtschaftet hat. Die Regelung zur Rückzahlung der Vorschüsse sind wirksam. Eine Rückzahlungsverpflichtung besteht selbst ohne entsprechende ausdrückliche Vereinbarung schon allein aufgrund des Vorschusscharakters der Zahlung, wenn die bevorschusste Forderung nicht entsteht. Die Vereinbarung der Rückzahlungspflicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen in einem Formulararbeitsvertrag unterliegt nach Meinung der Richter keiner Inhaltskontrolle nach §§ 307 Abs. 1 und 2, 308 und 309 BGB, weil es sich um eine deklaratorische, von Rechtsvorschriften nicht abweichende Bestimmung handelt. Sie gibt eine teilweise, z. B. in § 87a Abs. 2 HGB gesetzlich geregelte, im Übrigen in der Rechtsprechung selbst ohne ausdrückliche Vereinbarung anerkannte vertragliche Verpflichtung im Fall der Vorschussgewährung wieder.

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Die Klausel war zwar sprachlich missglückt, beide Parteien hatten aber das gemeinsame Verständnis, dass der Mitarbeiter von dem als Ziel für das Jahr 2015 vereinbarten Deckungsbeitrag einen Teil von 60 % erreichen muss, um einen Anspruch auf Provision für dieses Jahr zu haben. Dieser übereinstimmende Wille geht der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor. Eine Inhaltskontrolle ist insoweit nicht statthaft. Welche Leistung ein Arbeitnehmer erbringen muss, um eine bestimmte Vergütung zu erzielen, stellt eine Entgeltregelung bzw. Preisabrede dar, die kein Gegenstand der Inhaltskontrolle ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Regelung sittenwidrig ist, lagen nicht vor.

Die Revision wurde zugelassen, sie ist beim BAG unter dem Az. 10 AZR 557/17 anhängig.

Dr. Claudia Rid

Dr. Claudia Rid
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, CMS Hasche Sigle, München
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· Artikel im Heft ·

Rückzahlungsklausel für Provisionsvorschüsse
Seite 178 bis 179
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